10.20.48

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mit dem Bericht beginne, Frau Ministerin, würde ich gerne etwas zu Ihrer einge­forderten Frauensolidarität sagen.

In meiner Fraktion, der sozialdemokratischen Fraktion, fühlen wir uns seit jeher vor allem mit jenen Frauen solidarisch verbunden, die von vornherein nicht mit Rahmen­bedingungen gesegnet sind, die ihnen viel Wahlfreiheit ermöglichen, sondern die jeden Tag damit zu kämpfen haben, das eigene Überleben und das ihrer Familie sicher­zustellen, und die oft nur eingeschränkte Möglichkeiten haben, auszuwählen. Genau mit diesen Frauen fühlen wir uns solidarisch, und genau für diese wollen wir diese Handlungsspielräume und diese Freiheit erkämpfen.

In diesem Sinne würde ich Sie auch bitten – vielleicht verstehen Sie es auch als Zeichen der Wertschätzung und der konstruktiven Kritik –, dass Sie sich mit uns gemeinsam dieser Gruppe besonders annehmen; wir haben ja durchaus auch mit konstruktiven Vorschlägen zur Erreichung oft ähnlicher Zielsetzungen beigetragen. Das wollte ich nur sagen, dass Sie das vielleicht auch als Form der Wertschätzung und der konstruktiven Kritik vonseiten der Opposition verstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wozu ich mich eigentlich zu Wort gemeldet habe, ist etwas anderes, und zwar der Bericht Ihres Ministeriums über das Arbeitsprogramm der EU-Kommission für das laufende Jahr, für 2018, und auch über das 18-Monatsprogramm des Rates für 2017 und 2018, das quasi drei Ratspräsidentschaften umfasst. Jene Estlands ist ja schon vorbei, Bulgarien hat jetzt gerade die Ratspräsidentschaft inne, und Österreich ist in Vorbereitung darauf: Wir starten am 1. Juli 2018 zum dritten Mal mit einer Ratspräsidentschaft. Das ist natürlich immer auch ein guter Anlass für einen Staat, für eine Regierung, sich zu positionieren, Akzente auf europäischer Ebene zu setzen, aber durchaus auch Impulse für das eigene Land, für den eigenen Staat zu setzen.

Der Titel dieses Arbeitsprogramms der Kommission, der ja vorgegeben ist, ist durch­aus vielversprechend: „Agenda für ein enger vereintes, stärkeres und demokra­tischeres Europa“. Es geht also um den Zusammenhalt von Europa, um ein geeintes Auftreten und auch – ich empfinde es so, auch selbstkritisch – um mehr Demokratie in unserer gemeinsamen Arbeit innerhalb der Europäischen Union. Es werden hier verschiedenste, sehr ambitionierte Prioritäten für das laufende Jahr genannt, es geht um Impulse für den Arbeitsmarkt, um einen vernetzten digitalen Binnenmarkt, um eine robuste Energieunion samt Klimaschutzpolitik, um eine neue Migrationspolitik, um demokratischen Wandel und so weiter – also durchaus große Themen, die uns hier bevorstehen und die verschiedenste Aktivitäten verlangen.

Was die Vorhaben der drei Ratspräsidentschaften betrifft und damit auch Österreichs, gibt es noch einmal speziellere Schwerpunktsetzungen. In diesem Bericht gibt es durch­aus sehr viele begrüßenswerte Überschriften. Zum Thema Frauen und Gleich­stellung haben wir ja jetzt schon einiges erfahren, aber der Fokus liegt auf Gender-Mainstreaming, auf der Stärkung der partnerschaftlichen Aufteilung von Haushalts- und Pflegetätigkeiten und so weiter. Das sind natürlich Themen, die auch meine Fraktion begrüßt, allein – und da setzt wieder unsere Kritik an – es fehlen uns die authen­tischen, engagierten, ambitionierten Maßnahmen zur Umsetzung in diesem Bericht, der relativ knapp ausgefallen ist.

Wenn ich hier zum Beispiel lese, dass es vor allem um einen Dialog über Geschlech­tergleichstellung geht, um die Stärkung des Diskurses über Geschlechtergleichstellung, dann werde ich als Frau mittlerweile ein bisschen ungeduldig (Bundesrätin Mühlwerth: Der Bericht ist aber noch von Rot-Schwarz erstellt!), weil ich denke, wir haben zu diesem Thema schon so viel Know-how, wir wissen, wie die Verhältnisse sind. Daher braucht es weniger einen Diskurs als vielmehr die Umsetzung von Maßnahmen. (Bundesrätin Mühlwerth: An dem Bericht war ja eure Regierung beteiligt! – Bundesrat Krusche: Das haben sie vergessen!) Mir fehlt in diesem Bericht ein bisschen die Auflistung dessen, was hier konkret geplant ist. Ein weiterer Diskurs erscheint mir hier eigentlich nicht mehr notwendig, wir müssen in die Umsetzung gehen. (Bundesrat Mayer: Der Bericht kommt von der alten Regierung! – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist das mit der partiellen Amnesie!)

