denn leben? Wollen wir in einem Europa der Zuversicht leben, in dem die Menschen und vor allem auch die jungen Menschen die Gewissheit haben, dass ihre Zukunft besser wird? Wollen wir in einem Europa leben, das den erarbeiteten Wohlstand und Fortschritt allen zukommen lässt? Oder wollen wir in einem Europa der Angst, der Abschottung, der Überwachung und der Aufrüstung leben, in einem Europa, in dem zum ersten Mal droht, dass es meiner und den nachfolgenden Generationen insgesamt schlechter gehen könnte als der Elterngeneration?
Herr Minister, für mich als jungen Politiker ist es erschreckend, dass Vertreter meiner Generation offensichtlich die falsche Variante wählen. Ich höre nämlich bisher nichts davon, wie wir EU-weit die hohe Arbeitslosigkeit und vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen können. Ich höre bisher zu wenig davon, wie wir aktiv gegen Steuervermeidung und Gewinnverschiebung vorgehen können. (Bundesrat Mayer: Das ist ein Schwerpunkt! – Bundesrätin Mühlwerth: Steht alles drin!) Ich höre bisher nichts davon, wie wir die soziale Säule, den sozialen Zusammenhalt stärken können. (Bundesrätin Mühlwerth: Vielleicht einmal lesen!)
Ein gescheiter Mann hat einmal gesagt: „Niemand verliebt sich in einen Binnenmarkt.“ Ich sage noch dazu: Niemand verliebt sich in einen Grenzschutz. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.)
Wenn wir gerade die jüngere Generation für die europäische Idee begeistern wollen, wenn wir die Zuversicht in eine bessere Zukunft stärken wollen, dann dürfen wir Europa nicht begrenzen, dann brauchen wir kein Schmalspureuropa, das den Konzernen und den Profiten dient, sondern wir müssen die EU stärken und inhaltlich ausbauen, damit sie den Menschen nützt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schreyer.)
Ja, die Vertrauenskrise in der EU ist so groß wie noch nie – und das teilweise auch zu Recht, denn zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg besteht die reale Gefahr, dass es der heutigen Jugend schlechter gehen kann als ihren Eltern. Europa kann es sich aber nicht leisten, die am besten ausgebildete Jugend zu verlieren oder ihre Zukunftsaussichten zu verbauen.
Wir haben seit der Wirtschafts- und Finanzkrise eine Erholung, aber sie ist bei Weitem nicht gleichmäßig verteilt, weder innerhalb der Gesellschaften noch zwischen den Regionen. Die Arbeitslosigkeit sinkt, aber sie ist nach wie vor auf einem hohen Niveau. Besonders die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 18 Prozent im Durchschnitt gefährlich hoch.
Für 80 Prozent der Europäer und Europäerinnen sind laut Eurobarometer drei Herausforderungen zentral: Arbeitslosigkeit, soziale Ungleichheiten und Migration.
Sie reden davon, dass es ein Europa braucht, das schützt. Wenn wir von Sicherheit reden, dann sollten wir eben nicht nur von Grenzschutz, Aufrüstung oder Überwachung sprechen, sondern müssen auch über soziale Sicherheit reden. Die Menschen haben einfach massive Zweifel, dass die EU ihr Versprechen, niemanden zurückzulassen und dafür zu sorgen, dass es jeder Generation besser geht, auch wirklich einlösen kann. Da sind wir am Scheideweg.
Im zweiten Halbjahr kommen eine Unmenge an Dossiers auf uns zu, die abzuschließen sind. Darüber hinaus hat eine Ratspräsidentschaft aber auch eine symbolische Wirkung. Sie zeigen mit Ihrer Schwerpunktsetzung: Soziale Herausforderungen sind Ihnen nicht so wichtig wie der Grenzschutz und der Kampf gegen illegale Migration. Gerade die Sozialpolitik ist aber ein österreichisches Erfolgsmodell. Das ist unsere Kernkompetenz, kommt aber aus meiner Sicht in Ihrem Programm bisher nicht vor.
Stichwort duales Ausbildungssystem: Es sind schon ganz viele europäische PolitikerInnen zu uns gekommen und haben auf unserer Expertise aufgebaut. Stichworte Jugendbeschäftigungsgarantie, die wir forcieren, und Bekämpfung der Jugendarbeitslo-
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