BundesratStenographisches Protokoll872. Sitzung / Seite 42

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wirtschaften fast 25 Prozent, fast ein Viertel der Weltwirtschaftsleistung. Was aber ganz markant für Europa spricht: 50 Prozent aller Sozialleistungen werden in Europa ausbe­zahlt – 50 Prozent aller Sozialleistungen weltweit werden in Europa ausbezahlt! Das be­deutet, wir sind ein sehr sozialer Kontinent.

Wenn man dann noch einmal die verschiedenen Staaten innerhalb von Europa betrach­tet, dann erkennt man natürlich, dass gewisse Staaten – und da gehört Österreich da­zu – ein besonders dichtes soziales Netz geknüpft haben. Das ist richtig und das ist gut so! Das macht ja Europa auch so attraktiv. Wenn es Fluchtbewegungen gibt – und die gab es in den letzten Jahren zuhauf –, ist es dann aber so, dass jene Länder, die das beste Sozialsystem anbieten, natürlich als Zielländer ausgesucht werden, wenn es sich der Flüchtling aussuchen darf.

Europa ist eine Erfolgsgeschichte, es hat sich aber gezeigt, dass dann, wenn nicht nur die Sonne scheint, sondern auch dunkle Wolken aufziehen, die Europäische Union nicht gerüstet ist, um in einer krisenhaften Situation auch die richtigen Maßnahmen zu set­zen. Man hat gesehen, dass das, was wir gemeinsam erreicht haben, zum Beispiel der Schengenraum, die offenen Grenzen, dann nicht gewährleistet ist, wenn wir, die Euro­päische Union, es nicht schaffen, unsere Außengrenzen zu schützen und auch zu kon­trollieren.

Daher darf und muss der Brexit als echte Warnung gesehen werden, denn wenn die Bürgerinnen, wenn die Bürger das Gefühl haben, dass die Europäische Union für die großen Fragen, für die großen Probleme keine Lösungen anbietet, dann wird uns die Be­völkerung die Gefolgschaft versagen. Daher ist eine Trendwende einzuleiten, sie ist aus meiner Sicht auch eingeleitet; und da gibt es schon einige sehr zukunftsweisende Punk­te, die ich ganz kurz anführen möchte.

Im März gab es zum Beispiel eine gemeinsame Erklärung aller 27 Staats- und Regie­rungschefs über die Zukunft der Europäischen Union, und dabei wurden vier zentrale Ziele formuliert. Erstens: Europa muss sicher und geschützt sein. Zweitens: Europa muss wohlhabend sein und nachhaltig geführt werden. Drittens: Europa muss eine soziale Kom­ponente aufweisen. Viertens: Europa muss in Zukunft noch stärker auf der globalen Büh­ne auftreten.

Es gab auch weitere Vorschläge; der Kommissionspräsident hat eine Rede zur Lage der Europäischen Union gehalten, und auch der starke französische Präsident, der mit einem starken Votum der Bevölkerung ausgestattet wurde, hat erst Ende September eine Grundsatzrede gehalten und sogar von einer Neugründung eines souveränen, ein­es vereinten und demokratischen Europas gesprochen. Ich denke, von einer Neugrün­dung muss man vielleicht nicht sprechen, aber wovon wir ganz sicher sprechen müs­sen, ist, dass Europa einen Kurswechsel braucht: Europa muss sich auf die Kernkom­petenzen konzentrieren!

Was sind Kernkompetenzen der Gemeinschaft? – Außengrenzschutz, Klimaschutz, Ener­giepolitik, Handelspolitik. Wenn man sich auf Kernkompetenzen konzentriert, dann re­sultiert daraus Subsidiarität. All das, was nicht große Fragen sind, was nicht Europa lö­sen muss, delegieren wir an die Nationalstaaten oder an noch kleinere Einheiten, etwa die Regionen Europas. Das bedeutet, es stellt sich gar nicht die Frage, ob wir mehr oder weniger Europa brauchen, wir brauchen wohl beides: Wir brauchen in manchen Fra­gen – ich denke gerade auch an die Klimapolitik – ganz sicher mehr Europa, wir brauchen aber auch in vielen Fragen weniger Europa.

Der Herr Landeshauptmann von Vorarlberg hat die unsägliche Allergenverordnung be­reits angesprochen: Da brauchen wir Europa nicht. Diese Dinge können wir zu Hause im Nationalstaat oder beispielsweise auch in den Regionen besser regeln. Europa muss sich in manchen Bereichen auch zurücknehmen. (Bundesrat Pisec: ... Steuersenkung ...!)


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