BundesratStenographisches Protokoll871. Sitzung / Seite 23

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Da müssen wir an verschiedenen Punkten ansetzen. Da müssen wir bei der Aus­bildung ansetzen. An den Medizinischen Fakultäten in Wien und in Innsbruck gibt es derzeit überhaupt keinen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin. Das ist vor allem auch deswegen problematisch, weil dadurch in der Ausbildung natürlich genau diese Lehr­inhalte fehlen, und das setzt sich dann im System einfach weiter fort.

Die Finanzierung der verpflichtenden Lehrpraxis müsste schon längst sichergestellt sein. Das ist jetzt seit mehr als zwei Jahren offen. Die Auszubildenden wissen nicht, zu welchen Bedingungen sie ihre Ausbildung absolvieren können. Die verpflichtende Lehrpraxis sollte so früh wie möglich von sechs auf zwölf Monate erhöht werden, damit man einfach mehr Einblick erhält und mehr Praxis schon in der Ausbildung mitbe­kommt. Während der Lehrpraxis sollten die Auszubildenden beim Krankenhaus, in dem sie die Ausbildung zum Allgemeinmediziner/zur Allgemeinmedizinerin machen, auch weiterhin angestellt bleiben, um da einfach auch Kontinuität drinnen zu haben und eben zu wissen, welche Bedingungen man vorfindet.

Um das zu attraktivieren, sollte auch ein Teil der neunmonatigen Basisausbildung ver­pflichtend in einer allgemeinmedizinischen Praxis absolviert werden, denn man hat dann einfach mehr Einblick. Das fördert sicherlich die Entscheidung zugunsten einer allgemeinmedizinischen Ausbildung nach der Basisausbildung.

Ziel muss es sein, dass sich in Österreich ein Drittel der in Ausbildung stehenden MedizinerInnen für die Allgemeinmedizin entscheidet. Derzeit sind es nur 10 Prozent, alle anderen machen eine Facharztausbildung, weil das im Moment einfach attraktiver ist, und das versperrt den Weg zu einer Stärkung der Primärversorgung.

Es braucht auch eine Aufwertung des Berufstands generell. Die Allgemeinmedizin als Fach wie jedes andere zu etablieren, würde die symbolische Schlechterstellung der allgemeinmedizinischen Ausbildung beseitigen, würde uns in dem Bereich international anschlussfähiger machen. Darüber hinaus wäre damit die Benachteiligung während der Ausbildung beseitigt. Es darf keinen Unterschied in der Bezahlung nach sich ziehen, ob ich eine Ausbildung zum Allgemeinmediziner/zur Allgemeinmedizinerin oder eine Facharztausbildung mache.

Was ich zu diesem Punkt noch ansprechen möchte, ist, wie ich finde, ein sehr frauen­spezifischer Punkt, nämlich die Möglichkeit von Gemeinschaftspraxen für Haus­ärzte und Hausärztinnen aufgrund des bestehenden Mangels, denn das wäre gerade für Frauen sehr attraktiv. Für Ärztinnen gerade mit Kindern ist eine volle HausärztIn­nenstelle mit Feiertags- und Wochenenddiensten so gut wie nicht machbar.

Es gibt jetzt zwar eine Vereinbarung mit den Krankenkassen, dass das geht, aber die Bedingungen sind so, dass es maximal zwei Personen sein dürfen und die Aufteilung zur Abdeckung der Wochenenddienste so ist, dass sie für zwei Personen nicht wirklich gut zu handlen ist. Es ist ein Versuch, der leider aufgrund der nicht wirklich guten Rahmenbedingungen nicht ins Laufen kommt. Jetzt wird – diesen Eindruck haben wir – daraus leider der Schluss gezogen, dass das Angebot gar nicht gewollt wird, anstatt das Angebot einfach zu verbessern und die Rahmenbedingungen mehr anzupassen, damit es wirklich alltagstauglich wird.

Im gesamten Gesundheitssystem sind noch so viele Baustellen offen, da braucht es viel umfassendere Reformen als diese Gesundheitsreform; da gibt es noch sehr viel zu tun. Ich habe von allen Fraktionen heute so viele gute Vorschläge gehört, von daher sollte einer weiterführenden Reform wirklich nichts im Wege stehen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

9.52

 


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