BundesratStenographisches Protokoll871. Sitzung / Seite 39

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ist eine Tatsache, insbesondere eben am Land. Das liegt nicht oder nicht nur an der Ausbildung, denn offensichtlich hat diese Ausbildung ja früher diesen viel umjubelten und ersehnten Hausarzt hervorgebracht.

Wenn wir sehen, dass über ein Drittel der fertigen Mediziner, die von der Uni kommen, in diesen Beruf gar nie einsteigen, dass viele weitere, die in Österreich studiert haben, ins Ausland gehen und dort dann auch bleiben – nicht nur die Deutschen, die bei uns studieren, sondern auch die Österreicher –, so ist das ein wichtiger Ansatzpunkt.

Viele dieser Ärzte wünschen sich andere Arbeitsbedingungen, als sie derzeit vorfinden. Sie wünschen sich Anstellungen, sie wünschen sich das Eingebundensein in ein Team, und sie streben – man kann das Wort auch verdammen – eine bessere Work-Life-Balance an, als sie sie derzeit vorfinden. Der kleine Schritt, den viele gehen, ist der in Richtung Wahlarzt, wobei das doch wieder eine Entwicklung in Richtung Zweiklassenmedizin ist.

Welche dieser Erwartungen, die wir alle oder viele von uns an diese Primärver­sor­gungs­zentren haben, werden jetzt von diesem Gesetz erfüllt? Erfüllt dieses vorliegende Gesetz unsere Erwartungen? – Rollen wir es von hinten auf: Die Ärzte haben sehr gut verhandelt. Sie sind auch mit am Tisch gesessen. Die nichtärztlichen Gesundheits­berufe waren hingegen kein einziges Mal zu den Verhandlungen eingeladen, sie haben auch keinen Primärversorgungsgesamtvertrag bekommen. Damit stellt der Gesetz­geber die nichtärztlichen Gesundheitsberufe unter eine Art Verhandlungskuratel der Ärzteschaft beziehungsweise der Betreibergruppe solcher Zentren – von Gleichstel­lung, von Augenhöhe keine Spur.

Wofür Ärzte mit Zähnen und Klauen in diesen Verhandlungen gekämpft haben, das haben sie den nichtärztlichen Gesundheitsberufen kaltblütig verwehrt. SozialarbeiterIn­nen, die wir für einen wesentlichen Teil solch einer Primärversorgung halten würden, werden im Gesetz nicht einmal erwähnt. Die kommen dort gar nicht vor.

Die Anstellung von ÄrztInnen wird nicht umgesetzt. Eine Stärkung der Vertretungs­ärzteregelung ist nicht gelungen, und damit müssen Primärversorgungsanbieter die Vertretungsärzteregelung exzessiv in Anspruch nehmen, um die vorgeschriebenen erweiterten Öffnungszeiten und Mehrleistungen für Patienten überhaupt anbieten zu können, und damit werden Tür und Tor für eine eigentlich rechtswidrige Umgehung von Anstellungsverhältnissen geöffnet.

Selbständige Ambulatorien bekommen damit einen Wettbewerbsvorteil, weil dort die Anstellung möglich ist. Wir befördern mit diesem Gesetz also wieder eine Entwicklung in Richtung Zweiklassenmedizin. Diese Punkte führen dazu, dass wir diesem Gesetz nicht zustimmen.

Die Ausgestaltung dieser Primärversorgungszentren wird sehr unterschiedlich sein. Was Sie als Patient vorfinden – ob tatsächlich ein Zentrum oder eine Einheit, das heißt einen losen Verbund von Ärzten in einer Region mit hoffentlich besser abgestimmten Ordinationszeiten als derzeit –, das hängt sicher sehr davon ab, wo Sie wohnen, ob in der Stadt oder am Land und dann noch in welchem Land, also wie gut die in der Lage sind, das umzusetzen, und mit welchem Ehrgeiz sie das betreiben.

Es gibt ja diese Zielvorstellung von 75 Einheiten bis 2021. Das ist leider eine Ober­grenze. Wenn es also gut funktioniert und man vielleicht in der Lage ist, viele dieser Fehler zu korrigieren, wäre es gut, wenn diese Obergrenze nicht existieren würde, wobei das auch noch nach Ländern aufgegliedert ist; aber ob und in welcher Qualität das realisiert werden kann, ist mit diesem Gesetz leider mehr als offen.

 


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