BundesratStenographisches Protokoll872. Sitzung / Seite 84

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile es ihm.

 


12.24.23

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Ich darf eingangs feststellen, dass uns der Herr Außenminister wieder verlassen hat. (Bundesrat Schennach: Ist schon da!) – Nein, er ist schon wie­der da, wunderbar! Ich habe schon befürchtet, er schenkt uns nicht seine volle Aufmerk­samkeit bei diesem Tagesordnungspunkt. Auch wenn es hierbei nicht um die großen Dinge der Außenpolitik geht, so ist es doch immerhin ein Staatsvertrag, der hier mit ei­nem erhöhten Quorum beschlossen wird. So gesehen ist er es, glaube ich, doch wert, dass auch Sie, Herr Bundesminister, uns dankenswerterweise Ihre Aufmerksamkeit hier gönnen.

Bei dem hier in Rede stehenden Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskon­vention ist unser Zugang nicht, dass uns das ganz gefällt. Zum einen – und das habe ich im Ausschuss auch schon dargelegt – beinhaltet es die Herabsetzung der Einspruchs­frist von bisher sechs auf vier Monate. Ich sage einmal, das stellt jetzt nicht die große Aus­hebelung der Bürgerrechte dar, aber dem vorliegenden Aktenrückstau beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte damit zu begegnen, dass man die Zugangsmöglichkei­ten für Beschwerden von Bürgern zu minimieren versucht, das ist, glaube ich, rechts­staatlich ein völlig falscher Ansatz. Wir stehen jeder Einschränkung von Bürgerrechten, sei sie auch nur geringfügig, höchst kritisch gegenüber, und ich denke, das ist auch im Sinne aller betroffenen Bürger generell abzulehnen.

Das Zweite, was wir in diesem Zusammenhang sehr kritisch sehen, ist, dass es sich bei diesem Zusatzprotokoll immerhin um einen Staatsvertrag handelt, einen Staatsver­trag, der mitunter eine sehr weitreichende Einflussnahme in unser bestehendes öster­reichisches Rechtssystem mit sich bringt, und wir haben eigentlich kaum eine Möglich­keit, wenn es einmal beschlossen ist, innerstaatlich etwas dagegen zu unternehmen. Das heißt, es wäre klug und richtig, wenn – und das ist eine Meinung, die wir generell hin­sichtlich aller Staatsverträge vertreten – solche Verträge wie auch dieser vorab durch den Verfassungsgerichtshof geprüft würden, auf ihre Folgewirkung, auf ihre Auswir­kung auf innerstaatliches Recht, aber auch auf mögliche Verbindlichkeiten, die sich da­raus ergeben könnten. Das ist in diesem Fall einmal mehr nicht passiert.

Die dritte Sache, gegen die wir uns verwehren, ist der Umstand, dass wir wahrnehmen müssen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Vergangenheit zu­nehmend nicht nur auf rechtsstaatlicher Grundlage entschieden hat, sondern auch poli­tisch gewertet hat, was ihm eigentlich nicht zusteht, denn er ist wie jeder Gerichtshof pragmatisch an seine Rechtsgrundlagen gebunden. Es sei jedem seine politische Mei­nung unbenommen, aber als Vertreter eines Gerichtshofes steht es einem einfach nicht zu – sowohl persönlich als auch als Kollegium –, politische Bewertungen in Rechtsent­scheidungen mit einfließen zu lassen.

Deshalb – nicht nur aus den genannten rechtlichen Gründen, sondern auch, um hier ein­mal mehr auf diese Problematik der unangemessenen Rechtsentscheidungen durch poli­tisches Werten aufmerksam zu machen, sehen wir uns gezwungen –, dieses Zusatzpro­tokoll abzulehnen. Wir hoffen, dass wir zumindest bei den nachfolgenden staatsvertrag­lich verpflichtenden, bindenden Verträgen aus den Organisationen der EU diese ver­fassungsmäßige Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof gewährleistet sehen, weil es, glaube ich, ein wichtiger, ein notwendiger Schritt ist, um nicht nur die rechtsstaatliche Ent­wicklung in Österreich im Griff behalten zu können, sondern auch Folgewirkungen, die zum Nachteil von Österreich daraus entstehen können, vorzeitig und auch wirkungsvoll hintanhalten zu können.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite