BundesratStenographisches Protokoll871. Sitzung / Seite 22

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Präsident Edgar Mayer: Frau Bundesrätin Mag. Schreyer ist als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


9.45.43

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen hier und zu Hause! Zuallererst möchte ich meinem Kollegen, meinem Vorredner beipflichten und sagen: Ich finde die Wahl dieses Themas für die Aktuelle Stunde schon auch sehr komisch, weil wir im ersten Tagesordnungspunkt fast deckungsgenau das gleiche Thema behandeln. Also das ist etwas, das ich auch gleich eingangs kritisieren möchte.

Zur Gesundheitsreform: Grundsätzlich ist die Gesundheitsreform natürlich ein Gebot der Stunde. Nicht nur aufgrund der Entwicklungen in der Medizin ist sie einfach notwendig und brauchen wir sie, aber leider – und das ist das große Problem, das wir da sehen – macht der Bund einfach nur einen Teil seiner Hausaufgaben und nimmt seine Rolle als Gestalter nicht wahr. Die große Herausforderung einer Gesundheits­reform ist nämlich, bei gleicher Qualität Geld zu sparen. Das ist nicht einfach, aber das ist eben die Herausforderung. Es wäre auch möglich, wenn Strukturreformen tat­sächlich tiefer greifend und wirklich strukturverändernd gemacht würden. Das Schwie­rige ist dabei offensichtlich, dass leider oft nicht der Benefit für die PatientInnen im Vordergrund steht, sondern einfach die Interessen der einzelnen Interessenvertretun­gen.

Ambulante Strukturen sind dann gut, wenn es eine integrierte Versorgung gibt und alle Berufe auf Augenhöhe bedarfsgerecht, patientenorientiert miteinander arbeiten kön­nen. Leider ist – das ist auch eine Kritik von uns – hier wieder die Gleichstellung der nicht-medizinischen Berufe verhindert worden. Diese ambulanten Strukturen funktio­nieren nämlich gut, wenn man ein gutes Umfeld schafft, und da gehört eben diese Gleichstellung mit dazu.

Ich als Tirolerin möchte ein kurzes Best-Practice-Beispiel aus Tirol anführen. Es gibt dort das Institut für integrierte Gesundheitsversorgung. Das wird derzeit gerade als Pilotprojekt geführt. Es ist eine Anlaufstelle für PatientInnen – die Kollegin (in Richtung Bundesrätin Ledl-Rossmann) nickt gerade –, die zuerst untersucht werden, bevor sie eine Spezialambulanz betreten. 30 Prozent dieser Menschen können sofort wieder heimgehen und belasten das System nicht mehr. Genau dorthin müssten wir eigent­lich.

Grundsätzlich werden wir eine Stärkung der ambulanten Strukturen nur dann erreichen, wenn wir das System der Abrechnung anders aufsetzen und über die einzelnen Geldtöpfe im Gesundheitssystem tiefer greifend nachdenken, denn solange ein Kran­kenhaus immer noch mehr Geld bekommt, wenn ein Patient, eine Patientin mindestens drei Tage stationär aufgenommen wird, die SVAs gewissermaßen doppelt zahlen, wenn eine PatientIn nicht ambulant betreut wird, dann ist es nicht verwunderlich, wenn sich ambulante Strukturen nicht durchsetzen, wenn die Kosten im Gesund­heitssystem weiter explodieren und wenn die Qualität in der Versorgung leider einfach nicht steigt, obwohl wir explodierende Kosten haben.

Ein riesiger Punkt aus Sicht der Regionen, den ich jetzt gerade in der Länderkammer noch einmal ansprechen möchte und den auch alle VorrednerInnen angesprochen haben, ist der drohende Mangel an AllgemeinmedizinerInnen vor allem auf dem Land. 60 Prozent der HausärztInnen gehen bis 2025 in Pension. Das ist ein Problem, das wir wirklich nur dann lösen können, wenn wir die Allgemeinmedizin für die AbsolventInnen der Medizinischen Fakultäten wieder attraktiver machen, denn derzeit entscheidet sich ein Großteil für eine Facharztausbildung.

 


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