BundesratStenographisches Protokoll852. Sitzung / Seite 133

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

zwei Jahre eine prunkvolle Landesgartenschau leisten können oder wenn wir uns seit 2012 Inserate für über 1 Million € im „Neuen Volksblatt“ leisten können, dann bin ich mir sicher, dass wir auch die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Oberösterreich schaffen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Und Sie sind offensichtlich auch gut informiert über den Unterausschuss des ober­öster­reichischen Landtages, und da müsste Ihnen auch zugetragen worden sein, dass alle ExpertInnen oder eher alle Experten – es waren ja nur Männer – durchaus recht­liche Bedenken zu diesem Vorschlag geäußert haben, nämlich vor allem auch zu dieser 355-€- und 155-€-Teilung. Die Juristen waren sich einig, dass sich das Kürzungsmodell auf rechtlich dünnem Eis bewegt, weil die Kürzung der Mindest­sicherung für einzelne Personengruppen dem Grundsatz der Gleichbehandlung widerspricht und auch dem Prinzip der Inländergleichbehandlungspflicht. Das heißt, es ist europa- und völkerrechtlich nicht haltbar. Das haben wir schon diskutiert. (Präsident Saller übernimmt wieder den Vorsitz.)

Auch wenn man das Argument des Vorliegens der Notsituation bemüht, wie Sie es gemacht haben, muss man aus Sicht der Experten sagen, dass das wahrscheinlich nicht haltbar ist, denn für die Notsituation wäre es notwendig, dass vom Europäischen Rat dieser notwendige „Massenzustrom“ – unter Anführungszeichen – mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden muss, damit das überhaupt möglich wird. Also das wird rechtlich nichts werden. Und auch sozialpolitisch ist das aus meiner Sicht Wahnsinn, anerkannte Flüchtlinge in Wahrheit in Armut und Kriminalität zu treiben.

Es muss mir schon einmal einer hier herinnen erklären, wie ein erwachsener Mensch von 520 € leben, sich eine Wohnung suchen und sich einen Monat lang versorgen soll. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Die Verantwortlichen in Oberösterreich wissen ganz genau, dass ein anerkannter Flüchtling aus der Grundversorgung herausfällt, dass er aus dem Quartier heraus muss und dass er auf sich alleine gestellt ist. Und die Verantwortlichen wissen auch ganz genau, dass man sich mit 520 € kein Leben leisten kann. Man nimmt offenbar bewusst in Kauf, dass Substandardwohnungen, Zimmer oder Abbruchhäuser überteu­ert vermietet werden. Offensichtlich wird in Kauf genommen, dass hier manche mit der Armut ihr Geschäft machen.

Aber neben der Situation in Oberösterreich sei noch einmal allgemein darauf hinge­wie­sen, dass wir auch anhand der Zahlen auf Bundesebene sehen, dass die Mindest­siche­rung keine soziale Hängematte ist. Im Jahr 2014 haben insgesamt 256 405 Per­sonen oder 152 839 Bedarfsgemeinschaften Mindestsicherung bezogen. Durchschnittlich wurden pro Bedarfsgemeinschaft – also Bedarfsgemeinschaft heißt eine Familie, die gemeinsam Mindestsicherung bezieht – 603 € ausgegeben. 64 Prozent der Bezie­herInnen hatten eine Bezugsdauer von sieben bis zwölf Monaten, weitere 20 Prozent maximal drei Monate. Diese Zahlen zeigen schon sehr deutlich, dass es mit diesem Modell der Mindestsicherung sehr gut gelingt, auf der einen Seite Armut zu verhindern, auf der anderen Seite die Menschen wieder rasch in Beschäftigung zu bringen.

Wir sollten uns, glaube ich, auch anschauen, wer denn diese Menschen sind, die auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung angewiesen sind. Eine Studie aus dem Jahr 2014 hat gezeigt, dass es vor allem Menschen mit niedrigem Bildungsniveau sind, die darauf angewiesen sind. 2012 hatten 81 Prozent der MindestsicherungsbezieherInnen keinen Bildungsabschluss oder nur den Pflichtschulabschluss. 18 Prozent der BezieherInnen hatten sogenannte Hilfsberufe. Das heißt, es sind die Menschen mit den schlechtesten Arbeitsmarkt- und Einkommenschancen, die Mindestsicherung beziehen. Und der Ansatz zur Verbesserung dieser Situation kann mit Sicherheit nicht sein, den Betrof­fenen auch noch die Leistungen zu kürzen.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite