Was wir begrüßen, ist, dass es in Hinkunft möglich sein wird, Rechtssachen unabhängig vom Parteiwillen auch an die Große Kammer abzugeben. Was wir klar kritisieren, ist wiederum die Verkürzung der Beschwerdefrist um zwei Monate, weil es aus unserer Sicht den Zugang erschwert und auch negative Auswirkungen haben kann, wenn es um den Zugang zum Gericht geht.
Aber: Wir wissen, dass es Länder gibt – Ukraine, Polen, Türkei –, die wiederholt verurteilt werden, und wir wissen, dass die Maßnahmen, die in dieser Novelle enthalten sind, nicht zwangsläufig dazu beitragen, dass es mehr Effizienz gibt, sondern dass sich die Mitgliedstaaten auch an die Umsetzung halten müssten. Leider ist es so, dass auch Österreich mehrmals verurteilt worden ist, und zwar dann, wenn es um die Zuerkennung der gleichen Rechte und um den Minderheitenschutz ging. Ich möchte Ihnen dafür ein paar Beispiele nennen.
Erstes Beispiel: Im Jahr 2013 gab es ein historisches Urteil, da hat der Gerichtshof geurteilt, dass die Opfer der homophoben Sonderstrafgesetze rehabilitiert werden müssen und ihre Strafregistereintragungen gelöscht werden müssen.
Zweites Beispiel, ein weiteres Urteil, ebenfalls aus dem Jahr 2013: Da hat die Große Kammer geurteilt, dass das Verbot der Stiefkindadoption bei gleichgeschlechtlichen Paaren gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Mit dem Adoptionsrechts-Änderungsgesetz 2013 wurde dieses Urteil umgesetzt, und seit 1. August 2013 dürfen auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Stiefkinder adoptiert werden.
Zugleich wurden durch Begleitgesetze zahlreiche Diskriminierungen von Regenbogenfamilien beseitigt, und die Zahl der Ungleichbehandlungen zwischen der eingetragenen Partnerschaft und der Ehe sank damals schlagartig auf 40.
Seit 1. April 2017 dieses Jahres werden eingetragene Partnerschaften am Standesamt geschlossen – genauso wie Ehen! – und dürfen gleichgeschlechtliche Paare wieder einen Familiennamen tragen. Viele wissen es nicht, sieben Jahre lang hat man einen Nachnamen erhalten, wenn man sich eingetragen hat, und den Familiennamen verloren – eine sehr absurde Differenzierung, die 2010 mit dem EPG, Eingetragene Partnerschaft-Gesetz, eingeführt worden ist.
Nun wissen wir ja alle, dass sich Bundesminister Kurz vehement dagegen verwahrt, die Ehe für alle zu öffnen, und wir wissen auch, dass uns da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte leider nicht zu Hilfe kommen wird, wie er es bei den anderen Ungleichbehandlungen tat, weil Familienrecht nationale Angelegenheit ist, aber die Hoffnung stirbt zuletzt, und daher nutze ich diese Gelegenheit hier heute, ein weiteres Mal zu wiederholen, dass es in dieser Sache nicht nur um reine Symbolik geht. Es gab über 70 Ungleichbehandlungen, von denen viele vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beziehungsweise durch die Urteile aufgehoben wurden, aber es gibt nach wie vor 29 Ungleichbehandlungen, die sich konkret auf den Alltag der Betroffenen auswirken.
Ich nenne dafür nur ein paar Beispiele: Es geht dabei um Dinge wie das Ja-Wort. Es geht um die fehlende Anerkennung im Ausland. Es geht darum, dass Adoption erlaubt ist, aber die Kinder nicht ehelich sein dürfen; Österreich ist wirklich weltweit das einzige Land, in dem es diese Konstruktion gibt. Oder es geht auch darum, dass es unterschiedliche Formulare gibt. Das heißt, es kam da auch zu einem bürokratischen Mehraufwand, dessen Sinn sich einfach nicht erschließt. Und: Auch wenn sich jemand einträgt, heißt das nicht automatisch, dass man beispielsweise bei der Arbeitssuche jedem Arbeitgeber mitteilen möchte, ob man homosexuell oder heterosexuell ist. Das heißt, da gibt es noch viel zu tun, und da können wir uns leider nicht auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verlassen.
Abschließend möchte ich hier erneut an Sie appellieren: Geben Sie sich einen Ruck und sorgen wir dafür, dass auch diese 29 Ungleichbehandlungen und somit auch diese
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