BundesratStenographisches Protokoll859. Sitzung / Seite 95

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Heute ist der Irak de facto in ethnische Zonen unterteilt und davon bedroht, weiter zu zerfallen. Die drei Volksgruppen – die Schiiten, die Sunniten und die Kurden – kamen bis heute zu keiner nationalen Identifikation. Nur in jenem Teil, in dem die kurdische Bevölkerung die Mehrheit hat, gibt es relativ stabile Strukturen. Auch der Wunsch nach Eigenstaatlichkeit eines Kurdenstaates steht immer wieder auf der Agenda. Die Kurden sind jedoch auf verschiedene Länder – Türkei, Syrien, Iran und Irak – verstreut und in dieser Frage uneinig.

Man muss sich also die Geschichte vor Augen führen, um zu begreifen, wie wichtig das vorliegende Abkommen ist, um das Vertrauen in Partnerschaft und Kooperation mit dem Irak wieder aufzubauen. Bei dem gemischten Abkommen geht es um ein Ver­trags­werk, das auf die politische, kulturelle und soziale, aber auch auf die wirt­schaftliche Ebene abzielt, ein Abkommen „light“, das den Irak auf seinem Weg begleitet und ihn in Richtung eines demokratischen Staates führt. Frieden, Demokratie und Menschenrechte werden ebenso angesprochen wie Handel, Investitionen und Wiedereingliederung in die Weltwirtschaft. Dazu möchte ich einfordern, dass Wirt­schaftsprogramme sowie kulturelle und soziale Hilfsprogramme unbedingt an die Einhaltung der Menschenrechte geknüpft werden müssen.

Klar ist, dass zurzeit die humanitäre Hilfe im Vordergrund steht. Derzeit überlagert der Kampf um Mossul in den Kontakten verständlicherweise alle Sachthemen. Die Wirtschaft des Landes befindet sich in einer Krise, die Arbeitslosigkeit besonders unter jungen Leuten ist sehr hoch. Schon in der zweiten Generation ist man im Krieg, und Arbeitsplätze gibt es nur dort, wo man eine Waffe in der Hand hält, oder in der Erdölindustrie. Deshalb wird es danach einen Masterplan geben müssen, wie zum Beispiel zerstörte Infrastruktur aufgebaut werden kann, ohne durch weitere Unruhen gleich wieder der Zerstörung anheimzufallen. Hiebei könnte das Know-how der öster­reichischen Wirtschaft mit nachhaltigen grünen Techniken eine entscheidende Hilfe sein. Weiters geht es auch um den Wiederaufbau zerstörter Wohnungen und Bildungseinrichtungen, wodurch Arbeitsplätze für die Irakerinnen und Iraker geschaffen werden. Gleichzeitig muss die Gleichberechtigung der Frau eingefordert werden.

Wir kennen das aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als die sogenannten Trümmerfrauen einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau unseres heutigen Landes geleistet haben.

Zur Politik im Irak: Wir wissen, dass der derzeitige Premierminister Haider al-Abadi keinen stabilen Rückhalt in seiner Regierung hat. Deshalb ist es auch notwendig, dass er diese schwierige Situation in Mossul durchsteht und dass man sich solidarisch zeigt. Gleichzeitig darf man aber nicht die Autonomiebestrebungen der Kurden aus den Augen verlieren. Wie wir im Ausschuss gehört haben, hat die EU im Rahmen dieses Abkommens bereits Gespräche geführt, bei denen der Abgesandte der kurdischen Regionalregierung wie auch der irakische Außenminister dabei waren, um das Signal zu verstärken.

Abschließend möchte ich sagen: Es geht also darum, den Wiederaufbau und die Demokratiebemühungen von unserer Seite aus so weit wie möglich zu unterstützen, damit Stabilität und Demokratie in dieser gebeutelten Region so rasch wie möglich einkehren können.

Ein gewisser Kontrollmechanismus zwischen Hilfe in dieser schwierigen Lage und Botschaft in Richtung Menschenrechte und Frauengleichstellung ist mit diesem Abkommen verbunden, und das ist gut. So gelingt es uns, über die jährlichen Dialogforen, die in diesem Abkommen vorgesehen sind, einen der schwierigsten Dialo­ge zu führen, der zum Gelingen führt, den Terrorismus an seiner Ursache zu be­kämpfen.

 


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