Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile es ihm.
12.24
Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf eingangs feststellen, dass uns der Herr Außenminister wieder verlassen hat. (Bundesrat Schennach: Ist schon da!) – Nein, er ist schon wieder da, wunderbar! Ich habe schon befürchtet, er schenkt uns nicht seine volle Aufmerksamkeit bei diesem Tagesordnungspunkt. Auch wenn es hierbei nicht um die großen Dinge der Außenpolitik geht, so ist es doch immerhin ein Staatsvertrag, der hier mit einem erhöhten Quorum beschlossen wird. So gesehen ist er es, glaube ich, doch wert, dass auch Sie, Herr Bundesminister, uns dankenswerterweise Ihre Aufmerksamkeit hier gönnen.
Bei dem hier in Rede stehenden Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ist unser Zugang nicht, dass uns das ganz gefällt. Zum einen – und das habe ich im Ausschuss auch schon dargelegt – beinhaltet es die Herabsetzung der Einspruchsfrist von bisher sechs auf vier Monate. Ich sage einmal, das stellt jetzt nicht die große Aushebelung der Bürgerrechte dar, aber dem vorliegenden Aktenrückstau beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte damit zu begegnen, dass man die Zugangsmöglichkeiten für Beschwerden von Bürgern zu minimieren versucht, das ist, glaube ich, rechtsstaatlich ein völlig falscher Ansatz. Wir stehen jeder Einschränkung von Bürgerrechten, sei sie auch nur geringfügig, höchst kritisch gegenüber, und ich denke, das ist auch im Sinne aller betroffenen Bürger generell abzulehnen.
Das Zweite, was wir in diesem Zusammenhang sehr kritisch sehen, ist, dass es sich bei diesem Zusatzprotokoll immerhin um einen Staatsvertrag handelt, einen Staatsvertrag, der mitunter eine sehr weitreichende Einflussnahme in unser bestehendes österreichisches Rechtssystem mit sich bringt, und wir haben eigentlich kaum eine Möglichkeit, wenn es einmal beschlossen ist, innerstaatlich etwas dagegen zu unternehmen. Das heißt, es wäre klug und richtig, wenn – und das ist eine Meinung, die wir generell hinsichtlich aller Staatsverträge vertreten – solche Verträge wie auch dieser vorab durch den Verfassungsgerichtshof geprüft würden, auf ihre Folgewirkung, auf ihre Auswirkung auf innerstaatliches Recht, aber auch auf mögliche Verbindlichkeiten, die sich daraus ergeben könnten. Das ist in diesem Fall einmal mehr nicht passiert.
Die dritte Sache, gegen die wir uns verwehren, ist der Umstand, dass wir wahrnehmen müssen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Vergangenheit zunehmend nicht nur auf rechtsstaatlicher Grundlage entschieden hat, sondern auch politisch gewertet hat, was ihm eigentlich nicht zusteht, denn er ist wie jeder Gerichtshof pragmatisch an seine Rechtsgrundlagen gebunden. Es sei jedem seine politische Meinung unbenommen, aber als Vertreter eines Gerichtshofes steht es einem einfach nicht zu – sowohl persönlich als auch als Kollegium –, politische Bewertungen in Rechtsentscheidungen mit einfließen zu lassen.
Deshalb – nicht nur aus den genannten rechtlichen Gründen, sondern auch, um hier einmal mehr auf diese Problematik der unangemessenen Rechtsentscheidungen durch politisches Werten aufmerksam zu machen, sehen wir uns gezwungen –, dieses Zusatzprotokoll abzulehnen. Wir hoffen, dass wir zumindest bei den nachfolgenden staatsvertraglich verpflichtenden, bindenden Verträgen aus den Organisationen der EU diese verfassungsmäßige Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof gewährleistet sehen, weil es, glaube ich, ein wichtiger, ein notwendiger Schritt ist, um nicht nur die rechtsstaatliche Entwicklung in Österreich im Griff behalten zu können, sondern auch Folgewirkungen, die zum Nachteil von Österreich daraus entstehen können, vorzeitig und auch wirkungsvoll hintanhalten zu können.
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