BundesratStenographisches Protokoll864. Sitzung / Seite 18

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Verantwortung auch wirklich wahrnimmt. Wenn er das nicht tut, dann muss der Staat die Absicherung leisten. Nehmen Sie den Sozialbericht – der ist im Regierungs­programm nicht enthalten –, schauen Sie sich die Entwicklung der Armut an – es stellt sich immer die Frage, ob das 18 Prozent der Bevölkerung oder gar noch mehr sind –, dann sehen Sie die Tendenz!

Bei uns ist die Armut ja nach dem Durchschnittseinkommen definiert, also wer 60 Pro­zent davon zur Verfügung hat, ist armutsgefährdet. – Wir befinden uns also auf relativ hohem Niveau. Das ist für denjenigen, der wirklich arm ist, kein Trost, das muss man auch dazusagen. Im Endeffekt gehen die Zahlen in den letzten Jahren aber nach unten. Es befinden sich also etwa 13 Prozent in dem Bereich, den wir sozusagen nach der Statistik als Armut definieren. Andere Länder haben in dem Bereich, in dem wir Armut ansetzen, überhaupt die Durchschnittswerte der Einkommen, das muss man auch sagen.

Der zweite Punkt in diesem Zusammenhang: Es wird immer gesagt, dass bei uns die Umverteilung so ist, dass wir eigentlich im Sozialbereich viel zu wenig ausgeben. Schauen Sie sich auch da den Sozialbericht an: Wir geben 30 Prozent des Brutto­nationalprodukts aus, mehr als im Jahr 2008. Das ist, was das Bruttonationalprodukt und den Anteil daran anbelangt, fast um 2 Prozentpunkte gestiegen, mehr als das Wirtschaftswachstum, mehr als alles andere. Das heißt, auch der Schluss, dass die sozial Benachteiligten dem Staat kein Anliegen wären, ist daraus nicht ableitbar.

Dritter Punkt: Der so genannte Gini-Koeffizient gibt Auskunft über die Frage, wie die Einkommensverteilung im Lande ist. Wenn Sie auch das im Sozialbericht anschauen, merken Sie Folgendes: Durch die Lohn- und Einkommensteuer gibt es genau im mittleren und hohen Einkommensbereich eine Umverteilung zu den anderen Einkom­men im stärkeren Ausmaß als früher.

Das sind drei Punkte, die mir wichtig sind, weil immer wieder dargestellt wird, dass es eigentlich ja nur um die Wirtschaft, nur um die Reichen gehe. Ganz im Gegenteil! Ich glaube an die Vorgangsweise, zu sagen: Wer sich einbringen kann und auch will, hat alle Möglichkeiten. Wir müssen die Chancen für alle gleich anbieten – dann muss natürlich jeder die Chance auch selbst wahrnehmen; und wer aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht am Markt teilnehmen kann, braucht eine entsprechende Absicherung.

Deswegen bekenne ich mich auch zu etwas anderem: Die Gruppe der über 50-Jährigen hat es auf dem Arbeitsmarkt nicht leicht. Es ist gerade bei Frauen dieses ständige Vorstellen und Abgewiesenwerden etwas sehr Negatives, daher haben wir uns bemüht, abgeleitet von anderen Ländern, die da positive Erfahrungen gemacht haben, ein neues Programm mit einer Art Beschäftigungsgarantie zu entwickeln. Wir alle in der Koalition wissen, dass das nicht einfach sein wird, weil auch ein bestimmtes Sozialprestige damit verbunden ist, wo man dann tätig ist. Ich glaube aber, dass Beschäftigung an sich und eine Garantie dafür immer etwas wesentlich Besseres ist, als wenn jemand irgendwo die Freizeit verbringen muss. Der springende Punkt ist „verbringen muss“, denn wenn jemand kann, dann ist die Einteilung und die Ver­fügbarkeit ja eine ganz andere; auch da gibt es neue Ansätze.

Im Zusammenhang mit neuen Ansätzen begleitet uns immer das Thema Deregu­lierung. Da gibt es unter anderem den Hauptwunsch der Betriebe: Wir wollen im Be­reich der Flexibilisierung weiterkommen! Es ist jetzt angesprochen worden, dass wir die Sozialpartner da eingebunden haben; viele sagen, das wäre so etwas wie ein Abschieben auf diese. Wenn Sie jetzt schauen, wie über das Thema gestritten wird – ich meine im positiven Sinn gestritten wird –, dann sehen Sie, es war eine ganz, ganz richtige Vorgangsweise, das einmal mit einer entsprechenden Aufladung zu versehen.


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