BundesratStenographisches Protokoll851. Sitzung / Seite 100

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sein als der Minister, deswegen ist die Situation ganz speziell. (Heiterkeit bei Bun­desminister Kurz.)

Doch kommen wir zum eigentlichen Thema: Mit den Vorschauen für die euro­pa­poli­tische Arbeit ist es ja derzeit so eine Sache, weil die aktuellen Ereignisse die Vorschau­berichte eigentlich tagtäglich überholen. Nichtsdestotrotz beschreibt Ihr Bericht zum EU-Arbeitsprogramm die wichtigsten Herausforderungen aus meiner Sicht ganz gut.

Bevor ich zu den zwei großen Kernpunkten – aus meiner Sicht – komme, möchte ich noch betonen, dass ich die im Bericht angesprochene Verbesserung der Europäischen Bürgerinitiative sehr begrüßen möchte. Ich glaube, mit der Bürgerinitiative ist es möglich, Europa noch näher zu den Menschen zu bringen, und wir haben, so glaube ich, auch in Österreich mit der Initiative Right2Water bewiesen, dass wir mit so einem Mittel sehr gut unser Recht auf sichere und öffentliche Wasserversorgung absichern können.

Bei einer Überarbeitung muss man jedoch meiner Meinung nach sehr stark daran arbeiten, dass es weniger formalen Aufwand braucht, um eine Initiative zu starten oder um sie zu unterstützen. Viele NGOs berichten, dass auch ein enormer finanzieller Aufwand nötig ist, um eine Initiative ins Laufen zu bringen. Da würde ich Sie bitten, sich auch auf diesem Wege dafür einzusetzen.

Angesprochen wird im Bericht auch das Europäische Transparenzregister für Organi­sationen und Interessenvertretungen, das ja vor allem LobbyistInnen und Interes­sen­vertretungen umfassen soll. Seit 1. März läuft dieser Konsultationsprozess zum Transparenzregister, und man muss ganz offen sagen: Das Transparenzregister hat bisher nicht funktioniert, weil es freiwillig und damit zahnlos war.

Juncker hat jetzt angekündigt, 2014 ein verpflichtendes Transparenzregister schaffen zu wollen. Aus meiner Sicht erfolgt da ein Schritt in die richtige Richtung. Es gibt Studien, die davon sprechen, dass es bis zu 15 000 LobbyistInnen in Brüssel gibt, und nur ein Bruchteil war bisher registriert. Das System hat also bisher nicht funktioniert. Ich glaube jedoch, die Menschen in der EU haben das Recht, zu erfahren, wer mit welchem Interesse und mit welchen finanziellen Mitteln versucht, politische Entschei­dungen zu beeinflussen.

Nun aber zu meinen eigentlichen zwei Kernpunkten des Berichts, nämlich zur Flücht­lingssituation und zu den Entwicklungen rund um die Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Ich glaube, und da müssen wir offen reden, dass wir in Europa – man muss fast sagen: wieder einmal – am Scheideweg stehen, nämlich: Schaffen wir es, als Euro­päische Union zu bestehen, oder schaffen wir es nicht? Die Bewältigung der Flücht­lingsbewegungen ist aus meiner Sicht die Nagelprobe für das vereinte Europa, und auch wir, als vergleichsweise kleines Mitgliedsland, müssen uns die Frage stellen: Wollen wir es mit mehr Europa schaffen, oder wollen wir es mit weniger Europa schaffen?

Dabei habe ich in Österreich schon sehr oft das Gefühl, dass Außen- und Europapolitik sehr oft innenpolitisch diskutiert und betrieben wird, denn eigentlich müssten wir noch viel genauer die Fluchtursachen in den Blick nehmen und da echte Lösungen angehen.

Eines muss man da offen sagen: Das Dublin-System, das Dublin-Abkommen mit den sicheren Drittstaaten, hat legale Einreisemöglichkeiten, gerade nach Österreich, de facto abgeschafft. Wir haben uns vor dem Dublin-Abkommen nicht angeschaut, wie denn die Unterbringungsmöglichkeiten in den Zielländern aussehen, ob sie auch die finanziellen Mittel haben. Wir haben sie mit dieser Verantwortung aus meiner Sicht alleine gelassen. Das erzwingt illegale Fluchtbewegungen, weil sich verfolgte Men­schen einfach ihre Wege zu einem besseren Leben suchen, und das ist auch legitim


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