BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 93

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Österreich gibt circa 0,65 Prozent des BIP für die Elementarbildung aus, im OECD-Durchschnitt sind es 0,93 Prozent. Schauen wir ein paar Jahrzehnte zurück: 1980 wa­ren wir bei den Ausgaben für die Kinderbetreuung auf dem sechsten Platz im interna­tionalen Ranking, 2008 waren wir nur mehr auf Platz 25 und ein paar Jahre danach auf Platz 13. Dieser Abstieg ist erfolgt, obwohl sich in Österreich seit 1980 die Ausgaben für die Kinderbetreuung mehr als verdoppelt haben. Der einfache Grund ist, dass in an­deren Ländern die Ausgaben einfach viel, viel stärker gestiegen sind – in Deutschland zum Beispiel um das Vierfache, in Frankreich um das Fünffache. Im internationalen Ver­gleich zeigt sich aber auch, dass dort mehr investiert wurde, wo die Kinderbetreuungs­einrichtungen auch als Bildungseinrichtungen eingeordnet sind, wo sie zum Beispiel in einem Bildungsministerium angesiedelt sind. Für mich sind Kinderbetreuungseinrich­tungen Bildungseinrichtungen wie Schulen – ohne Druck, ohne Stress bieten sie die Möglichkeit, Chancen zu entdecken, Talente zu fördern, und die Kinder können gemein­sam mit AlterskollegInnen eine schöne Entwicklung erleben.

Frau Bundesministerin! Wir können zu Recht stolz auf eine Steigerung der Betreuungs­quote der unter Dreijährigen sein, aber man muss schon auch dazusagen, dass in Ös­terreich noch 21 000 Plätze fehlen, um das Barcelona-Ziel zu erreichen, und dass diese 28 Prozent Betreuungsquote ein Durchschnittswert über ganz Österreich sind. Wenn man sich den Bundesländervergleich anschaut, dann schaut vieles gleich nicht mehr so rosig aus: Wenn Wien 44 Prozent Betreuungsquote schafft, wenn das Burgen­land 30 Prozent Betreuungsquote schafft, wenn Vorarlberg und Tirol zumindest 24 Pro­zent schaffen, dann, muss ich ganz ehrlich sagen, frage ich mich wirklich, wie es sein kann, dass Oberösterreich nur mickrige 15,4 Prozent schafft. Da muss man auch wie­der dazusagen: Linz liegt bei 62 Prozent, Linz Land bei 30 Prozent, aber in ganz, ganz vielen Bezirken im ländlichen Bereich liegen die Werte deutlich unter 10 Prozent.

Da frage ich mich: Ist das eine bewusste Verweigerung? Ist das eine ideologisch mo­tivierte Verweigerung der zuständigen Landesregierungsmitglieder in Oberösterreich? Das macht mich als betroffenen zweifachen Familienvater in Oberösterreich enorm zor­nig, denn Eltern haben es sich verdient, unabhängig vom politischen Willen einzelner Entscheidungsträger in der Gemeinde oder auf dem Land zu sein.

Ich kann Ihnen ein Beispiel aus einer Mühlviertler Gemeinde erzählen. Da wurden zehn Kinder unter drei Jahren für den Kindergarten angemeldet, sechs davon wurden abge­lehnt, weil es in dem Ort nur eine alterserweiterte Gruppe gibt. Das ist für die sechs betroffenen Familien schon ärgerlich genug, aber lassen Sie sich das Argument des ÖVP-Bürgermeisters auf der Zunge zergehen! Der hat gesagt: Diese sechs Mütter sind eh beim zweiten Kind daheim, die sind in Karenz, das ist kein Betreuungsbedarf, son­dern das ist ein Betreuungswunsch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich lasse mir von einem ÖVP-Bürgermeister nicht sa­gen, was Wunsch oder was Bedarf ist, sondern das sagen wir Eltern. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Längle.) Da spüre ich nichts von neuer Zeit oder Veränderung, das ist für mich ganz, ganz alte Politik. Es sprechen viele immer von der Wahlfreiheit. Wahlfreiheit ja, die Familien sollen entscheiden! Die Familien sollen ent­scheiden, wann sie ihr Kind in den Kindergarten geben, aber dann muss es auch wirk­lich in jeder Gemeinde die Möglichkeit dazu geben, und dafür brauchen wir den Rechts­anspruch auf Kinderbetreuung.

Das war jetzt eine Forderung für die Zukunft, aber auch in der Gegenwart graut mir schon von einigem, was da auf uns zukommt. Oberösterreich war 2009 Vorreiter mit dem Gratiskindergarten ab dem 30. Lebensmonat. Man hat sich damals auf Druck der SPÖ – interessanterweise drei Monate vor der Landtagswahl; das sei gesagt, weil heu­te zum Thema Wahlzuckerl schon einiges gesagt wurde – entschlossen, in Oberöster­reich den Gratiskindergarten einzuführen.

 


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