BundesratStenographisches Protokoll859. Sitzung / Seite 60

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Das ist auch so eine Vorgehensweise: Das ist ja eigentlich im Geheimen verhandelt worden, abseits der Öffentlichkeit. Daher ist die Kritik auch an den Staatschefs natür­lich durchaus berechtigt, die ja alle dem Mandat der Europäischen Kommission zuge­stimmt haben, aber als sie gesehen haben, dass es Menschen gibt, die sich dagegen zu wehren beginnen, haben sie die Reißleine gezogen und sind kräftig zurückgerudert. Diese Kritik, Herr Vizepräsident, die Sie heute geäußert haben, ist natürlich völlig berechtigt. Die Staatschefs fahren allzu gern nach Brüssel, und wenn es positiv ist, sagen sie, das war meine Initiative, wenn es negativ ist, ist Brüssel daran schuld. Das ist natürlich auch eine unredliche Vorgehensweise, würde ich meinen. Aber bei CETA und besonders bei TTIP hat niemand gewusst, worum es eigentlich geht.

Dann mussten nach und nach Informationen herausgegeben werden, und die Men­schen haben festgestellt, es geht eben nicht nur allein um Handelshemmnisse, son­dern es ist schon eine Sorge da, dass Umweltstandards, Sozialstandards, Nahrungs­mittelstandards, Nahrungsmittelsicherheit in Gefahr sein könnten. Und was hat man gemacht? Statt das ordentlich zu kommunizieren, hat man das Motto „Fürchtet euch nicht!“ ausgegeben. Man ignoriert nach wie vor völlig, dass die Regionen, über die wir ja heute sprechen, in einer nicht so kleinen Zahl dagegen sind. EU-weit sind es 2 000 Kommunen, die sich dagegen ausgesprochen haben. Allein in Österreich sind es 400 Städte und Gemeinden, die sich dagegen ausgesprochen haben. Und jetzt hat sich ja nicht nur die Wallonie, sondern auch die Region Brüssel dagegen gewehrt und gesagt, dass das nicht geht.

Und was ist jetzt die Antwort darauf? Auf der einen Seite stehen die Kritiker, die sagen, das kann aber nicht sein, dass zwei Regionen Belgiens die ganze Europäische Union in Geiselhaft haben, und dann kommt der Wirtschaftskammerpräsident Leitl und sagt, wir brauchen ganz dringend die Vereinigten Staaten von Europa. – Das ist aber das Allerletzte, was die Menschen in den europäischen Ländern wollen! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Menschen in Europa haben nichts gegen die EU, außer kritische Anmerkungen. Das trifft ja für die Freiheitlichen wie uns genauso zu. Wir sind sehr kritisch, ja, zu Recht, und wir erleben es oft, dass auch andere Parteien ähnlich kritisch sind, aber es läuft dann nach dem Motto: Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es halt doch nicht dasselbe!

Man muss kritisch sein, zu Recht. Sie selbst waren ja auch in Ihren Ausführungen nicht unkritisch, dass die EU zu viel reguliert und sich um Staubsauger und Glühbirnen et cetera kümmert, aber nicht um die wichtigen Dinge, wie zum Beispiel eine gemein­same Grenzsicherungspolitik, bei der es um das Thema Sicherheit, Verteidigung et cetera geht. Das wären die wichtigen Dinge. Diese kleinen Dinge muss die EU überhaupt nicht regeln. Und das ist ja das, was die Menschen stört und auch irritiert. Denn was wollen denn die Menschen in den Regionen? Sie wollen dort leben können – wie Sie gesagt haben –, tief verwurzelt sein. Was nicht heißt, dass man sich abschot­ten soll; das sehe ich auch so. Das tiefe Verwurzeln heißt aber auch, dass ich mit meinen Wurzeln dort bleiben kann. Das heißt, ich brauche dort Arbeitsplätze, ich brauche dort Kinderbetreuungsplätze. Es gibt viele Regionen, die ausgezeichnet aufgestellt sind, es gibt aber auch viele Regionen, die von Abwanderung bedroht sind, weil ihnen die elementarsten Dinge fehlen.

Eine Region stirbt immer dann, wenn die Frauen abwandern. Und wann wandern die Frauen ab oder bringen ihre Familien dazu, abzuwandern? – Wenn es zu wenige Arbeitsplätze gibt, wenn es zu wenige Kinderbetreuungsplätze gibt, wenn es mit dem Bildungssystem beziehungsweise mit dem Bildungsangebot nicht stimmt. Und dort müssen wir ansetzen.

 


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