9.57.17

Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Europaminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Bürgermeister einer Ge­meinde, die schon in den Achtzigerjahren die Ehrenfahne des Europarates in Straß­burg für europapolitische Bemühungen und internationale Partnerschaften bekommen hat, weiß nicht nur ich, dass Europa eine größere Dimension hat als die derzeitige Europäische Union. Es geht natürlich weit darüber hinaus.

Europa war aber schon einmal weiter, und wir haben heute im Rahmen der bisherigen Reden durchaus zwei diametral entgegengesetzte Meinungen gehört. Wir können da aus der Geschichte lernen, und es ist nicht notwendig, Fehler, die schon des Öfteren gemacht worden sind, zu wiederholen.

Europa war schon einmal weiter, denken wir an die Zeiten des Römischen Reiches zurück, damals natürlich unter imperialistischen Voraussetzungen, diktatorischen Vo­raussetzungen. Aber woran ist das Römische Reich gescheitert? – Nicht nur an der in­neren Dekadenz: Es ist im weströmischen Teil tausend Jahre früher gescheitert als im oströmischen Teil, weil es seine Außengrenzen nicht mehr schützen konnte, weil es die innere Sicherheit nicht mehr aufrechterhalten konnte. Daran ist „Europa“ geschei­tert! Man war damals schon sehr weit, man hatte eine einheitliche Staatsbürgerschaft – zugegebenermaßen nur für privilegierte Römer –, man hatte eine Währung, man hatte ein Militärsystem, ein Rechtssystem und vieles andere mehr, das wir uns heute – na­türlich auf demokratischer Basis – nur wünschen könnten.

Aber die Rahmenbedingungen können sich weltweit sehr rasch ändern, das haben wir in den letzten zehn Jahren erleben müssen, mit durchaus auch durchschlagenden Kon­sequenzen für die Europäische Union, für Europa.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind – und das wissen wir zwischenzeitlich alle, aufgrund ihrer Erfolge beim Schiefergasfracking, über die Umweltfreundlichkeit kann man diskutieren, liebe Kollegin Mag. Schreyer – nicht nur energieautark geworden, sondern sie sind jetzt sogar Energieexporteur! Und das hat unter anderem dazu geführt, dass sie sich weltweit zunehmend aus den erdölreichen Gebieten zurückgezogen haben. Das hat natürlich dort ein Vakuum hinterlassen, das hat zum Beispiel den Arabischen Frühling und viele andere Rahmenbedingungen gebracht.

Was waren die Auswirkungen? – Natürlich die Migrationsthemen, natürlich das Thema, dass die äußere Sicherheit und auch die innere Sicherheit Europas stark gelitten ha­ben! Da braucht man nicht Österreich zu strapazieren oder das, was in den letzten Tagen hier wieder passiert ist, sondern braucht nur nach Deutschland zu schauen, wo internationale und nationale Antiterrorismusexperten ganz klar sagen, dass dieser Weg höchst bedenklich ist!

Was passiert jetzt? – Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, was um uns he­rum passiert: Wenn der Brexit tatsächlich stattfindet, verliert die Europäische Union eine ihrer beiden atomaren Mächte! Das darf man auch nicht außer Acht lassen, was Abschreckung und anderes betrifft. Wenn man die Herausforderungen der Zukunft be­wältigen will, dann muss man sich, glaube ich, ganz im Sinne der Ausführungen unse­res EU-Ministers zuerst auf die wesentlichen Herausforderungen konzentrieren: Man muss Prioritäten setzen, man muss zuerst die äußere Sicherheit, dann die innere Si­cherheit herstellen. Und dann kann man vielleicht eines Tages auch einmal von einer Sozialunion träumen und auch von anderen Dingen, die sich aber in der Agenda realis­tischerweise erst in Jahrzehnten umsetzen lassen werden.

