12.18.00

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Zu Beginn dieser Rede möchte ich mich recht herzlich bei dir für deine Präsidentschaft im letzten halben Jahr bedanken. Sie war nicht leicht, aber du hast das Beste daraus gemacht, das man machen kann – noch einmal herzlichen Dank und herzliche Gratulation zur Präsidentschaft! (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Ministerinnen! Sehr geehrte Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Zunächst möchte ich den neuen Regie­rungsmitgliedern zu ihrer Angelobung gratulieren. Gleichzeitig möchte ich Sie aber auch auf die immense Verantwortung hinweisen, die Sie nun gegenüber der Republik Österreich und gegenüber der österreichischen Bevölkerung tragen. Mit dieser Verant­wortung gilt es sorgsam und mit Respekt und Bedacht auf jeden einzelnen Bürger und auf jede einzelne Bürgerin umzugehen.

Sie haben vorgestern im Nationalrat Ihre Regierungserklärung abgegeben, welche dort thematisch breit gestreut diskutiert wurde. Heute im Bundesrat gilt es bei dieser Debatte, sich auf jene Themen zu fokussieren, die dem Bundesrat durch unsere Verfassung übertragen worden sind.

Da ich als Bundesrat ein Vertreter der Länder im Rahmen der Bundesgesetzgebung bin, ist es nur logisch, dass beim Studium des von Ihnen vorgelegten Regierungs­pro­gramms jene Punkte meine Aufmerksamkeit besonders auf sich gezogen haben, die die Interessen und die Zuständigkeit der Länder berühren, und davon finden sich dort in der Tat eine ganze Menge.

Ganz besonders ins Auge sticht mir hierbei die Tatsache, dass die Zuständigkeit für eine Staatsreform explizit in die Hände des nunmehrigen Innenministers gelegt wurde. Ich habe in den letzten Jahren viele Bemühungen verfolgen können, eine solche Staatsreform auf den Weg zu bringen, jede mit großen, wenn auch manchmal sehr unter­schiedlichen Zielen.

Als Vertreter der Länder und Gemeinden im Rahmen der Bundesgesetzgebung fällt dem Bundesrat bei derlei Diskussionen stets eine besondere Verantwortung zu. Eine Staatsreform, welche Form auch immer sie letztlich im Konkreten annimmt, muss auf dem verfassungsrechtlich verankerten Prinzip des föderalistischen Bundesstaates gebaut sein. Sie muss den Ausgleich zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden nicht nur suchen, sondern sie muss ihn auch herstellen.

Seien Sie sich, Herr Bundeskanzler und Herr Vizekanzler, dessen gewiss, dass wir diese unsere Verantwortung mit größter Gewissenhaftigkeit wahrnehmen werden und diese von Ihnen geplante Staatsreform nicht nur mit wachsamen Augen begleiten wer­den, sondern dass wir uns im Sinne unserer Funktion als Länderkammer auch überall dort aktiv miteinbringen werden, wo wir diesen Ausgleich zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden nicht gewährleistet sehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es liegt schließlich in unser aller Interesse, das Beste für die Menschen, die in unserer Republik leben, aus den gegebenen politischen Verhältnissen herauszuholen. In diesem Sinne dürfen Sie und die Mitglieder der Bundesregierung jederzeit mit unserer Teilnahme an demokratischen Prozessen und mit einer selbstbewussten Länderkam­mer rechnen.

Dem aufmerksamen Beobachter konnte nicht entgehen, dass sich während der Regie­rungserklärung von 14 obersten Organen, nämlich dem Bundeskanzler, dem Vize­kanzler und den zwölf Bundesministerinnen und -ministern, lediglich Sie, Herr Bundes­kanzler, und Sie, Herr Vizekanzler, zu Wort gemeldet haben. Es ist – und ich glaube, das ist allgemein verständlich – von allerhöchstem Interesse für uns, die Vorhaben der einzelnen Fachministerinnen und Fachminister im jeweiligen Ressort sowie deren Auswirkungen auf jedes einzelne der neun Bundesländer zu kennen.

Wir haben die Ministerinnen und Minister daher im Rahmen unseres Interpella­tions­rechts in insgesamt 126 Anfragen aufgefordert, ihre Arbeitsprogramme und die zu erwartenden Auswirkungen für jedes einzelne Bundesland jeweils darzulegen. Wir sind gespannt auf ihre Antworten. Und wir sind noch mehr gespannt auf ihre Taten. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, super!) Na sicher! (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja!) Meine Damen und Herren, daran werden wir Sie messen!

Im Gegensatz zum Herrn Vizekanzler habe ich mich auf jene Punkte konzentriert, die den Bundesrat betreffen, und bin nicht in den alten Jargon verfallen, aber ich denke, der Herr Vizekanzler wird es noch lernen, staatstragender zu sein. (Bundesrätin Mühlwerth: Er war eh staatstragend!) – Ja, die Rede hat manchmal so ein bisschen an Oppositionszeiten erinnert. (Bundesrätin Mühlwerth: Er war staatstragend!) Das andere sage ich nicht. (Bundesrätin Mühlwerth: Ah geh!)

Es sei mir eine weitere Bemerkung zum Inhalt Ihres Regierungsprogramms erlaubt: Neben der Wiedereinführung von Schulnoten, der Vereinheitlichung des Jugendschut­zes und der Einführung einer bundesweiten Herabsetzung der Höhe der Mindestsiche­rung finden sich im Programm noch viele weitere Punkte, in denen sich der neue Stil, obgleich er eher vom Geiste der Sechzigerjahre erfüllt scheint, nicht ohne die Mit­wirkung der Länder, der Gemeinden und des Bundesrates verwirklichen lässt.

Österreich ist eine demokratische Republik, die in neun Bundesländern organisiert ist – so gibt es unsere Bundesverfassung vor. Diese Bundesverfassung, Herr Bundes­kanzler und Herr Vizekanzler, überdauert politische Umbrüche, sie überdauert Perso­nalrochaden und Regierungsprogramme, sie ist letztlich der grundsätzliche Rahmen, in dem sich das staatspolitische Handeln wiederfinden muss. Sie wird auch Ihr Regie­rungsprogramm überdauern. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ja, so ist das.

Zum Schluss sei eines betont: Wir verstehen unsere Aufgabe als konstruktiv, und wir werden jede Einladung Ihrerseits, uns einzubringen und im Sinne der Menschen in unserem Land zu arbeiten, annehmen, denn es gilt, auf dem wirtschaftlichen Wohl­stand Österreichs, zu dem die letzte Regierung mit einer großen Steuerreform beige­tragen hat, aufzubauen. Und, Herr Strache, diese Steuerreform war auch groß, und die Menschen haben viel dabei bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind gespannt auf Ihre Steuerreform, die da kommen wird, und hoffen, dass daran alle Menschen in dieser Republik partizipieren können. Und verlassen Sie sich darauf, dass wir auf eine lebendige Zusammenarbeit setzen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.26

Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Fraktionsvorsitzender Martin Preineder. – Bitte, Herr Kollege.