BundesratStenographisches Protokoll871. Sitzung / Seite 36

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Wir haben uns ja von Anfang an gegen dieses Gesetz ausgesprochen, und unsere Bedenken bestehen nach wie vor. Frau Kollegin Mühlwerth hat es bereits erwähnt, wir befürchten mittel- beziehungsweise langfristig durch dieses Gesetz das Ende des Hausarztes, so wie wir ihn gewöhnt sind und wie wir ihn kennen. Das beweisen ja einige Punkte in diesem Gesetz, beispielsweise die Untersagung von Parallelen zwischen Hausärzten und Primärversorgungseinheiten. Gibt ein Hausarzt auf, wird die Stelle fünf Jahre nicht wiederbesetzt, es sei denn, diese Leistung wird durch eine Primärversorgungseinheit abgedeckt. Oder wenn ein Arzt nach einem Vorvertrag mit einem Primärversorgungszentrum realisiert, dass er sich doch lieber als klassischer selbständiger Hausarzt betätigen und niederlassen möchte, kann sein Einzelvertrag von der Kasse gekündigt werden. Und wenn ein Arzt ausscheidet, dann müssen die Ärztekammer und die Kassen zustimmen, damit er wiederum einen Vertrag erhält.

Das Ganze wäre ja kein österreichisches Gesetz, wenn es nicht mit jeder Menge Bürokratie verbunden wäre. Allein vier Vertragsarten sind vorgesehen: Primärver­sor­gungsgesamtvertrag, Primärversorgungsvertrag, Primärversorgungseinzelvertrag, Pri­mär­ver­sorgungssondervertrag. Ich frage, warum man denn diese Primärversorgung unbedingt in eine eigene Rechtspersönlichkeit zwängen und diese vorschreiben muss.

Auf der anderen Seite bleibt es weiterhin untersagt, dass Ärzte andere Ärzte anstellen. Kollege Zelina hat es bereits erwähnt, das ist völlig unverständlich. Frau Bundes­minister, Sie haben Beispiele gebracht, wo das mit den Hausärzten jetzt gut funk­tioniert – wir haben das in der Steiermark eben auch in Mariazell und seit Kurzem auch in Eisenerz. Das ist der Beweis dafür, dass wir das nicht brauchen, da es jetzt schon funktioniert, obwohl wir dieses Gesetz noch nicht haben. Styriamed-Network, Best-Practice-Beispiele aus Tirol wurden heute schon angesprochen. Es gibt also genügend Ansätze, wo das schon recht gut ohne den Zwang funktioniert, mit dem man offen­sichtlich die Ärzte in ein quasi verstaatlichtes Gesundheitssystem à la DDR zwängen will.

Die Menschen wollen ja viel lieber einen Arzt ihres Vertrauens, der auf ihre per­sönlichen Gesundheitsprobleme viel besser eingehen kann, der sie oft über Jahre hinweg kennt und eben entsprechend effizient behandeln kann. Es wäre also die wesentlich effizientere Lösung, wenn man auf Basis des bewährten Systems versucht, dieses an die Herausforderungen der Zeit anzupassen und am Leben zu erhalten.

Auch die genannten Zielsetzungen dieser Primärversorgungseinheiten – und das ist auch in der Ausschussdebatte zur Sprache gekommen – sind irgendwie widersprüch­lich. Einerseits geht es um die Versorgung im ländlichen Raum, andererseits wird gesagt, na ja, die Primärversorgungseinheiten wird es ja hauptsächlich in Ballungs­räumen geben. Das passt ja dann überhaupt nicht zusammen.

Die Wünsche von Patienten, die durch Umfragen belegt sind, längere Öffnungszeiten, Öffnungen auch zu Tagesrandzeiten, mehr Zeit für Gespräche auf der einen Seite und der Ärzte auf der anderen Seite, moderne, zeitgerechte Arbeitszeitbedingungen, das Arbeiten im Team und – für mich ein Unwort des Jahrzehnts – eine bessere Work-Life-Balance, das alles würde man auch ohne dieses gesetzliche Korsett, ohne diesen Zwang erreichen. Das Ende der Hausbesuche ist damit sowieso besiegelt. (Zwi­schenruf des Bundesrates Tiefnig.)

Ich bin überzeugt: Wenn wir Maßnahmen zur Attraktivierung setzen würden, Förder­modelle etablieren würden, für eine bessere Bezahlung sorgen würden, dann würde uns das unterm Strich wahrscheinlich billiger kommen, wobei alles auf Freiwilligkeit basieren würde, und damit auch die Motivation der Ärzte eine wesentlich bessere wäre.

 


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