BundesratStenographisches Protokoll866. Sitzung / Seite 130

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Keine Person, meine Damen und Herren, darf zur Sache gemacht werden, über die man verfügt, sondern es müssen ihre Fähigkeiten gestärkt werden! Das zeigt sich im Be­sonderen in der Personenvorsorge bei medizinischen Behandlungen. Psychisch beein­trächtigte Menschen, die nicht mehr entscheidungsfähig sind, dürfen nur mit Zustim­mung ihres Vertreters oder ihres Vereines behandelt werden, außer es ist Gefahr im Verzug. Zusätzlich müssen sie von der behandelnden Person über die Behandlung in­formiert und um ihre Meinung befragt werden.

Mit diesem Gesetz, meine Damen und Herren, sind also wesentliche Schritte hin zur Stärkung der Person gesetzt. Es ist allen zu danken, die an der Veränderung der Sicht­weise mitgewirkt haben, im Besonderen ist unserem Herrn Justizminister Dr. Wolfgang Brandstetter für seine engagierte Umsetzung der neuen Sichtweise Anerkennung aus­zusprechen.

Mit dem Erwachsenenschutz-Gesetz ist ein Meilenstein für alle kranken Menschen in der Bevölkerung gesetzt. Sie brauchen nur nachzuschauen, wir sind das einzige Land von allen 28 EU-Ländern, die so ein Gesetz haben. Wir können stolz darauf sein, und wir stimmen alle diesem Gesetz gerne zu. – Herr Bundesminister, noch einmal ein gro­ßes, großes Danke! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

15.07


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Weber zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


15.07.58

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mein Landsmann Gregor Hammerl hat schon sehr eindringlich das neue Gesetz gut er­klärt, ich möchte mit dem Jahr 1916 beginnen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Aus dieser Zeit stammt nämlich die damalige Entmündigungsordnung. Das Sachwal­terrecht, das wir heute sozusagen ablösen, war 1980 das Folgegesetz dieser Entmün­digungsordnung und zur damaligen Zeit ein sehr modernes, ja gar revolutionäres Ge­setz. Nach drei Jahrzehnten jedoch genügen die Inhalte des geltenden Sachwalterrechts nicht mehr den heutigen Herausforderungen. Es gibt auch berechtigte gesellschafts­politische und rechtspolitische Kritik. Entgegen den Erwartungen ist nämlich die Anzahl der Sachwalterschaften nicht zurückgegangen, sondern, ganz im Gegenteil, massiv ge­stiegen. Wir haben heute schon gehört, rund 70 000 Menschen sind bisher in Öster­reich besachwaltet. Demgegenüber gibt es eine viel zu geringe Anzahl an geeigneten Sachwaltern.

Auch die UN-Behindertenrechtskonvention, die in Österreich seit 2008 in Kraft ist, weist auf gewisse Defizite unseres Sachwalterrechts hin. Die Betitelung der Regelung der Sach­walterschaft mit dem Begriff Erwachsenenschutz-Gesetz – wir haben es heute schon gehört – ist eine wichtige Maßnahme und zeigt die richtige Richtung des neuen Geset­zes auf.

Dieses wichtige Thema stellen wir, salopp gesagt, auf völlig neue Beine. Es wird damit ein Paradigmenwechsel eingeleitet, weg von der Entmündigung, hin zur Ermächtigung.

Die Änderungen werden den Menschen mehr Selbstbestimmung ermöglichen, es wird die persönliche Eigenständigkeit und Freiheit gestärkt. Frei nach dem Grundsatz: So viel Unterstützung wie nötig und so viel Autonomie wie nur möglich.

In Zukunft soll die gerichtliche Rechtsvorsorge auf den Kern zurückgeführt werden, das ist die Vertretung von Menschen in rechtlichen Belangen.

Ansonsten gibt es noch die Erwachsenenvertretung. Da kann man sich die Erwachse­nenvertreterinnen und -vertreter selber aussuchen, ob es die gesetzliche oder die ge­wählte Erwachsenenvertretung ist.

 


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