Wohin wird sich Europa entwickeln? Das wird eine der spannendsten Fragen der nächsten Jahrzehnte sein: Wird es ein Staatenbund werden? – Ich glaube eher nicht an Vereinigte Staaten von Europa. Wird es ein Europa der Regionen? – Speziell als Ti­roler und als Vertreter einer Region, nämlich von Osttirol, dem einzigen bei Österreich verbliebenen Teil Südtirols, kann ich sagen, dass unsere Zukunft natürlich im Europa der Regionen liegen wird. Wir müssen dabei aber wissen, dass derzeit weltweit nur et­wa 18 bis 20 Staaten ein föderales, klassisches Zweikammernsystem haben. Diese Unterschiede werden sich natürlich auch in Europa auswirken: Wir haben Zentralstaa­ten, wir haben föderale Staaten, und das muss man alles berücksichtigen!

Ich glaube, dass die EU-Präsidentschaft Österreichs schon seit vielen Jahren sehr gut vorbereitet wird. Wir haben Leute, bei denen Europa in den besten Händen ist. Ich darf an dieser Stelle nicht nur Alois Mock als ganz großen Europäer erwähnen. Karin Kneissl kommt ja aus seinem Kabinett. Wir haben mit Mag. Gernot Blümel einen tollen Europaminister! Österreich hat mit Sebastian Kurz für Europa in den letzten Jahren schon wesentlich mehr geleistet, als man das derzeit noch in der Lage ist, umfassend anzuerkennen, nicht nur mit der Schließung der Westbalkanroute, sondern auch mit vielen anderen Beiträgen, die sich erst in Zukunft noch sehr positiv bemerkbar machen werden! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ja, spannend, wie das alles so weitergehen wird: Ich glaube, wir werden diesen EU-Vorsitz sehr professionell abwickeln können, und ich würde daher die Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion und auch von den Grünen ersuchen, vielleicht doch etwas weniger romantische Vorstellungen und Detailverliebtheit ...

 

Präsident Reinhard Todt: Herr Bundesrat, Ihre Redezeit ist vorbei.

 

Bundesrat Dr. Andreas Köll (fortsetzend): Herr Präsident, wenn Sie mir noch kurz ein paar Worte zu meinem Abschied gestatten? Ich werde dann heute das Hohe Haus nicht mehr länger aufhalten.

Ich darf jetzt seit 18 Jahren einer gesetzgebenden Körperschaft angehören. Ich war zwölf Jahre Mitglied des Tiroler Landtages, fünf Jahre Mitglied des Bundesrates. Der Bundesrat ist für mich eines der am meisten unterschätzten Gremien der Republik. Er ist viel wertvoller und wichtiger, als man das vielleicht von außen beurteilen kann! Rich­tig erkennen kann man das, wenn man das Privileg hat, diesem selbst angehören zu dürfen. Er ist keine „Schnittstelle“, er ist die Verbindungsstelle zu den Ländern, zu den Gemeinden, er ist die klassische Europakammer – wenn ich hier Edgar Mayer als Vor­sitzenden des EU-Ausschusses anschauen darf. Ich habe in diesen fünf Jahren ge­lernt, dass der Bundesrat durchaus sehr viele Möglichkeiten hat und hätte, wenn er sie auch weiterhin so einsetzen darf: Wir haben hier die Chance, Materien vom National­rat, von den Landtagen und auch eigene Materien zu behandeln, und das ist eine sehr spannende Aufgabe, die nicht viele politisch tätige Menschen so ausführen können.

Mir wird nicht langweilig werden. Ich bin jetzt circa 30 Jahre Bürgermeister, ich werde weiterhin bei uns im Krankenhausverband als Obmann tätig sein, wir werden eine Fach­hochschule zum wichtigen Thema Pflege und Pflegeausbildung um etwa 30 Millio­nen Euro bauen. Ich werde dann vielleicht auch noch ein Seniorenstudium abschlie­ßen – Politikwissenschaft; da fehlt mir in der Theorie noch der zweite Abschnitt. (Bun­desrat Stögmüller: Lebenslanges Lernen!) Jetzt habe ich 30 Jahre Praxis absolviert, dieses Studium möchte ich vielleicht noch fertig machen. Ich werde dann meinen Kolle­ginnen und Kollegen darüber berichten! (Bundesrat Stögmüller: Bummelstudent!)

Was soll man in diesen historischen Räumen hier schon anderes sagen als: Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Allgemei­ner Beifall.)

10.04

Präsident Reinhard Todt: Auch Ihnen, Herr Bundesrat, alles Gute auf Ihrem weiteren Weg.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile dieses.