BundesratStenographisches Protokoll854. Sitzung / Seite 68

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Das fällt mittlerweile natürlich auch anderen auf. Ich las vor Kurzem einen Artikel zur Industrie 4.0, in dem stand:

Was im Rückblick auf das 21. Jahrhundert wahrscheinlich am meisten überraschen wird, ist, wie lange sich die Organisationsformen der Gesellschaft trotz neuer Informa­tionstechnologien und so weiter nicht wesentlich verändert haben. Ja, es werden sogar immer mehr von jenen Instrumenten angewendet, „die seltsam aus der Zeit gefallen erscheinen“: Zielvorgaben, langfristige Pläne, hierarchische Strukturen, Berichtswesen, aus einer Zeit stammend, in der „die Umweltdynamiken einfach schienen und Verände­rungen nur schleppend erfolgten“.

Wir haben aber keine trivialen, planbaren, beherrschbaren und leicht durchschaubaren Systeme, sondern unvorhersehbare und nur beschränkt gestaltbare, um es in aller Be­scheidenheit zu sagen.

Es gibt mittlerweile hier schon Ansätze, solche Dinge organisatorisch anders zu sehen. Ich erwähne nur die Holakratie, zu der Brian Robertson und Tom Thomison ein interna­tional sehr beachtenswertes Buch geschrieben haben. Nach diesen Ansätzen wer-
den inzwischen teilweise auch schon Firmen strukturiert. Dort gibt es zaghafte Verän­derungsversuche, aber in der politischen Diskussion fehlen solche Ansätze praktisch völlig.

Ich meine nicht, dass jetzt die große Revolution auszurufen ist oder gestartet werden soll, eine monumentale Grundsatzplanung begonnen werden soll, nein, das meine ich nicht. aber ich bin der Überzeugung, dass die Autorität, die jetzt auf ihren und beson­ders auf den Schultern des Kanzlers und Vizekanzlers lastet, verteilt werden soll, durch delegierte Autorität ersetzt werden muss.

Unsere hierarchische Organisation und unsere konsensorientierte Gemeinschaft haben viel erreicht, aber sie haben auch sehr schwerfällige bürokratische Prozesse kreiert – Prozesse, die die Menschen fesseln, demotivieren und frustrieren. Was wir brauchen, ist aber eine gegenwartsbezogene Handlungsfähigkeit.

Lassen Sie mich ganz kurz an einem praktischen Beispiel etwas näher erläutern, was ich meine. Das Beispiel ist der Finanzausgleich: in Verzweiflung immer wieder fortge­schrieben und verlängert, inzwischen mit 50 000 Transferzahlungen, die alle verwaltet, kontrolliert, evaluiert, berichtet und so weiter werden müssen. Ich habe mir vor Kurzem den Rechnungshofbericht zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel angesehen. Daraus geht hervor, dass praktisch kein Land das korrekt umgesetzt hat, nicht deshalb, weil man in den entsprechenden Etagen unwillig oder blöd ist, sondern deswegen, weil er schlicht und einfach zu kompliziert ist.

Wir wissen, dass wir da über 4 Milliarden € an Verwaltungskosten liegen lassen, wir wis­sen auch, dass wir eines der teuersten Schulsysteme mit eher bescheidenem Output haben, dass der Frust bei allen Beteiligten groß ist. Das Gleiche gilt auch für das Ge­sundheitssystem und so weiter.

Werte Regierung! Ich glaube, dass Sie daran gemessen werden, ob Sie da substan­ziell etwas verändern können. Und das kann meiner Meinung nach nur so gehen, dass Verantwortung und Autorität an die Front transferiert werden. Frau Dr. Hammerschmid, Sie haben mir, was die Schule betrifft, aus der Seele gesprochen. Das heißt, dass es echte Subsidiarität gibt. Das heißt aber auch, dass wir von einer Kultur des Misstrau­ens unter Kontrolle, durch Selbstregulierung, in eigenverantwortlichen kleineren Einhei­ten, durch Transparenz, zu einer Kultur des Vertrauens finden müssen. Das heißt, es muss wenige klare Regeln und Zielvorgaben geben, allerdings eine gute Kommunika­tion, um immer wieder voneinander zu lernen. Dinge wie das Amtsgeheimnis gehören meiner Meinung nach über Bord geworfen; aber das nur so nebenbei.

 


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