Auch im Bereich Jugend gibt es viele Themen, die wichtig sind: Jugendbeschäftigung, Ausbildung bis 18, No Hate Speech, Erasmus+; dieses EU-Programm wird wahr­scheinlich unter unserer Präsidentschaft neu abgeschlossen werden und damit in eine nächste Periode geschickt, das ist eine tolle Chance auch für uns. Es sind teilweise auch Maßnahmen schon aus vorigen Regierungsperioden darin enthalten. (Bundes­rätin Mühlwerth: Da war aber die SPÖ nicht dabei, oder?) Aber spannend wird es, wenn wir lesen, welche österreichische Positionierung zu diesen Punkten vorgenom­men wird, denn da geht es dann um Migration und Sicherheit, um Außengrenzschutz, um Cybersicherheit, um den Westbalkan. Dann bekommen diese Themen plötzlich eine ganz neue Ausrichtung und eine andere Wendung.

Wenn ich beispielsweise lese, was erfreulich ist, dass Ratsschlussfolgerungen zur Rolle der Jugendarbeit im Kontext von Migration und Flucht erarbeitet werden sollen, dann bin ich schon sehr neugierig darauf. Ich denke aber, es geht hier weniger um dieses Abschotten, um den Grenzschutz, sondern im Bereich Jugend, Familie und Frauen geht es vor allem auch um Integrationsbemühungen.

Das ist aber etwas, was in diesem Bericht so gut wie gar nicht vorkommt, nämlich das Thema Integration. Es ist in diesem Bericht fast gar nicht die Rede vom Thema Bildung, wobei Bildung eigentlich der Schlüssel ist, wenn es um mehr Demokratie geht, und Demokratisierung ist ja eines der Ziele. Es kommt auch nie das Thema der sozialen Sicherheit vor, obwohl das die Grundlage für ein friedliches Miteinander ist, auch für die Stärkung der Frauenrechte und so weiter. Also diese Themen fehlen mir in diesem Bericht, die habe ich nicht gefunden.

Jetzt kann ich es mir eigentlich nicht verkneifen zu sagen, gerade wenn ich in Er­wartung dieser Vorschläge zur Jugendbeschäftigung und zum Thema Migration bin: Ich kann es mir fast nicht vorstellen, dass ein Verbot des Kopftuch-Tragens für junge Mädchen eine der wichtigsten Maßnahmen sein soll, weil wir wissen, dass Verbote in diesem Bereich relativ wenige Probleme lösen. Man muss dieses Thema differenzierter angehen; eine Symbolpolitik, die bei Kindern ansetzt, wird dieses große Thema nicht einer Lösung zuführen. (Bundesrat Mayer: Was hast du für einen Bericht?)

Zum Schluss will ich Ihnen noch ein paar Fragen mit auf den Weg geben, weil beim vorgestern stattgefundenen Ausschuss, wo ich gerne noch einige Fragen gestellt hätte, leider keine VertreterInnen des Ministeriums anwesend waren. Beispielsweise hätte uns interessiert, was sich hinter der Aussage: Es ist „ein Bündel an Maßnahmen“ zur Verringerung des Lohngefälles geplant, verbirgt. Welche Maßnahmen werden das konkret sein? Uns hätte auch interessiert – es soll der Europäische Freiwilligendienst in ein Europäisches Solidaritätskorps umgewandelt werden –: Was ist der Grund dafür, was ist die Zielsetzung dieser neuen Form, warum verzögert sich hier die Implemen­tierung? Das hätte uns interessiert. Und eine dritte Frage: Was sind die österreichi­schen Erfahrungen mit der Methode des Strukturierten Dialogs?, denn auf die wird sehr stark gesetzt. Hier hätten mich eine Evaluierung und eine Vorausschau interes­siert.

Zusammengefasst: Die genannten Vorschläge und Vorhaben der EU sind allesamt begrüßenswert. Wir können uns aber nicht des Eindrucks erwehren, dass die öster­reichische Regierung hier mehr das Pflichtprogramm erfüllt, als sehr innovativ und begeistert die Dinge voranzutreiben. Wir finden das schade, weil so eine Präsident­schaft ein großes inhaltliches Potenzial hat.

Wir werden deshalb diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Reiter. – Bundesrätin Mühlwerth: Seit einem Jahr ist das vorbereitet, das war eure Regierung, meine Liebe!)

10.29

Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdi­nand Tiefnig. Ich erteile ihm dieses.