BundesratStenographisches Protokoll852. Sitzung / Seite 111

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Österreichweit haben wir die Zahlen schon gehört. Annähernd 6 000 Lehrstellen­suchen­den stehen 3 300 offene Lehrstellen gegenüber. Auch da haben annähernd 2 700 österreichische Lehrstellensuchende keine Chance auf eine Lehrstelle. Dem muss man gegenüberstellen – auch wenn es wehtut –, dass in den letzten Jahren die Zahl der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, um rund 18 Prozent zurückgegangen ist. Diese Entwicklung, geschätzte Damen und Herren, ist eigentlich eine wirklich beängsti­gende.

Der Herr Minister hat es in seiner Beantwortung bereits erwähnt. Er ist tief überzeugt von der Lehrlingsausbildung – das rührt vielleicht daher, dass er selbst einmal gelernt hat, so wie ich auch; ich habe auch eine Lehre hinter mir und bin den zweiten Bildungs­weg gegangen –, aber wir müssen dafür natürlich Maßnahmen ergreifen und die Betriebe, die möglicherweise Lehrlinge ausbilden können, wirklich unterstützen.

Das ist der Handlungsbedarf, den wir akut haben, weil – und das ist auch ein Faktum – es aus unserer Sicht so ausschaut, dass da in den letzten Jahren eine völlig falsche Prioritätensetzung bei der Lehrlingsförderung stattgefunden hat. Überbetriebliche Maßnahmen sind natürlich auch wichtig, aber sie können bestenfalls eine Begleitung sein – eine Begleitung einer Maßnahme oder einer Förderungsaktion, die in Wirklich­keit folgendermaßen heißen muss: Betriebliche Lehrstellen sind prioritär zu behandeln. Das heißt, dass wir dort ansetzen müssen.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass Egon Blum vor Kurzem in der Steiermark bei einer Pressekonferenz die Bedeutung des dualen Ausbildungssystems hervorgehoben und auch davor gewarnt hat – und da sehen wir uns auch wieder in unserer Behaup­tung, dass wir aufpassen müssen, bestätigt –, dass dieses duale Ausbildungssystem in die Bedeutungslosigkeit abrutscht. Es ist so – und das kritisieren auch wir –, dass die Politik zurzeit in der Facharbeiterausbildung keine wirklichen Akzente setzt.

Geschätzte Damen und Herren, wenn wir in Zukunft keine erfolgreiche Fachkräfte- und Lehrlingspolitik in Österreich haben – oder jetzt akut einrichten werden –, dann werden wir auch in Zukunft Österreich als Produktions- und Dienstleistungsstandort im inter­nationalen Vergleich deutlich schwächen. Das wird dann nicht mehr so schön sein, wie Frau Kollegin Zwazl es behauptet oder gesagt hat – Entschuldigung, es war keine Behauptung –, nämlich dass wir zurzeit bei der Ausbildung noch auf vielen Ebenen internationale Spitze sind. Ich sage nur Europameister und so weiter; da sind einige Leute auch aus der Steiermark gekommen. Wir hätten jedoch gerne, dass das auch wirklich so bleibt. Die Zeichen stehen nicht so gut dafür.

Das steht im Gegensatz zu dem, dass Österreich mit seinen Wirtschaftstreibenden und Wirtschaftsbetrieben junge Menschen durchaus optimal auf den Arbeitsmarkt vor­bereiten kann. Deswegen müssen wir meiner Ansicht und der Ansicht meiner Partei nach vor allem die KMUs unterstützen, um da weitere Akzente zu setzen und diesem Lehrstellenmangel und dieser Jugendarbeitslosigkeit ein wirksames Mittel entgegen­zusetzen.

Natürlich spielt da auch die Bildungspolitik eine Rolle. Das ist so, und das ist ein Faktum. Auch in der Steiermark kenne ich selbst sehr viele Kollegen – auch aus dem Lager der ÖVP –, die das nicht nur behauptet, sondern bewiesen haben, dass sie Aufnahmeprüfungen in den Betrieben machen, bei denen erschreckende Ergebnisse herauskommen. Nicht rechnen zu können – die Grundrechnungsarten –, keinen vernünftigen deutschen Satz schreiben zu können, nicht lesen und nicht schreiben zu können, das und andere eingeschränkte Kenntnisse sind dort wirklich an der Tages­ordnung. Davor können wir uns nicht verschließen; das heißt, wir müssen auch und insbesondere im Pflichtschulbereich ansetzen, um da sozusagen unsere Jugend fit für die Arbeitswelt zu machen.

 


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