BundesratStenographisches Protokoll858. Sitzung / Seite 39

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

11.11.55

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Geschätzte Volksanwälte! Frau Volksanwältin! Wertes Präsidium! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich habe ein wenig das Gefühl, dass bei diesem Tagesordnungspunkt die Aufmerksamkeit hier im Saal enorm gesunken ist. Ich führe das darauf zurück, dass der Herr Bundeskanzler und die Kameraleute den Saal verlassen haben.

Ich denke aber, dass wir der Volksanwaltschaft genau diese Aufmerksamkeit zukom­men lassen sollten; und zwar nicht nur weil ihre Stellung sehr relevant und ihre Arbeit sehr wichtig ist, sondern weil wir auch darüber reden müssen, wie notwendig eine unabhängige Beurteilung seitens der Volksanwaltschaft für unser politisches Tun ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich schließe mich jedenfalls dem wertschätzenden Dank meiner Vorredner und Vor­rednerinnen an und möchte betonen, dass die Kontrollfähigkeit genauso wichtig ist wie die Vorschläge präventiver Natur. Sehr wichtig für mich ist aber auch die Rolle der Volksanwaltschaft, wenn es darum geht, Mängel, Lücken beim Schutz der Grund- und Menschenrechte aufzuzeigen.

Aktuell ist für mich – und das nicht nur vor, sondern auch nach dem Sommer – der Sonderbericht der Volksanwaltschaft zu einem Prüfverfahren im Anhaltezentrum Vordernberg, wo Schubhäftlinge in vielen Bereichen von privatem Sicherheitspersonal betreut werden.

In aller Kürze: Wir haben die Zustände dort bereits vor dem Bericht kritisiert, und die Volksanwaltschaft kommt mehr oder weniger auf dieselben Missstände, die es zu kritisieren gilt. Ich hoffe deshalb sehr, dass dieser Bericht auch dazu beitragen wird, dass in Zukunft diese Verträge tatsächlich aufgelöst werden.

Aktuell und wichtig ist auch die internationale Rolle der Volksanwaltschaft. In zwei Wochen erscheint nämlich ein Bericht zur Lage in Polen. Das finde ich politisch wie persönlich sehr spannend. Wir wissen nämlich jetzt schon, dass die rechtsautoritäre Regierung in Polen nicht nur die Arbeit des Verfassungsgerichtshofes de facto verun­möglicht hat, zumindest die objektiv-neutrale Beurteilung der Vorgänge, sondern dass die verfassungsrechtlichen Entwicklungen enorme Auswirkungen auf die Om­buds­einrichtung der Volksanwaltschaft in Polen haben.

Das heißt, die Einrichtung des polnischen Ombudsmannes war in jüngster Zeit nicht nur mit Budgetkürzungen, sondern auch mit Mandatseinschränkungen konfrontiert; und ich glaube, ich muss Ihnen allen nicht erklären, wie wesentlich da natürlich das Agieren der polnischen Partei Recht und Gerechtigkeit war.

Daraus können wir in Österreich jedenfalls Folgendes lernen: Die Unabhängigkeit der Volksanwaltschaft ist wichtig, richtig und auch zu forcieren. Deshalb bin ich sehr froh, dass es hier Offenheit gegenüber der Diskussion gibt, wie in Zukunft die Volksanwalt­schaft bestellt werden soll. Wir wissen, dass es derzeit einen parteipolitischen Proporz gibt, der genau diese Unabhängigkeit untergräbt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Da muss es aus unserer Sicht – das wird Ihnen wahrscheinlich auch bekannt sein – vor allem Transparenz geben. Der Bestellmodus darf eben nicht auf diesem Proporz beruhen, weil nämlich die Erfolgsgeschichte der Volksanwaltschaft in Österreich nicht für parteipolitische Ansichten und Beurteilungen instrumentalisiert werden darf. In diesem Fall sollten wir uns kein Beispiel an Polen nehmen.

Ich rege nochmals an, dass diese Diskussion, was die Bestellung anbelangt, tat­säch­lich auch in Zukunft geführt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

11.16

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite