BundesratStenographisches Protokoll858. Sitzung / Seite 22

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Aber im Kern müssen wir uns natürlich fragen, wie es mit Europa weitergeht, denn diese europäische Debatte ist für uns schon eine Überlebensfrage. Über 69 Prozent unseres Außenhandels werden mit EU-Partnern abgewickelt, wir sind massiv davon abhängig, wie sich Europa weiterentwickelt.

Es gibt ja noch manche, die unbeirrt dieser mysteriösen unsichtbaren Hand des Mark­tes vertrauen, die alles regelt, nur hat diese unsichtbare Hand des Marktes in den letzten 100 Jahren ein paar Mal ganz ordentlich in den Gatsch gegriffen, und das, was jetzt manche zu einer ideologischen Debatte hochstilisieren wollen, ist, glaube ich, eine rein pragmatische Debatte. Nämlich: Warum funktioniert diese Wirtschaftspolitik in Europa nicht? Warum stagnieren Wirtschaftswachstum und Konsumnachfrage? Warum sinkt die Arbeitslosigkeit nicht deutlicher? Warum hängen uns die USA und Japan teilweise ganz massiv beim Wirtschaftswachstum ab, und warum riskieren sie ein höheres Schuldenniveau? – Weil sie und mittlerweile sogar der IWF allesamt wissen, dass sinnvolle staatliche Investitionen in Ergänzung auch zu privaten Inves­titionen ein wirtschaftlicher Turbo sein können. Es kommt eben darauf an, wofür man investiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Beispiele hat unser Bundeskanzler schon mehrfach gebracht: Google, Apple. Ich glaube, auch wir als VertreterInnen der Bundesländer können ganz offen sagen, wenn wir an die vielen Staatsförderungen für Betriebe in unseren Wirtschaftsressorts in den Bundesländern denken oder etwa daran, dass in Oberösterreich ein Skigebiet von vier Gemeinden übernommen wird und das Land den Verlust abdeckt: Ganz ohne staatliche Investitionen kommen wir jetzt schon nicht aus. Da können wir, glaube ich, ehrlich mit uns selbst umgehen.

In Europa haben wir uns in Wirklichkeit mit Fiskalpakt und Schuldenbremsen auf ein gefährliches, niedriges Investitionsniveau heruntergebremst, und es gäbe genug Felder, in die wir ordentlich investieren sollten: in die europäische Infrastruktur, in Ver­kehrsnetze, in Energie- und digitale Netze, in Bildung und Ausbildung. Mit dem Ausbau der Ganztagsschulen machen wir in Österreich aus meiner Sicht einen enormen Schritt. Das ist ein Bildungsturbo, aber auch ein Konjunkturturbo.

Ein weiteres Feld – gerade haben wir im Europäischen Parlament den Weltklima­vertrag ratifiziert – ist auch die Umwelt- und Energietechnik. Da zeigen erfolgreiche Förderprogramme das, was in Österreich möglich ist, und da ginge wahrscheinlich noch viel, viel mehr. Also es gibt genügend Felder, die wir gemeinsam mit der Euro­päischen Union anpacken können.

Aber auf einen ganz bestimmten Wettbewerb möchte ich am Schluss meiner Aus­führungen noch eingehen, auf den wir in Europa, glaube ich, dankend verzichten können: Das ist der Wettbewerb um die niedrigsten Steuern, Sozialstandards und Lohnkosten, denn neben den fehlenden öffentlichen Investitionen ist, glaube ich, die Steuerleistung vieler multinationaler Konzerne auch ein Riesenproblem für die Wirtschaft und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Die Großkonzerne und Multis sollen ihre Steuern dort zahlen, wo sie auch ihre Geschäfte machen, denn durch legale und illegale Steuervermeidungen entgehen den EU-Mitgliedstaaten knapp 1 000 Milliarden € jährlich. Wenn man sich anschaut, dass das gesamte Defizit aller EU-Mitgliedstaaten knapp über 400 Milliarden € beträgt, dann, glaube ich, wird jedem klar, dass dieses Geld aus der Steuervermeidung eigent­lich dringend für strategische Investitionen notwendig wäre.

An Kollegen Jenewein möchte ich noch folgende Worte richten: Ich glaube, das Problem sind nicht die Schlauchboote, mit denen sich die Flüchtlinge über das Mittel­meer retten, sondern das Problem sind aus meiner Sicht die Luxusjachten zu den Offshore-Inseln. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Und wenn wir wirklich gleiche Wettbe-


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