BundesratStenographisches Protokoll872. Sitzung / Seite 50

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auch über die Herausforderungen diskutieren dürfen, die uns auf europäischer Ebene alle betreffen; es ist auch für uns entscheidend, dass wir diese Herausforderungen ge­meinsam stemmen und erledigen.

Ich komme – wie vorhin schon von dem einen oder anderen von Ihnen erwähnt wur­de – direkt aus London. Ich habe Gespräche mit Außenminister Boris Johnson geführt, aber auch mit seinem Kabinettskollegen, dem Brexit-Hauptverantwortlichen, demjeni­gen, der die Verhandlungen führt, David Davis. Außerdem habe ich gestern auch mit dem Chefverhandler vonseiten der Europäischen Union gesprochen.

Die Situation, die wir derzeit erleben, ist eine relativ angespannte, weil die Brexit-Ver­handlungen gerade in einer entscheidenden Phase sind. Wir haben uns auf europäi­scher Ebene gemeinsam mit Großbritannien vorgenommen, dass wir mit 20. Oktober, mit dem Europäischen Rat, in die sogenannte zweite Phase kommen wollen, dass wir nicht nur darüber sprechen wollen, wie wir den Brexit abwickeln, sondern vor allem auch darüber sprechen wollen, wie das zukünftige Verhältnis zwischen Großbritannien und der Europäischen Union aussehen soll.

Das Problem ist, dass wir, um in diese zweite Phase einsteigen zu können, zunächst einmal einen Fortschritt in der Frage brauchen, wie wir das Verhältnis zwischen Groß­britannien und der Europäischen Union auflösen. Diesen Fortschritt gibt es noch nicht in ausreichendem Ausmaß. Ich hoffe, dass es gelingt, in der nächsten Verhandlungs­runde ab 9. Oktober diesen Fortschritt zu erzielen, denn das ist die Basis, um auch über die gemeinsame Zukunft sprechen zu können.

Ich habe eine sehr klare Vorstellung von dieser gemeinsamen Zukunft. Ich glaube, es ist in unser aller Interesse, dass wir ein gutes Miteinander finden, dass es keine Be­strafungsaktion gegenüber Großbritannien gibt, dass es aber gleichzeitig auch nicht so ist, dass man besser dasteht, wenn man nicht mehr in der Europäischen Union ist, als wenn man noch in der Europäischen Union ist, dass man also die Vorteile genießt, aber die Zahlungen zum Beispiel nicht mehr leisten muss. Das gilt es auszuverhandeln.

Dieses Ergebnis ist deshalb so wichtig, weil ja auch Österreich ein Interesse an einem guten Miteinander hat. Großbritannien ist einer der wichtigsten Wirtschaftsmärkte die­ser Welt – nicht nur in Europa, sondern der gesamten Welt. Großbritannien ist eine der wichtigsten Militärmächte in Europa, und Großbritannien ist auch politisch ein entschei­dender Player. Ich hoffe daher sehr, dass es gelingt, während unseres Ratsvorsitzes im zweiten Halbjahr 2018 diese Verhandlungen abzuschließen und auch ein geordnetes Verhältnis zu schaffen.

Bis zum 20. Oktober muss es gelingen, einerseits Klarheit für die EU-Bürger in Groß­britannien zu schaffen und andererseits auch Klarheit darüber zu schaffen, dass Groß­britannien finanzielle Verpflichtungen, die eingegangen wurden, natürlich weiter erfül­len muss. Es kann nicht sein, dass man finanzielle Verpflichtungen eingeht, die dann mit dem Austritt enden, und zahlen müssen es Nettozahler wie wir in Österreich. Inso­fern bleibt bis zum 20. Oktober noch viel zu tun, aber die Hoffnung, dass es gelingt, den nächsten Schritt zustande zu bringen und in Phase zwei überzugehen, lebt. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Parallel dazu sollten wir auf europäischer Ebene versuchen, nicht nur den Brexit ab­zuwickeln, sondern auch alles zu tun, um die Europäische Union so zu verändern und so zu reformieren, dass sie stärker und handlungsfähiger wird. Unser großes Ziel ist eine Fokussierung auf europäischer Ebene, das Prinzip der Subsidiarität, also eine Eu­ropäische Union, die sich mit den großen Fragen stärker beschäftigt, mehr Tiefe sucht und sich in kleinen Fragen ein Stück weit zurücknimmt.

Wenn das gelingt, dann sind wir in den großen Fragen handlungsfähiger – von der Mi­gration über den Außengrenzschutz bis hin zur gemeinsamen Währungspolitik – und


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