BundesratStenographisches Protokoll859. Sitzung / Seite 55

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zunächst einmal für die sehr sachliche Rede von Frau Kollegin Reiter. Richtig ist, wir bewegen uns permanent in einer Auseinandersetzung, in einer politischen Auseinan­der­setzung, in der oftmals durchaus faktenfrei aber ideologische Egoismen über das große Ganze gestellt werden.

Ich möchte aber nicht das Thema verfehlen, natürlich schwebt über der Glaubwür­digkeit der EU, schwebt über der Glaubwürdigkeit der Mitgliedstaaten und Regionen auch das Thema CETA, das aber zweifelsfrei nicht das Hauptthema einer Debatte über die Zukunft der EU sein soll. Ich möchte Ihnen bei allem Respekt, Herr Vizepräsident Lambertz, mitgeben: Ich bin mir nicht sicher, ob es ein Akt der Demokratie ist, wenn eine Region mit 3,6 Millionen Einwohnern einen gesamten Markt oder die gesamte EU mit 500 Millionen Einwohnern, ich würde jetzt nicht sagen, in Geiselhaft nimmt, aber … (Bundesrat Dörfler: Oft ist der Zwerg gescheiter als der Riese!) – Ich bin mir nicht sicher, ob das demokratisch ist oder eher unverantwortlichem Egoismus, den es bei vielen gibt, zuzuschreiben ist. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) – Herr Kollege Stögmüller, wenn du dich da jetzt echauffierst, dann können wir die Debatte natürlich auch emotional führen. Ich glaube jedoch, dass das nicht gut ist, denn es wäre einmal ganz geschickt, wenn man sich mit den Fakten auseinandersetzt und nicht immer nur diese nahezu intelligenzfreien ideologischen Sprechblasen durch die Gegend pustet.

Wichtig wäre es, abseits von diesen Dingen natürlich die Europäische Union – auch auf Basis der Regionen, Herr Vizepräsident – neu zu denken. Das ist gar keine De­batte. Wir müssen sie neu denken, denn, ich sage es auch persönlich, der von Ihnen – als Wissendem, als Sachverständigem – erstellte Befund der Europäischen Union hat mich gleichermaßen ein bisschen erschreckt wie auch bestätigt in dem, was wir hier zumeist nur durch medialen Transport wahrnehmen. Die Frage ist: Wie finden wir hinaus, hinaus aus dieser Situation, deren Sinnbild wir ja auch im Gesellschaftlichen haben, wo sehr oft Einzelinteressen, Partikularinteressen, Lobbyismus über das Wohl der Allgemeinheit und das große Ganze, wie auch Frau Kollegin Reiter es richtig gesagt hat, gestellt werden?

Wir leben in einer Gesellschaft, die sehr stark von diesen Einzelinteressen geprägt ist. Das ist in den kleinsten Einheiten so, bis hin zu Bürgerinitiativen, womit man oft zu zehnt das, was tausend Menschen brauchen, verhindert – ganz wertfrei, egal, was die Gründe sind. Und wir erleben es eben auch in einem größeren Kontext. Wir erleben eine politische Debatte, in der die äußeren, ideologisch stark besetzten Ränder lauter werden und in der im Wust, im Staub der ideologischen Diskussionen der Blick aufs Große und Ganze verloren geht. Und wir erleben das eben auch in der Europäischen Union als einer supranationalen Organisation – zumindest war das der Wunsch der Gründer: eine supranationale und keine internationale Organisation –, die zurzeit in Partikularinteressen zerfällt, wobei 28 Staaten kaum noch je das gleiche Lied singen, kaum noch Europa, die Europäische Union als Großes und Ganzes wahrnehmen. (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Es wird unsere Aufgabe und es wird Aufgabe von europäischen Führungsmächten, aber auch von allen anderen gemeinsam sein, allenfalls auch das Regelwerk neu aufzusetzen. Wir werden – und das gilt in gleicher Weise für Österreich mit seinen Bundesländern und mit den einzelnen Regionen, wie es für die Europäische Union gilt – die Kompetenzen meiner Meinung nach neu regeln müssen, und wir werden sie klar regeln müssen. Es wird immer Themen geben, die auf Ebene einer Region, in der kleinen Einheit deutlich besser zu regeln sind, da die Unterschiede zwischen Nord und Süd und West und Ost zu groß sind, aber es wird auch Grundspielregeln geben, Statuten geben, die man anhand unserer Werte, die Sie ja auch richtig angesprochen haben, über die gesamte Europäische Union ziehen kann.

 


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