BundesratStenographisches Protokoll851. Sitzung / Seite 88

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tei als Fortschritts- und Gerechtigkeitspartei angesichts der Tatsache, wie diese Partei mit den Menschenrechten, der Medien- und Religionsfreiheit, der Kurdenfrage und vie­lem mehr umgeht, schon etwas sonderbar an.

Das wirft meiner Ansicht nach die brennende Frage auf – derzeit wird die Türkei als Partner in der Flüchtlingskrise dringend gebraucht und umworben; ich sehe die Forde­run­gen der Türkei als Gegenleistung für die Bestrebungen der EU in der Flüchtlings­frage schon extrem kritisch –: Wäre es nicht jetzt der richtige Zeitpunkt, der Türkei klarzumachen, dass die EU gerade in dieser Krisensituation sehr genau die Aktionen der Türkei beobachtet und verifiziert, wie europareif und europafreundlich die Türkei unter Erdoğan tatsächlich ist? (Präsident Saller übernimmt wieder den Vorsitz.)

Auch ein Blick in Richtung Libyen. Es gibt dort – wie im Bericht steht – eine sehr prekäre Situation. Inzwischen versucht man weltweit, eine Regierung zustande zu bringen, die tragfähig ist. Libyen selbst ist aber mit einer großen Anzahl an Flüchtlingen im Land völlig überfordert. Es gibt keine Armee, wie es sie in anderen Ländern gibt, sondern es gibt Stammessicherheitsdienste, eine verlockende Situation also für die Terrormiliz ISIS. Wenn sich die Lage in Libyen nicht verbessert, ist anzunehmen, dass sich auch diese Flüchtlinge in Richtung Europa bewegen werden.

Was gedenken Österreich und die EU zu tun, um dem vorzubeugen? Bezie­hungs­weise: Ist man sich dieser Situation bewusst? – Vielleicht bekommen wir auch dazu eine Stellungnahme von Herrn Außenminister Kurz.

Plan A hat das große Ziel, Europa dazu zu bewegen, hier einheitlich vorzugehen. Da aber die 28 EU-Mitgliedstaaten gerade in der Flüchtlingsfrage keine gemeinsame Linie und Betroffenheit erkennen lassen – in anderen Fragen, was die Wirtschafts- und Finanzkrise betrifft, sehr wohl –, wurde seitens der österreichischen Politik sozusagen der Plan B ausgerufen, der für die Zeit der Überbrückung, bis Plan A erfüllt werden kann, seine Gültigkeit haben wird.

Täglich wird die Bevölkerung mit neuen Tatsachen konfrontiert. Im Allgemeinen wer­den aber die Zwischenregelungen goutiert. Die vom Außenminister einberufene West­bal­kan­konferenz, der sogenannte Westbalkan-Flüchtlingsgipfel ohne Griechenland, wirft natürlich Fragen auf und hat auch Reaktionen hervorgerufen. Immerhin wurde die griechische Botschafterin zur Rücksprache von Wien abberufen.

Auch wurde eine formale Beschwerde vom griechischen Außenminister eingebracht. Nun stellt sich die Frage: Wie können wir das Flüchtlingsproblem ohne das ohnehin schwer gebeutelte Griechenland, das noch dazu die Schengen-Außengrenze bildet, lösen? Inwieweit können und werden Sie, Herr Minister Kurz, Ihre Fähigkeiten bei jenen Mitgliedstaaten einsetzen, die der vereinbarten Verteilung beziehungsweise den EU-Maßnahmen negativ gegenüberstehen?

Zum Abschluss noch zur österreichischen Außenpolitik – (auf das rote Licht auf dem Rednerpult weisend) das brennt schon –: Ziel der österreichischen Außenpolitik sollte es sein (allgemeine Heiterkeit Bundesrätin Mühlwerth: Die Außenpolitik …! Bun­desrätin Grimling: Jetzt brennt’s schon!) – das rote Licht hier brennt; ich komme schon zum Schluss! –, weit über den europäischen Tellerrand zu blicken.

Im Vorwort, Herr Bundesminister, gehen Sie ja mit diesen vier genannten Schwer­punkten darauf ein, aber die Ausführungen sind natürlich krisenbedingt auf Europa konzentriert. Das ist zwar aufgrund dieser Situation verständlich, steht aber im Widerspruch zu Ihren eigenen Zielsetzungen im Zuge der Neuausrichtung des Vertre­tungsnetzes. Demnach sollte Österreich künftig auch stärker im außereuropäischen Raum präsent sein.

 


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