BundesratStenographisches Protokoll851. Sitzung / Seite 101

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so. Ich glaube, wir haben mit diesem Dublin-Abkommen das Schleppereiwesen ordent­lich angekurbelt, und irgendwann muss man auf europäischer Ebene auch sagen: Dieses Dublin-System ist gescheitert und hat versagt.

Zudem hat meiner Meinung nach die EU auch bei der Unterstützung der Flüchtlings­regionen vor Ort versagt. Im September 2014 hat das World Food Programme gewarnt, keine ausreichende lebenswichtige Unterstützung für knapp über sechs Mil­lionen Syrerinnen und Syrer mehr zu haben. Im Juli 2015 musste die Versorgung mit Lebensmitteln und Gutscheinen noch einmal drastisch reduziert werden. Syrische Flüchtlinge mussten sich mit 13 Dollar einen ganzen Monat lang vor Ort versorgen.

Juli 2015 ist auch der Zeitpunkt der großen Flüchtlingsbewegungen Richtung Deutsch­land, Österreich und Schweden. Wenn Flüchtlinge nicht mehr ausreichend zu essen bekommen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie sich auf den Weg machen, und da wird es egal sein, ob das auf der Balkanroute ist oder dieses Jahr wieder der Weg über Italien. Diese zentrale Frage der Unterstützung vor Ort müssen wir auch mitbedenken, wenn es um eine Zusammenarbeit mit der Türkei geht.

Die Türkei beherbergt über 1,8 Millionen Flüchtlinge, ist natürlich ein Player, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen und mit dem wir eine Einigung brauchen. Ich glaube aber auch, dass wir genau hinschauen müssen, unter welchen Bedingungen Flüchtlinge in der Türkei leben müssen.

Die Türkei hat 1951 die Genfer Flüchtlingskonvention mitunterschrieben, lässt sie aber im Großen und Ganzen nur für Flüchtlinge aus Europa gelten. Es gibt genügend Berichte darüber, dass über 500 000 Flüchtlinge in Istanbul leben und teilweise Hun­derte Euro zahlen, um überhaupt in irgendwelchen Kellerzimmern wohnen zu können.

Man muss mit der Türkei auch über die Situation der Menschenrechte sprechen, über den Umgang mit den Kurden.

Gerade vor diesem Hintergrund, dass wir uns eben nicht zu abhängig machen dürfen von der Türkei, ist es wichtig, die Situation im Libanon, in Jordanien, in den Nach­bar­staaten dringend zu verbessern, und dort die Flüchtlinge ordentlich zu versorgen. Es wird nicht ausreichen, die Verantwortung jetzt balkanabwärts zu schieben, und Griechenland in die Pflicht zu nehmen. Das ist aus meiner Sicht schon ein bisschen absurd, wenn man in einem Jahr mit der EU-Troika fast 40 Prozent der Staats­bediens­teten in Griechenland entlässt und dann von Griechenland verlangt, Hunderttausende Flüchtlinge aufzunehmen.

Ich glaube, man muss zur Kenntnis nehmen: Griechenland kann einfach nicht mehr. Man kann von Menschen auf Inseln, auf denen wenige Tausend Menschen von Land­wirt­schaft und Tourismus leben, nicht verlangen, dass Sie Hotspots mit mehreren Zehntausend Flüchtlingen akzeptieren. (Bundesrat Mayer: Wir haben 90 000!)

Das heißt, wir werden als gesamte Gemeinschaft wesentlich mehr Geld in die Hand nehmen müssen, um vor Ort zu unterstützen. Da wird es nicht gehen, zu sagen: Sie dürfen nicht heraufkommen, aber mehr Geld zahlen wir auch nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Hammerl.)

Ein zweiter wichtiger Bereich im vorliegenden Bericht sind die Entwicklungen rund um die Freihandelsabkommen. Die bisher sehr kritische Haltung der österreichischen Bundesregierung ist, glaube ich, mehr als berechtigt. Man muss ja als Mandatar aus meiner Sicht grundsätzlich schon sehr skeptisch sein, wenn diese Verhandlungen so geheim stattfinden. Als Zugeständnis hat man uns Lesesäle zugesichert. Man muss ganz offen sagen: Die formalen Vorschriften, wie man zu den Unterlagen kommt, sind schon alles andere als transparent – man kann keine Abschriften machen, es können keine MitarbeiterInnen in den Raum hinein, es gibt nur sehr eingeschränkte Öffnungs-


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