BundesratStenographisches Protokoll858. Sitzung / Seite 30

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die Notwendigkeit, dass man sich im rechtzeitigen Moment aufregen kann, ohne dass eigentlich klar ist, worüber man sich aufregt. Entschuldigen Sie diese Bemerkung, aber ich habe mein persönliches Erlebnis dazu:

Ich saß gestern mit dem Kommissionspräsidenten zusammen, und wir gingen Punkt für Punkt die Texte durch. Ich erklärte ihm, was unsere Probleme sind, wo wir uns verbessern müssen, wo wir Entwicklungen wollen. Und es gibt diesen Verhandlungs­prozess mit Kanada. Es gibt keinen finalen Text, der veröffentlicht worden ist, und bevor man noch irgendetwas abgewartet hat, tritt man auf und sagt: Das ist alles Mist, da sind wir dagegen! Da ist man umgefallen! – Ehrlich gesagt: Politik nach dem Prinzip: Ich weiß zwar nicht, worum es geht, aber ich bin auf jeden Fall dagegen!, das dürfen Sie von mir nicht erwarten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

Bei aller Wertschätzung und bei allen Gemeinsamkeiten, natürlich verstehe ich Ihre Anregungen und Anmerkungen und natürlich gibt es Probleme in dem Kontext, aber die Verantwortung zu übernehmen heißt, das Bestmögliche aus der Situation zu machen. Und ich kann Ihnen sagen: Das ist kein Kinderfasching, denn da geht es um globale Interessen. Ich habe jetzt (in Richtung Bundesrätin Schreyer) nicht Sie per­sönlich gemeint, entschuldigen Sie! Bei dem ganzen Vorgang, bei dem es einen Riesendruck von den Kanadiern bis zur EU-Kommission, von den anderen EU-Ländern gibt, weil wir uns auch gut überlegen müssen, wie denn das eigentlich ist, wenn Österreich gegen alle Entscheidungsprinzipien der EU am Ende allen anderen 27 Län­dern ausrichtet: Eure Meinung interessiert uns nicht! – das ist das Problem, das wir haben –, müssen wir das Beste daraus machen.

Auf dem Weg, den wir gegangen sind, sind wir ein schönes Stück weit gekommen. Ich weiß noch genau, es war mein erster Europäischer Rat in Brüssel, als vorgeschlagen worden ist, dass die EU-Kommission das macht, dass das durchgewinkt wird, es keine parlamentarische Behandlung dieser Abkommen geben wird. Ich habe damals gesagt: Nein, das ist falsch, das wollen wir nicht! Dann ist der Kommissionspräsident rausge­gangen und hat erklärt, das sei österreichischer Klamauk, das könnten wir vergessen, das würden sie alles ignorieren. – Mittlerweile ist der österreichische Klamauk, dank dieses Widerstands, Realität geworden. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Auch die Mitgliederbefragung der SPÖ hat einen großen Beitrag dazu geleistet, weil zu dem Zeitpunkt alle verstanden haben, dass das unser absoluter Ernst ist, dass wir es ernst meinen mit den Kritikpunkten und dass wir Verbesserungen wollen. Wir werden nicht akzeptieren – wie Sie (in Richtung Bundesrat Stögmüller) gesagt haben –, dass es irgendwie ein Vorwort zu einem Vertrag gibt. Am Ende muss es rechtlich bindende Vereinbarungen geben, die im EU-Amtsblatt veröffentlicht und gemeinsam mit dem Vertrag unterzeichnet werden müssen. Das ist für mich eine rote Linie, das ist so umzugestalten und so zu machen.

Zu der ganzen Konstellation muss man ganz klar sagen: Als kleines Land in der EU wird man nur gehört, wenn man sich auf die Hinterfüße stellt und ganz klar sagt, was seine Interessen, was seine Standpunkte sind. Dann kann man diese Dinge auch ein schönes Stück weitertreiben. Mein Plädoyer ist: Schauen wir uns einmal an, wo wir gestartet und wie weit wir gekommen sind, und überlegen wir uns, ob uns das ausreicht! Wir werden daher alle miteinander gut daran tun, die Texte sorgfältig zu studieren. Ich weiß, das ist mühsam, das sind viele Hundert Seiten zu lesen, aber glau­ben Sie mir, es lohnt sich.

Das, was wir heute erleben, ist: Wir haben einen gewissen Reflex zu sagen: Nein, wir wollen das alles nicht!, aber – unter uns gesagt – auch bei denen, die sagen, das ist alles großartig, bin ich mir nicht sicher, wie tief sie sich auf die Sache eingelassen


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