BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 121

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Die Kommissionssprecherin hat dann im Juli oder August festgestellt: Es ist definitiv nicht die Zeit, um gegeneinander vor Gericht zu gehen! – Damit hat sie vielleicht nicht unrecht gehabt. Der Nachsatz war aber, die EU-Kommission werde am Ende des Jahres einen Vorschlag für eine gerechte Verteilung im EU-Rat diskutieren. Man hat also die Verteilung der Flüchtlinge komplett vernachlässigt und bis heute noch keine Lösung gefunden. Das ist eigentlich der Schwachpunkt, den die EU heute noch hat.

In letzter Zeit ist innerhalb der EU darüber diskutiert worden, dass es für jeden Flücht­ling beziehungsweise für jede Person, die von einem einzelnen Land nicht aufge­nommen wird, 250 000 € Strafe geben soll. Das kann ich mir leider Gottes auch nicht vorstellen, weil das im Grunde einfach lachhaft ist.

Jetzt kommt das eigentlich auf uns zu, und da wird uns dieses Gesetz helfen. Heute und in den letzten Tagen sieht man in den Medien, dass Erdoğan in der Türkei mit seinen Aussagen im Grunde genommen ankündigt, dass er diesen Pakt zum Anti-Terrorgesetz, den man abgeschlossen hat, nicht erfüllen will. Dann wird es auch keine Visafreiheit für die Türken geben. Wenn er seine Ankündigungen wahr macht, dann werden viele, viele Menschen vor der Tür stehen. Genau zu diesem Zeitpunkt brauchen wir dann dieses Gesetz.

Ich habe mir noch etwas aus einer großen auflagenstarken Zeitung herausgenommen: Deutschlands Kanzlerin Merkel hat auf die Frage, was denn geschehe, wenn eine größere Zahl von Flüchtlingen über Italien kommen würde, geantwortet: „Dann macht Österreich den Brenner dicht.“ So leicht wird es wahrscheinlich nicht gehen, aber wenn wir das Gesetz nicht haben, das wir heute schlussendlich im Bundesrat beschließen, dann wird es überhaupt nicht funktionieren.

Etwas sollte man sich vielleicht auch noch vor Augen halten: Eine Person, die aus einem sicheren EU-Land – gemeint ist jetzt zum Beispiel Griechenland, obwohl das nicht mehr der Fall ist – unbedingt in ein Nicht-EU-Land will – gemeint ist in dem Fall Mazedonien, dort ist es nicht mehr möglich, aber das war so –, und von dort nach Durchquerung weiterer sicherer Staaten nach Österreich will, hat streng genommen eigentlich das Recht verwirkt, in Österreich noch als Verfolgter betrachtet zu werden.

Ich sehe die menschliche Komponente in der Argumentation von jenen, die gegen das heute zu beschließende Gesetz sind. Das ist keine Frage, aber es gibt keine stichhaltigen Argumente, wie wir das lösen können. Meine Damen und Herren hier im Bundesrat! Das Argument, dass allen Menschen geholfen werden müsste, ist hinfällig, weil es bisher schon nicht geschehen ist.

Denken Sie beispielsweise einmal an die brutalst vergewaltigten jesidischen Frauen, die wohl zu den schutzwürdigsten Menschen zählen! Sie sitzen nach ihrer Flucht aus den Händen der IS-Barbaren nach wie vor in Lagern im Nordirak fest und erhalten dort meines Wissens keine der so dringend benötigten Traumatherapien.

Das heißt: Die heute zu beschließende Notstandsregelung ist ein wichtiges Instrumen­tarium, um im Notfall die Handlungsfähigkeit zu bewahren und rasch reagieren zu können. Daher ist sie zu begrüßen, denn die primäre Aufgabe der Regierenden des Landes ist der Schutz der ihr anvertrauten Bevölkerung.

Natürlich wird man im Rahmen der Möglichkeiten versuchen, zu helfen. Österreich hat, wie die Geschichte zeigt, immer geholfen. Allerdings ist es einfach etwas anderes, ob man Menschen aus den unmittelbaren Nachbarländern hilft oder Menschen, die meh­rere sichere Länder durchquert haben und sich das Land ihrer Wahl aussuchen möchten.

Trotzdem hat Österreich im letzten Jahr – wir haben es gehört – 90 000 Personen aufgenommen. Wir liegen im Ranking an der dritten Stelle. Aber so etwas, das wissen wir aus der Bevölkerung, wird nicht mehr möglich sein und ist auch nicht wiederholbar.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite