BundesratStenographisches Protokoll859. Sitzung / Seite 62

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Wir hätten ja bei der heutigen Debatte auch gerne EU-ParlamentarierInnen dabei­gehabt, um eben auch den Blickwinkel unserer Europaabgeordneten auf die euro­päischen Regionen in die Debatte miteinfließen lassen zu können. Der Grund dafür, dass unsere EU-ParlamentarierInnen heute nicht mit dabei sind, ist, dass in dieser Woche das Europäische Parlament in Straßburg selbst tagt. Und gerade gestern und heute stand und steht dort eine Abstimmung an, die die Europaregion, aus der ich komme, nämlich die Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino, massivst beeinträchtigen würde.

Gestern am späten Abend ist dort nämlich ein Antrag diskutiert worden (Bundesrat Dörfler: Alemagna!), der in den neunziger Jahren schon einmal aufs Tapet gebracht worden ist und jetzt gerade von italienischen Abgeordneten wieder eingebracht wurde: nämlich – der Herr Kollege hat es schon gesagt – der Ausbau der sogenannten Alemagna-Autobahn, also die Erweiterung der italienischen A27 von Venedig Richtung Norden bis hin zur österreichischen Grenze bei Lienz in Osttirol. Und dort, an der Grenze, würde eine italienische Autobahn auf eine österreichische Bundesstraße treffen.

Konkret wird in diesem Antrag die Schaffung eines neuen europäischen Korridors gefordert, der das Drehkreuz Venedig direkt an Nordosteuropa anbindet. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, aber es gab schon in den neunziger Jahren massive Proteste der Bevölkerung und der Umweltverbände gegen diese Pläne, die damals eben schon eingebracht worden sind, auch im Europaparlament. Eine ganz prominente Stimme aus Südtirol gegen diese Ausbaupläne war damals jene des Extremberg­steigers Reinhold Messner. Und diese Pläne konnten damals abgewendet werden.

Genau diese Projektidee ist aber jetzt, wie gesagt, wieder auf der Tagesordnung des Europaparlaments und hat im zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments auch schon die Mehrheit bekommen. – Unvorstellbar, wie schnell so etwas geht!

Was eine Zustimmung im Europaparlament bedeuten würde, ist klar: Es würde eine neue Transitachse quer über die Alpen entstehen. Es würde eine neue Transitachse entstehen, die die Europaregion, vor allem natürlich die Menschen, die dort wohnen, und die Luft extrem belasten würde. Osttirol, Nordtirol, Teile Südtirols, Teile Salzburgs und Kärntens würden vom Verkehr massiv überschwemmt werden. Es würde alles, was derzeit verkehrspolitisch im Alpenraum geschieht – ich meine damit den Brenner Basistunnel, generell den Ausbau der Schieneninfrastruktur –, komplett konterkarieren. Es werden sehr viele Bemühungen, aber auch finanzielle Mittel – und wir reden hier von Milliarden – in die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene investiert. Die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene muss oberste Priorität haben. Es geht um die Entlastung der Bevölkerung und des Alpenraumes, diese muss oberste Priorität haben.

Diese Pläne stehen aber auch in krassem Gegensatz zum Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention, das ja auch Italien unterzeichnet hat. Das ist ja immerhin ein völker­rechtlicher Vertrag – das ist ja nicht nichts. Das ist ein bindendes Gesetz für Österreich und auch für die EU. Und darin steht auch dezidiert, dass keine alpenquerenden Autobahnen oder ähnliche Straßen gebaut werden dürfen.

Ganz nebenbei erwähnt: Österreich führt seit der letzten Woche auch den Vorsitz der Alpenkonvention.

Trotz all dieser rechtlichen und strategischen Widersprüche ist es eben passiert, dass dieser Antrag im Ausschuss positiv behandelt wurde. Und – da überholt uns jetzt gerade die Geschichte – gerade jetzt, im Abstimmungsblock nach zwölf Uhr, also schon seit einer halben Stunde – ich weiß nicht, ob darüber schon abgestimmt worden ist oder ob es erst drankommt –, wird im Europaparlament darüber abgestimmt.

 


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