BundesratStenographisches Protokoll866. Sitzung / Seite 153

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gefunden werden – neun Jahre lang! Das Haus wurde mehrmals in nächtlichen Aktio­nen – als Bürgermeister war ich da immer eingeweiht in die Aktionen der Kriminalpoli­zei – durchsucht, es wurden Nachbarn, Verwandte observiert, aber der Vater und die Kin­der konnten nicht gefunden werden.

Plötzlich, im Jahr 2013, neun Jahre später, kommen Meldungen über die Medien, dass zwei entführte Kinder in Paraguay aufgetaucht sind. Der Vater, der die Kinder schluss­endlich nach Paraguay entführt hat und dort ein neues Leben begonnen hatte, der übri­gens gar keinen falschen Namen verwendet hat, hat es geschafft, neun Jahre in einer Umgebung, in der sehr viele Deutsche leben, in einer deutschsprachigen Gegend, ein neues Leben aufzubauen, eigentlich gar nicht unerkannt, aber dort quasi beschützt von den örtlichen Behörden. Nach neun Jahren passiert 2013 das Missgeschick, dass die­ser Vater einen schweren Verkehrsunfall hat und am Totenbett sagt, was wirklich hinter seiner Geschichte steht, und darum bittet, dass mit Österreich Kontakt aufgenommen wird. Er ist dann verstorben. Die Kinder sind nach wie vor in Paraguay. Ich habe auch persönlich Kontakt zu diesen Kindern, aber sie wollen natürlich nach 13 Jahren nicht zu­rück – logisch, die haben ein völlig neues Leben aufgebaut, einen neuen Freundes­kreis, eine Stiefmutter, sogar ein junges Geschwisterl dort.

Genau in einem solchen Fall – und damit komme ich zurück zur Rechtsmaterie – sollen diese Übereinkommen regeln, was im Falle von Kindesentführungen passiert, wie der rechtliche Vorgang ist. Wenn meine Informationen stimmen, gibt es zirka 60 solche Fälle pro Jahr in Österreich – vielleicht nicht in dieser Dramatik, die ich soeben geschil­dert habe, aber es gibt 60 solche Fälle, in denen jemand in welcher Situation auch im­mer die Kinder dem Sorgerecht des anderen Elternteils entzieht, sie ins Ausland bringt und damit quasi der Rechtsverfolgung durch Österreich entkommen will.

Daher gibt es seit 1980 dieses Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen As­pekte internationaler Kindesentführung. Über 50 Länder haben dieses Übereinkommen bereits angenommen, und jetzt treten diesem Übereinkommen eben zehn weitere Län­der bei – zwar leider nicht Paraguay, um das es in dem von mir geschilderten Fall ge­gangen wäre, aber zum Beispiel Peru, Marokko, Armenien und dergleichen –, um auch dort solche Fälle regeln zu können.

Bei der Regelung steht natürlich – und das ist völlig richtig und wichtig – das Kindes­wohl im Mittelpunkt. Sie besagt nämlich auch, dass, wenn ein Staat ein Ansuchen an das Land, wohin das Kind oder die Kinder entführt wurden, stellt, es dann nach diesem Übereinkommen sofort handeln und die Kinder innerhalb von sechs Wochen an das Heimatland zurücküberstellen muss. Wenn das Ansuchen jedoch erst ein Jahr nach dem Verschwinden des Kindes gestellt wird, dann steht das Kindeswohl schon absolut im Mittelpunkt. Haben sich nämlich die Kinder dann bereits in der neuen Umgebung eingelebt, wäre es unverantwortlich, sie automatisch wieder aus dieser neuen Umge­bung abzuziehen. Dann ist eine echte Abwägung der Vor- und Nachteile vorzunehmen.

Der Geltungsbereich dieses Haager Übereinkommens wird jetzt wie gesagt um zehn weitere Ländern erweitert. Und mit diesem Beschluss im Parlament – es sind das die Tagesordnungspunkte 23 und 24 – nehmen wir diesen Beitritt von zehn weiteren Län­dern an, damit eben solche Fälle, wie ich einen vorhin geschildert habe, die wirklich dra­matisch sind, vor Ort im Falle des Falles besser gelöst werden können. Daher ist es selbstverständlich, und so ist es auch hier, dass alle Fraktionen diesem Übereinkom­men zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.37


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Kurz. – Bitte, Frau Kollegin.

 


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