BundesratStenographisches Protokoll866. Sitzung / Seite 129

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druck gebracht, dass die Selbstbestimmung des Menschen als oberstes Prinzip geach­tet wird, der Betroffene als Erwachsener und nicht als minderjähriges Kind betrachtet oder einer Sache gleichgestellt wird.

Diesem Anliegen, meine Damen und Herren, dient auch die Tatsache, dass es nunmehr nicht nur eine Kategorie von Vertretung gibt, nämlich den Sachwalter, der alle Bereiche der Vertretung innehat, sondern es gibt jetzt vier Kategorien von Vertretung, die den der­zeitigen Sachwalter ersetzen und den Erfordernissen angepasst sind: die Vorsorgevoll­macht, die gewählte Erwachsenenvertretung, die gesetzliche Erwachsenenvertretung und die gerichtliche Erwachsenvertretung.

Mit diesen Formen verschiedener Vertretungen kann den Grundsätzen Unterstützen statt entmündigen und Schluss mit der kompletten Entmündigung entsprochen werden. Es können damit nämlich die individuellen Bedürfnisse und Schutznotwendigkeiten Berück­sichtigung finden. Vertreter sollen nach Möglichkeit die Menschen unterstützen und sie nicht entmündigen.

Die Vorsorgevollmacht wird dabei aus dem geltenden Recht übernommen, weil sie sich bewährt hat. Wenn der von der betroffenen Person definierte Vorsorgefall eintritt, über­nimmt der Bevollmächtigte seine Aufgabe der Vertretung, die vom Gericht nur bei er­kennbarem Widerspruch zwischen Vertreter und Vertretenem kontrolliert wird.

Meine Damen und Herren! Das Gericht schreitet also erst im Konfliktfall ein, etwa wenn es um eine Entscheidung das Leben betreffend geht. Die gewählte Erwachsenenver­tretung soll eine Lücke im jetzigen Gesetz schließen. Eine Person kann auch dann ei­nen Erwachsenenvertreter bestimmen, wenn sie nicht mehr voll geschäftsfähig ist. Da­bei muss die Person die Tragweite einer Bevollmächtigung wenigstens in Grundsätzen abschätzen können und sich entsprechend verhalten. Natürlich muss dabei Täuschung möglichst ausgeschlossen werden.

Die gesetzliche Erwachsenenvertretung bedeutet die Vertretung durch nächste Ange­hörige. Diese Form der Vertretung verschafft dem nahestehenden Angehörigen weiter­gehende Befugnisse als bisher, unterliegt aber auch, anders als nach geltendem Recht, der gerichtlichen Kontrolle – Gott sei Dank. Dazu muss die Vertretung auch im Öster­reichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen sein, wie auch alle anderen Formen der Vertretung.

Der gerichtliche Erwachsenenvertreter ersetzt den bisherigen Sachwalter. Die Befugnis­se, meine Damen und Herren, sind aber deutlicher als bisher auf bestimmte Vertretungs­handlungen beschränkt.

Eine Erwachsenenvertretung für alle Angelegenheiten gibt es nicht mehr. Mit Erledi­gung der konkreten Aufgabe beziehungsweise spätestens drei Jahre nach der Bestel­lung endet die Vertretung. Dabei stellt der gerichtliche Erwachsenenvertreter das letzte Mittel dar, das erst nach Ausschöpfung aller anderen Mittel eingesetzt wird.

Meine Damen und Herren! Was ist noch zu bedenken? – Keine dieser Vertretungs­arten führt zu einem automatischen Verlust der Handlungsfähigkeit der vertretenen Per­son. Damit sind der Person und der Situation angepasste Lösungen möglich. Die Auto­nomie der Person wird dadurch gestärkt, die Möglichkeiten der Selbstbestimmung da­mit erweitert.

Voraussetzung für die Wirksamkeit des Gesetzes ist, meine Damen und Herren, dass es genügend Menschen gibt, die die verantwortungsvolle Aufgabe der Erwachsenen­vertretung wahrnehmen. Neben dieser Bereitschaft ist ein verstärkter Ausbau von ge­förderten Erwachsenenschutzvereinen notwendig. Solche Vereine haben nicht nur die Aufgabe, konkrete Vertretungsmandate zu übernehmen, sondern auch den Vertreterin­nen und Vertretern beratend zur Seite zu stehen sowie in der Bevölkerung das Be­wusstsein für die Autonomie der Person zu stärken.

 


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