BundesratStenographisches Protokoll867. Sitzung / Seite 106

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In Niederösterreich hat ein Pflegeheim mehrfach ein Qualitätszertifikat bekommen – und jetzt ermittelt dort die Staatsanwaltschaft, weil vier Pflegekräfte einer Station im Ver­dacht stehen, schwer demente Pfleglinge über Monate gequält zu haben. Unter ande­rem ist zur Anzeige gekommen, dass während gemeinsamer Nachtdienste den Men­schen Haarspray ins Gesicht gesprüht wurde, Kot in den Mund gesteckt wurde und Al­kohol in Genitalien und Augen geschmiert wurde.

Bemerkenswert ist aber bedauerlicherweise auch die Reaktion der niederösterreichi­schen Landesrätin dazu, die davon spricht, das seien alles pauschale Verurteilungen. Das sei „höchst unzulässig‘, ‚kontraproduktiv‘ und ‚ungerecht‘ gegenüber den Beschäf­tigten.“ Es könnten nur „negative Einzelfälle“ sein. Das sei „kein Grund, ein gesamtes, en­gagiertes [...] Pflegesystem in Misskredit zu bringen“. – Das ist ein Zitat aus der Zeitung „Die Presse“ vom 5. Mai 2017.

Niemandem von uns ist daran gelegen, das Pflegepersonal an den Pranger zu stellen. Wir wissen, dass die wirklich großartige Arbeit leisten, aber dennoch muss es möglich sein, Missstände aufzuzeigen und darüber zu sprechen, um sie abstellen zu können. Die­se Liste lässt sich ja fortsetzen, das mache ich jetzt aber nicht.

Was waren die Angaben auch seitens des Pflegepersonals aus den unterschiedlichs­ten Heimen, das befragt worden ist? – Dass es mangelnde Kontrollen gibt, und natür­lich auch der Vorwurf, dass vor allem private Institutionen eher daran interessiert sind, möglichst viel Profit zu machen, und weniger darauf schauen, dass die Qualität stimmt.

Da sagt ein Diplomkrankenpfleger aus Innsbruck: Das Hauptproblem ist die ständige Über­forderung durch Personalmangel. – Das wissen wir auch. Auf der anderen Seite, wenn wir uns an unsere letzte Diskussion erinnern, in der es um die Arbeitslosenzahlen ge­gangen ist und als zur Sprache kam, dass beim Pflegepersonal ein Anstieg von 9,2 oder 9,5 Prozent war, zeigt das aber auch schon, welche Schieflage es da gibt, denn es ist ja nicht so, dass die keinen Job finden, sondern die wollen offensichtlich nicht mehr in dem Bereich arbeiten, weil eben die Bedingungen schlecht sind.

Der Pfleger sagt auch, dass die Führungskräfte schlecht ausgebildet sind, und sie set­zen ihre Mitarbeiter nicht effizient ein. Und auch der Faktor Zeit für die Pfleglinge ist mehrfach genannt worden, weil das fix eingeteilt ist. Einer der Pfleger hat gesagt, einen Dementen kann man nicht in fünf Minuten abfüttern, das dauert einfach länger. Und ich glaube auch, dass es diese Menschen verdient haben, dass man sich Zeit für sie nimmt. Man kann das nicht im Minutentakt nach einem Effizienzprogramm machen.

Weiters als Problem wurden ungelernte Hilfskräfte angeführt, die Tätigkeiten verrich­ten, die sie gar nicht verrichten dürften und für die sie auch niemals ausgebildet wor­den sind. Auch mangelnde Deutschkenntnisse sind genannt worden, zum Teil können sie gar nicht Deutsch sprechen, sodass sie, wenn der Pflegling Schmerzen hat – selbst wenn sie sich hingebungsvoll mit dem Pflegling beschäftigen –, gar nicht verstehen, was er hat, was er will oder was er braucht. Bei Schmerzen kann man sich über die Mimik noch ein bisschen ausdrücken, aber da muss ja auch festgestellt werden, welches Schmerz­mittel er braucht, und so weiter.

Also es sind sicher alle sehr engagiert, das wollen wir keinesfalls in Zweifel ziehen; aber wir glauben, dass wir sowohl den Pfleglingen als auch dem Pflegepersonal helfen müssen. Die Volksanwaltschaft hat ja in einer Reihe von Vorschlägen aufgezeigt, was wesentlich wäre, wie etwa die Möglichkeit für Supervision. Ich stelle mir das wirklich schwer vor: Den ganzen Tag pflegst du diesen Menschen, du hast aber niemanden, mit dem du dich austauschen kannst, kein Team, in dem man darüber sprechen kann, was notwendig ist und so weiter. Das wären alles ganz dringliche Sachen, denn sonst geht man nach Hause und schluckt das ständig hinunter, und im übertragenen Sinne erstickt man dann daran.

 


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