BundesratStenographisches Protokoll858. Sitzung / Seite 69

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Wie schon angedeutet, meine Damen und Herren, gilt aber auch in Kunst und Kultur der Satz von Goethes „Faust“: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.“ Es bedarf also der Pflege des Erbes in Bezugsetzung zur Gegenwart. Die Aneignung des Erbes bedeutet, dass aus der Tradition heraus in Verbindung mit ihr Neues geschaffen werden muss.

Sie schreiben zu Recht, Herr Minister: „Ebenso wichtig ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich Neues entwickeln kann: 2015 wurden die Grundlagen für ein eigenes Förderungsprogramm für den Neuen Zirkus geschaffen, eine Kunstform, die verschiedene Formen der darstellenden oder auch der bildenden Kunst mit Zirkus-elementen verbindet und – im internationalen Vergleich – in Österreich derzeit noch unterrepräsentiert ist.“

Es gilt also – meine Damen und Herren, das ist ganz wichtig – in der Kunst auch Mut für das Neue zu zeigen und in dieses Neue zu investieren, dafür auch Gelder, die in Österreich vielleicht zu stark auf die traditionellen Formen und Häuser konzentriert sind, umzuschichten. Gerade an der Förderung des Neuen Zirkus zeigt sich, dass das einseitig geprägte Bild einer Hochkultur, das stark durch Eliten geprägt ist, erweitert werden muss.

Herr Minister, Sie fordern am Ende des Vorworts: „Nützen Sie diesen Bericht als Handbuch künstlerischer Möglichkeiten und verstehen Sie ihn als Einladung, sich noch intensiver mit Kunst und Kultur auseinanderzusetzen.“

Meine Damen und Herren! Wenn Sie den Bericht ein wenig durchlesen, so sehen Sie, dass als Schwerpunkte fast alle Museen in Wien beschrieben sind. Sie schlagen auf und sehen: wann, was, wie, wo. Im Bereich der Museen ist alles Wissenswerte ent­halten. Die Auseinandersetzung, sei es in Form der ausführenden oder der dar­stellenden Kunst, sei es in Form von Musik und Literatur, bedeutet ja auch ein Element unserer Lebensbewältigung – und das, meine Damen und Herren, ist heute mehr denn je notwendig.

Ich möchte nur zwei Gründe dafür kurz betrachten. Der erste Punkt ist: Wir leben heute in einer Zeit des schnellen Wandels, in der es leicht zum Orientierungsverlust kommen kann. Uns geht es oft wie dem bekannten Münchner Komiker Karl Valentin, der einmal durch München ging und die ihm begegnenden Menschen gefragt hat: Entschuldigen Sie, wissen Sie, wohin ich will?

Der Mensch braucht gerade im schnellen Wandel Anhaltspunkte, und zu diesen gehören auch die Kunst und die Kultur. Die Besucherzahlen der Albertina, die um 8 Prozent gestiegen sind, fast 700 000 Besucher 2014, sind ein Zeichen solcher Suche nach Verankerungen. Das Kunsthistorische Museum hatte 2015 1,2 Millionen Be­sucher, das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig – kein Mensch hätte das gedacht – hat mit fast 300 000 Besuchern sein besucherstärkstes Jahr verzeichnet. Meine Damen und Herren, es wird also Orientierung gesucht.

Nun zum zweiten und letzten Punkt, das ist ein ganz wichtiger Punkt: 2015 war von starken Migrationsbewegungen geprägt, die gerade auch unser Land forderten. Die Angst vor diesen Entwicklungen ist nicht zuletzt deswegen so stark, weil wir mit neuen Kulturen konfrontiert sind, deren Grundlagen uns zum Teil fremd, aber auch von manchen Migranten in einer Entschiedenheit vorgetragen worden sind und werden, die natürlich auch für uns herausfordernd ist. Dies lässt zum Teil unsere eigene Kulturver­gessenheit erkennen. Wir merken, dass wir oft die Grundlagen unserer eigenen Kultur schlecht oder gar nicht kennen. Diese Unkenntnis wird besonders dann sichtbar, wenn wir nach der Basis von gemeinsamen Grundwerten suchen müssen, die ein Zusam­menleben mit Menschen aus anderen Kulturen erst ermöglichen.

 


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