10.40.46

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsident! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich gleich ein­mal ein Danke für diesen gemeinsamen Bericht – das ist ein ausgezeichneter Be­richt! – und ein großes Danke an die Beamten, die daran mitgearbeitet haben, aus­sprechen. – Ich bitte um Applaus. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Novak.)

Meine Damen und Herren! Es ist ein ehrgeiziges und anspruchsvolles Programm, das sich unser Bundeskanzler und der Herr Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Me­dien Mag. Gernot Blümel im Rahmen des 18-Monatsprogramms des Rates für 2017/18 vorgenommen haben. Das sogenannte Trioprogramm – Herr Bundesminister Blümel hat es bereits erwähnt –, das die Zeit des Ratsvorsitzes von Estland, Bulgarien und Österreich umfasst, stellt den Rahmen für dieses Arbeitsprogramm dar, lässt aber auch viel Platz für österreichische Initiativen – es wird ein Schwerpunkt werden.

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundesminister Gernot Blümel ist für die gute Vor­bereitung der Zeit des österreichischen EU-Vorsitzes und für die mutigen Schritte, die gesetzt werden sollen, herzlich zu danken. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätIn­nen der FPÖ.)

Geschätzter Herr Mag. Lindner, ich schätze Sie wirklich sehr, Sie sind ein junger Bun­desrat, haben Zukunft in der SPÖ, aber ich weiß nicht, warum Sie heute so negativ ge­sprochen haben. Das ist bis jetzt überhaupt nicht Ihre Art gewesen, denn in anderen Gesprächen, die wir hier im Haus zum Thema EU geführt haben, haben Sie immer sehr positiv darüber gesprochen.

Frau Kollegin Grossmann schätze ich auch sehr, eine Steirerin, die heute das erste Mal da ist – wir kennen uns aus dem Landtag in Graz. Ich möchte Ihnen eines sagen – einer meiner Kollegen hinten hat gesagt, er geht gerne ins Burgtheater, in die Josef­stadt –: Das Reinhardt Seminar haben Sie nicht bestanden! Was Sie heute hier erklärt haben, war, keine Frage, nicht richtig. (Heiterkeit bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, es steckt nicht nur viel Arbeit in der Vorbereitung, es wartet noch mehr Arbeit für die konkrete Zeit des Vorsitzes. Österreich, meine Damen und Herren, hatte schon zwei Mal den EU-Ratsvorsitz inne – 1998 und 2006 – und konnte sich damals als guter Gastgeber, von dem wesentliche Initiativen ausgegangen sind, präsentieren. Es ist nur zu wünschen, dass die geplanten Initiativen Wirkung zeigen werden, denn in der Situation, in der sich die EU befindet, ist das sehr, sehr notwendig.

Beim Vorsitz 2018 geht es um wesentliche Weichenstellungen für die EU. Das gilt in Bezug auf die Stimmung und die Strukturen. Das zeigt auch dieses Arbeitsprogramm auf. Mit dem Brexit ergibt sich eine wesentliche strukturelle Veränderung, die auch Aus­wirkungen auf die Eröffnung von Beitrittsperspektiven für die Länder des Westbalkans haben wird. Soll die EU erweitert werden, wenn ein das Gesicht der EU bis jetzt stark bestimmendes Land austritt? Was sind die Gründe für den Austritt? Wie wird er vollzo­gen? Welche Auswirkungen hat das?

Diese und andere Fragen, meine Damen und Herren, stellen sich in aller Härte, sie warten auf eine klare Antwort, und auch während unseres EU-Ratsvorsitzes wird darü­ber gesprochen werden müssen.

Die darunterliegende Herausforderung betrifft die prinzipielle geistige Ausrichtung der EU. Es gilt, die Rolle der EU als größte Friedensinitiative in Europa zu stärken und nicht in nationalen Egoismen zu verdunkeln. Auch das ist im Programm enthalten.

Meine Damen und Herren, wir müssen Europa eine Seele geben! Das hat Kommis­sionspräsident Jacques Delors schon vor 30 Jahren gefordert. Eine vor allem auf Recht und Bürokratie gegründete EU könnte nur zu leicht den Rückhalt beim Volk verlieren, gab er zu bedenken. Wir sind heute zum Teil in einer Situation, in der dieser Rückhalt zu schwinden droht, da uns nicht mehr bewusst ist, was wir an der EU haben – auch dazu wird es einen Schwerpunkt im Vorsitz geben.

Das hat viele Ursachen: Es gibt Gruppenbildungen in der EU, die den Blick auf das Eigene richten, das Gemeinsame aber aus den Augen verlieren. Es gibt bürokratische Verengungen, die den Geist einschränken, es gibt Mangel an Solidarität mit den ande­ren EU-Ländern.

Meine Damen und Herren, die Migration spielt dabei eine ganz, ganz wichtige Rolle, das wurde heute schon vom Herrn Minister erwähnt. Das ist der Keil, der zwischen ein­zelne EU-Länder getrieben wird. Gerade deswegen ist es von Bedeutung, dass unser Bundeskanzler Sebastian Kurz die Fragen zu Asyl und Einwanderung in der Zeit des EU-Ratsvorsitzes thematisieren will und muss.

