BundesratStenographisches Protokoll858. Sitzung / Seite 77

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kann ich auch leben (Zwischenrufe der Bundesräte Tiefnig und Köck); vom Bun­desminister spreche ich jetzt einmal nicht. (Ruf bei der ÖVP: Hast du überhaupt welche?) – Na ja, ein paar habe ich noch.

Gehen wir gleich in medias res, sonst ist die Stimmung gleich weg (Ruf bei der ÖVP: Ist sie eh schon!), aber ich bemühe mich. (Bundesrätin Zwazl: Bitte!) Dass wir heute über einige Dinge sprechen, halte ich deshalb für notwendig, weil sich gerade in den vergangenen Stunden einige Ereignisse überschlagen haben, auf die ich dann im weiteren Verlauf meiner Rede noch zu sprechen kommen werde.

Im Prinzip könnte man diese Dringliche Anfrage natürlich an den Bundesminister für Inneres stellen – das ist schon ganz klar. In dem Fall haben wir sie aber ganz bewusst an den Außenminister gestellt, weil die Frage der Rückführungen – und diese wird sich in den nächsten Jahren noch deutlich intensivieren – nämlich Angelegenheit des Außenministeriums ist.

Ich möchte ganz kurz replizieren: Dass die Notwendigkeit besteht, eine Änderung der Merkel-Faymann-Politik des vergangenen Jahres herbeizuführen, die dazu geführt hat, dass letztes Jahr rund 89 000 Asylanträge in Österreich gestellt wurden, diese Einsicht hat mittlerweile auch in der Bundesregierung Platz gegriffen. Man hat auch in der Bundesregierung erkannt, dass man so nicht weitermachen kann. Es wurde auch mehrfach von mehreren Regierungsmitgliedern – sowohl von der SPÖ als auch von der ÖVP – gesagt, dass wir ein Jahr wie 2015 in dieser Form kein zweites Mal ab­wickeln können. Das ist gut, und das ist richtig.

Auch Ihre Haltung, Herr Bundesminister, hinsichtlich Ungarn in der vergangenen Woche zeigt, dass es ein Umdenken gegeben hat. Ich darf nur ganz kurz daran erinnern, wie noch vor einem Jahr – vonseiten einer Regierungspartei – die Stimmung gegenüber Ungarn war und welche Aussagen in Richtung Ungarn gemacht wurden und wie teilweise auch das diplomatische Klima vergiftet wurde. Umso mehr freut es mich, dass es da jetzt eine Kehrtwendung um 180 Grad gegeben hat.

Nichtsdestotrotz haben Sie noch am 12. November 2014 in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“ gesagt: „Wir haben zu wenig Willkommenskultur“ in diesem Land. – Dass wir zu wenig Willkommenskultur in diesem Land hätten, kann man, glaube ich, heute nicht mehr behaupten. Wir haben letztes Jahr diese große Migran­ten­wanderung nach Österreich erlebt; von September 2015 bis Juni 2016 gab es rund 803 000 Einreisen von Menschen, die auf der Durchreise durch Österreich waren, auch auf der sogenannten Balkanroute.

Sie haben diese Balkanroute, so wird behauptet, geschlossen. Gestern im UNIQUE talk, bei welchem Herr Bundesminister Doskozil, der Chef von Amnesty International Österreich, Herr Patzelt, und Herr Wehrschütz vom ORF zu Gast waren, wurde von allen dreien unisono festgestellt: Das ist eine Mär, die Balkanroute ist nicht ge­schlossen. Laut Bundesminister Doskozil kommen pro Woche 700 Personen über die Balkanroute. Natürlich ist das deutlich weniger als in den Spitzenzeiten des letzten Jahres – vor allem August, September, Oktober und November –, aber nichtsdesto­trotz, wenn wir das auf 52 Wochen hochrechnen, haben wir alleine über die Balkan­route jetzt schon jene Anzahl von Personen – sollten diese theoretisch alle hier den Antrag stellen –, um die Notverordnung schlagend werden zu lassen.

Wir haben ein weiteres Problem, nämlich das Problem der Brennergrenze. In den vergangenen Tagen und Wochen konnte man verstärkt lesen und hören, dass es wieder zu massiven Wanderbewegungen über das Mittelmeer kommt und dabei sehr viele Menschen ertrinken. Gott sei Dank konnten auch sehr viele Menschen gerettet werden, das sage ich hier explizit dazu, denn kein Mensch wünscht sich, dass so etwas passiert; nur: Die Antwort der Europäischen Union ist auch zu hinterfragen, denn


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