BundesratStenographisches Protokoll872. Sitzung / Seite 24

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Diskussion um das Weißbuch zur Frage, wie es in Europa insgesamt weitergeht, posi­tionieren? Wie ist diesbezüglich unsere Haltung?

Erstens würde ich mir wünschen, dass viele heraustreten – ich mache das jetzt auch wieder und habe es immer wieder gemacht – und klar und deutlich sagen, wo sie ste­hen, nämlich pro Europa. Das würde ich mir wünschen.

Zweitens würde ich mir wünschen, dass man dazusagt – als Vorarlberger fällt es einem leicht, das zu sagen –: Wir haben von diesem Europa, das so intensiv kritisiert wird, enorm profitiert, gerade unsere Region. Unser Exportvolumen schießt durch die Decke! Die Wirt­schaft in unserem Lande hat die Möglichkeiten des größeren europäischen Raums ganz enorm wahrgenommen, hat die Chancen enorm genützt. Und man muss immer wieder die Kraft aufbringen und im Hinblick auf die größeren Zusammenhänge sagen: Wir ha­ben davon profitiert, Land und Leute! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ein Drittes: Natürlich muss in Richtung Reform Druck gemacht werden; das ist auch aus Sicht der Bundesländer wichtig. (Bundesrätin Mühlwerth: Es ist ja nicht alles su­per, was die machen, oder?!) – Nein, aber es kann in einer öffentlichen Debatte nicht schaden – Sie müssen ja nicht meiner Meinung sein –, wenn ein paar heraustreten und sagen: Erstens bin ich für Europa, zweitens haben wir profitiert, und drittens treten wir für Reformen ein!, und zwar in dieser Reihenfolge und nicht anders, denn die Kritik an Europa ist sehr einfach, aber zu sagen, dass wir auch wirklich profitiert haben, ist of­fenbar schwieriger.

Persönlich weiß ich nicht, was daran so schwierig sein soll; der Blick auf Vorarlberg wird es beweisen. Das gilt für mein Bundesland – ich kann nicht für alle reden – und für Österreich gesamt übrigens auch. Insgesamt hat uns Europa aber logischerweise in vie­lerlei Hinsicht mehr gebracht als geschadet, und trotzdem wird es erforderlich sein, den Blick darauf zu lenken, was notwendig ist.

Ich weiß nicht, wann es in der europäischen Diskussion zum letzten Mal der Fall war – es dürfte ziemlich lange zurückliegen –, dass man eine Situation vorfindet, in der viele eu­ropäische Bürger – in Österreich ja ganz stark, aber ich meine, auch weit über Öster­reich hinaus –, wenn man genau hinhört, bei gewissen Fragen nach einem starken Eu­ropa rufen. Das bedeutet umgekehrt: Würde man darauf reagieren, hätte man die Chan­ce, das Vertrauen in Europa zu stärken, was gesamthaft im globalen Wettbewerb wich­tig wäre.

Wann haben die Bürgerinnen und Bürger zuletzt so intensiv geäußert, dass sie sich zum Beispiel im Grenzschutz ein starkes Europa wünschen? Wann haben die Bürge­rinnen und Bürger zum letzten Mal so stark geäußert, dass sie sich mehr innere Si­cherheit wünschen, und zwar nicht nur vom Nationalstaat und von der Region, sondern von Europa? Sie formulieren es ja auch; das Problem ist, die Reaktion setzt zu wenig rasch ein.

Eigentlich könnte man aber aus dem Problem auch eine Chance machen und sagen: Wenn diese großen Fragen angegangen werden, so schwierig sie sind – die Asylfrage, Außengrenzschutz, innere Sicherheit, den Schengenraum letztlich doch wiederherzustel­len –, wäre die Chance eigentlich sehr intakt, dass Europa wieder an Boden und an Ver­trauen bei der Bevölkerung gewinnt. Macht man das nicht, ist es natürlich eine vertane Möglichkeit.

Die andere Frage ist, ob man sich in kleine Dinge einmischen muss. Wer das Weiß­buch und die Szenarien kennt, weiß, es gibt Bereiche, in denen es mehr EU braucht, und dazu muss man sich ja auch bekennen. Es gibt Bereiche, in denen wir mehr Euro­päische Union benötigen, und es gibt Bereiche, in denen wir durchaus weniger Euro­päische Union benötigen. Wenn eine Reform in diese Richtung geht, dann findet sie


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