Zugleich gilt es aber auch, die Subsidiarität in der EU zu überdenken und in neue Struk­turen zu gießen. Im Namen der Subsidiarität muss dem europäischen Zentralismus das Europa der Regionen gegenübergestellt werden. In diese Richtung, meine Damen und Herren, gilt es, neue Akzente zu setzen, wie auch der vorliegende Bericht sehr deut­lich zeigt.

Der folgende Punkt spielt nicht nur in Bezug auf die Diskussionen über einen neuen Finanzrahmen der EU nach dem Brexit eine Rolle: Es ist wichtig, dem Prinzip der Spar­samkeit zu folgen. Dies ist die österreichische Position und sie ist auch im Arbeitspro­gramm enthalten. Dabei steht Sparsamkeit nicht als Wert für sich, sondern sie soll ein Anstoß dafür sein, darüber nachzudenken, welche Funktionen von den Zentralstellen wahrgenommen werden und wahrgenommen werden müssen, und welche Funktionen den einzelnen Staaten zur Erfüllung zurückgegeben werden sollen.

Meine Damen und Herren, es trifft sich meines Erachtens gut, dass gerade dem EU-Ratsvorsitz Österreichs die erste Expertise der Taskforce für Subsidiarität vorgelegt wird – das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Diese Taskforce wurde von Kommis­sionspräsidenten Jean-Claude Juncker letzten November unter dem Motto: Weniger, aber effizienteres Handeln, ins Leben gerufen, um Reformen zu erarbeiten. In der An­wendung von Subsidiarität und des Prinzips der Verhältnismäßigkeit können wesentli­che Schritte zu einer EU, die verstärkt auf die Menschen zugeht, liegen.

Gerade angesichts der Beitrittsperspektiven, die den Westbalkanländern eröffnet wer­den sollten, stellt sich die herausfordernde Frage nach der Zukunft der EU. Diese kann nicht nur in einer Erweiterung, sondern muss in einer entsprechenden Vertiefung lie­gen. Dabei darf Vertiefung nicht ein Mehr an zentralstaatlichen Einrichtungen bedeu­ten, sondern eine Stärkung der regionalen Kräfte. Diese Stärkung darf aber nicht in Eigenbrötelei, eine Haltung im Sinne von: Wir pfeifen auf Brüssel!, münden, sondern es bedarf einer neuen Zusammenarbeit zwischen den zentraleuropäischen Ländern, den Einrichtungen, den Regionen und den Staaten.

Eine solche Ausrichtung ist auch in Bezug auf institutionelle Fragen, die im zweiten Halbjahr 2018 auf uns zukommen werden, wichtig, etwa wenn es um die Frage der Sitzverteilung – das wurde heute angesprochen – im Europäischen Parlament in der Funktionsperiode bis 2024 geht. Der vorliegende Bericht spricht sich für eine Einspa­rung durch freiwerdende Sitze und damit für eine Verkleinerung des Europäischen Par­laments aus. Ich kann diesem Vorhaben nur zustimmen – danke, Herr Minister!

Würde das Missverhältnis bezüglich der Sitze im Europäischen Parlament in einer be­stimmten Form korrigiert, so könnte Österreich ein zusätzlicher Sitz zugesprochen wer­den, was für Österreich 19 Sitze bei der EU-Parlamentswahl 2019 bedeuten würde.

Meine Damen und Herren! Jedenfalls geht es um die Frage, wie Demokratie vertieft wird, sei es mit einem neuen Transparenzregister für Lobbyisten, auf das man sich un­ter dem bulgarischen EU-Ratsvorsitz einigen könnte und das im zweiten Halbjahr zur Anwendung kommen könnte, sei es mit dem sogenannten Demokratiepaket der EU, etwa mit dem ganz, ganz wichtigen Vorschlag auf Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre.

Ein ganz wichtiger Punkt betrifft den Bereich Kunst, Kultur und Medien, im dem man mit der Überarbeitung der Richtlinie in Bezug auf die audiovisuellen Mediendienste in der Endphase ist. Diese wird während der österreichischen Ratspräsidentschaft zum Abschluss gebracht werden. Österreich spricht sich zum Beispiel dafür aus – ich bin gleich fertig –, dass auch soziale Netzwerke insbesondere in Sachen Werbung und Ju­gendschutz unter die neue Richtlinie fallen. Das ist auch im Programm drinnen.

Meine Damen und Herren, dazu braucht es Geschlossenheit, aber auch Subsidiarität! Österreich hat dazu einen wichtigen Beitrag zu leisten. Ich danke Herrn Bundeskanzler Sebastian Kurz und Ihnen, Herr Bundesminister Mag. Gernot Blümel, dass Sie sich, wie der Bericht zeigt, dieser Herausforderung stellen. (Ruf bei der SPÖ: Schleim! Schleim! Schleim!) Ich wünsche Ihnen beiden und der ganzen Regierung – es ist eine schwierige Arbeit in den nächsten eineinhalb Jahren – die Kraft für die notwendige Umsetzung, und ich wünsche uns allen die Bereitschaft, dort mitzuwirken, wo wir alle unvertretbar mitwirken können – auch die SPÖ und die Grünen. – Ich danke Ihnen. (Bei­fall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

10.49

Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Heidelinde Reiter zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.