BundesratStenographisches Protokoll872. Sitzung / Seite 44

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

dem Bundesrat gegenüber selten ein Statement abgegeben. Wenn Herr Gödl ein biss­chen etwas zum Außenminister und dessen Person gesagt hat, dann mache ich den letzten Satz: Der Kampf um österreichische Positionen in Europa – und bei dem, was Sie ausgedrückt haben, da sind wir nicht weit auseinander – bedarf aber auch einer ent­sprechenden Präsenz in den Sitzungen des Außenministerrats. Da gibt es ja auch eine Statistik, und wenn man die anschaut, kann man sagen, wenn man bei über 50 Prozent der Sitzungen nicht dabei ist, ist es auch schwierig, österreichische Positionen einzu­bringen (Bundesrat Stögmüller: Schwänzer!) – so weit nur zu der von Ihnen angezoge­nen Debatte, Herr Gödl! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Kommen wir zu der Aussage von Herrn Gödl, dass die Europäische Union den Bürgern Freiheiten geben muss: Wenn ich Ihre Publikationen lese, dann sehe ich da drinnen überall nur, dass den Konzernen Freiheiten zu geben seien, nämlich die Freiheiten, Ka­pital, Menschen und Leistungen zu verschieben und die Steuertricks in Europa mög­lichst auszunützen.

Ja, Sie haben es angesprochen: Die gute Nachricht kommt nicht aus London, die gute Nachricht kommt aus Luxemburg, denn die EU-Kommission verpflichtet Amazon, Steu­ern in der Höhe einer Viertelmilliarde Euro nachzuzahlen. Dieser Konzern, Amazon, hat in Europa nämlich 2,4 Milliarden € Gewinn gemacht und eine Viertelmilliarde Euro an Steuern von Luxemburg geschenkt bekommen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das geht nicht!

Es geht aber auch noch weiter, wenn wir zum Beispiel Apple anschauen: Apple hat in Europa sage und schreibe – zum Mitschreiben – 0,005 Prozent Steuern gezahlt; und jetzt bedarf es des Europäischen Gerichtshofes, dass Irland endlich 13 Milliarden € an Steu­ernachforderungen in Rechnung stellt. Dasselbe betrifft Starbucks.

Das bedeutet, wenn wir Europa und seine Probleme ernst nehmen, dann müssen wir vor allem Folgendes machen: Wir müssen eine Steuergerechtigkeit schaffen, wir müs­sen das beenden, denn kein einziger Arbeitnehmer und keine einzige Arbeitnehmerin hat die Chance, mit den Steuern zu tricksen, aber die großen internationalen Konzer­ne, die tricksen (Bundesrat Gödl: Das gehört abgeschafft!); und das geht letztlich zu­lasten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, denn es ist unser Vertrag, dass beide Seiten Steuern zahlen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Subsidiarität klingt in diesen Hallen immer gut, aber wir sagen: Wir brauchen auch ein Mehr an Europa, nämlich ein Mehr an Europa dort, wo die Entsenderichtlinie nicht funk­tioniert, wo es dann zu Lohndumping kommt, zu Sozialdumping, wo Menschen hin und her geschoben werden, um soziale Mindeststandards in einzelnen Mitgliedsländern aus­zunützen. Das gehört unterbunden, und da brauchen wir ein Mehr an Europa, damit es im Bereich des Lohns und des Sozialen nicht zu diesem Dumping kommt. Das haben wir auch schon im EU-Ausschuss im Bereich der Lkw-Fahrer und ‑Fahrerinnen disku­tiert.

Wo ich ganz anderer Meinung als der Herr Außenminister bin: Europa wird ohne das vierte Standbein niemals funktionieren. Ein Europa, das nicht auch ein soziales Europa ist, das nicht auch eine soziale Union ist, wird nicht funktionieren. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Und wenn wir von den großen Problemen in Europa sprechen, dann sage ich: Es gibt immer Krisen – Kollege Gödl hat viele davon erwähnt. Die Krisen kommen, die Krisen werden bewältigt, denn Europa ist ein starkes Europa mit einer starken Wirtschaftskraft (Bundesrätin Mühlwerth: Wie lange noch?) – na, keine Sorge! (Bundesrätin Mühl­werth: Na, das ist dahingesagt!) –, aber wir geraten in Gefahr, wenn junge Menschen den Glauben an Europa verlieren, weil sie keinen Job finden oder bei der Tätigkeit, die sie machen, nicht genügend verdienen, um leben zu können. Das gefährdet Europa!

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite