15.02.03

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Lieber Gregor Hammerl, ich teile deine Meinung, dass das ein guter Bericht ist. Vielleicht kann man das gleich als Empfehlung an Frau Ministerin Köstinger weitergeben, wie ein Bericht an den Bundesrat auszusehen hat. Man kann ihn durchaus als Lehrbeispiel nehmen, dann ist auch die Diskussion nicht so ver­wunderlich.

Dieser Bericht enthält natürlich auch Dinge, für welche Frau Bundesministerin Kneissl nicht zuständig ist, zum Beispiel im Bereich der gesamten Energie- und Klimapolitik. Aber im Unterschied zu dem Bericht, den wir vorher hatten, wird darin ganz klarge­macht, lieber Freund Hammerl, dass zum Beispiel die Land- und Waldnutzung in die Klima- und Energiepolitik miteinzubeziehen ist und sein wird – auch die Lastenver­teilungsverordnung sagt das – und dass es zu einer völligen Änderung des Emissions­handels kommt. Das sind alles Dinge, die die EU in diesem Bereich vornimmt. Es wird nicht ganz in der Hand der Ministerin liegen, aber das ist wichtig.

Es zeigt natürlich, dass der Kitt der Koalition ein Stichwort hat, das Subsidiarität heißt. Deshalb wird es gleich an die zweite Stelle des Berichtes geschoben. Also ich bezweifle den Satz, dass die Subsidiarität das „Kernelement“ der Zukunft Europas ist. Das ist ja hanebüchen. (Bundesrat Raml: Das ist aber ein Grundprinzip! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Nein, ein Kernelement! (Bundesrat Mayer: Kern-Element, ein kausaler Zusammenhang!) Für mich gibt es verschiedene wichtige Dinge, Dinge, die wesentlich wichtiger sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie ist aber trotzdem nicht so schlecht, nicht unwichtig!) Aber die Subsidiarität der Prüfungen und der Verhältnismäßigkeit, die wir machen, ist etwas anderes als das, was hier in diesem Bericht gemeint ist, lieber Edgar Mayer. Das weißt du auch. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Die Subsidiaritätsprüfungen, die die nationalen Parlamente durchführen – ein ganz wichtiger Schritt der Demokratisierung der EU durch den Lissaboner Vertrag, den so manche verteufelt haben – sind etwas anderes, als das, was hier gemeint ist. – Aber lassen wir das!

Es gibt etwas, das natürlich Freude bereitet. In der vorherigen Ratspräsidentschaft Österreichs hatten wir den Lateinamerikagipfel. Das war etwas ganz Neues für die Europäische Union. Portugal hat den lusophonen Gipfel gehabt, und jetzt fällt der Asem-Gipfel in unsere Präsidentschaft, also der Gipfel mit Asien. Asien ist einer der dynamischsten Kontinente schlechthin. Dieser Bericht bereitet auf die Ratspräsident­schaft auch vor.

Interessant und wichtig ist – und das steht jetzt auch einmal in dem Bericht – ein Thema, bei dem wir auch Karten haben: die Erweiterung am Westbalkan. Erstens brauchen die Staaten des Westbalkans eine Perspektive, und zweitens brauchen auch wir mit unseren Stabilitätsmaßnahmen am Balkan entsprechende Perspektiven.

Zur Türkei: Die Türkei hat den Boden der Rechtsstaatlichkeit und auch den Boden einer normalen parlamentarischen Demokratie längst verlassen. Auf dieser Ebene kann die Türkei nicht Mitglied einer Gemeinschaft demokratischer Staaten sein, das ist klar. Allerdings wird es für die Europäische Union aufgrund dessen, dass Millionen Staatsbürger und -bürgerinnen der Türkei in Europa als Europäer oder in der Migration in Europa leben, immer ein besonderes Verhältnis zur Türkei geben müssen.

Aber in der demokratischen Verfassung, in der sich die Türkei derzeit präsentiert, ist es tatsächlich zu überlegen – wie auch der Europäische Rechnungshof sagt –, ob hier nicht einige Milliarden als Stranded Investments anzusehen sind, weil sie ja eigentlich Investments in Richtung mehr Rechtsstaatlichkeit sein sollten.

Ein bisschen, Frau Mühlwerth, kann sich die Bedeutung vielleicht auch in der geringen Darstellung der Donauraumstrategie ausdrücken. Sie ist etwas, das wir vonseiten des Bundesrates immer ganz stark getragen haben. In diesem Bericht an uns ist die Donauraumstrategie geradezu lediglich eine Fußnote. Liebe Monika Mühlwerth, viel­leicht kannst du mit deiner Ministerin reden und ihr sagen, dass die Donauraum­strategie für uns etwas sehr Wichtiges ist.

Wichtig sind auch die beiden sehr ausführlichen Kapitel über die Nachbarschaftspolitik der EU – die südliche Dimension, die östliche Dimension. Alles geht auf Romano Prodi zurück. Es kann nicht an den Grenzen der EU einen Bruch geben, ein Wohlstands­gefälle oder was auch immer. Dadurch hat man in der südlichen Nachbarschafts­politik – ich war selbst dort acht Jahre im Vorsitz – auch ein parlamentarisches Gremium. Man hat eine Art Kommission und Aktionspläne geschaffen. Was schmerz­lich ist, das haben Vorredner gesagt: Die Rücknahmeverfahren funktionieren mit ein, zwei Staaten so gut wie überhaupt nicht, denn anders als in unserer Verfassung, nach der jeder Österreicher oder jede Österreicherin, die im Ausland eines Verbrechens schuldig ist, nach Österreich auf jeden Fall zurückkehren kann, dürfen in bestimmten Ländern Staatsbürger oder Staatsbürgerinnen, die im Ausland ein Verbrechen begangen haben, nicht mehr in die Heimat zurück. Das muss geändert werden.

Bei der östlichen Partnerschaft ist der EU – wie soll ich sagen? – die wirtschaftliche Sucht durchgegangen, nämlich nur den Wirtschaftsraum zu sehen, in diesem Fall die fossile Energie. Dadurch sind wir jetzt in eine Reihe von Komplikationen gestürzt – ich sage nur: Ukraine –, und es ist auch so, dass man Länder wie das kleine, arme Moldawien zu einer Haltung zwingt, die lautet: Entweder bist du für uns oder gegen uns! Warum können diese Länder, die eine lange Tradition auch im Handel mit Russland haben, nicht mit beiden Handel betreiben? Warum muss man einem armen Land sagen, du darfst nicht mit Russland, du darfst nur mit uns Handel treiben? So etwas ist Unfug. Serbien zeigt, dass man mit beiden Blöcken Handel treiben kann. Das ist irgendwie ganz normal.

Kommen wir noch ganz kurz zu folgendem Thema: Der Bericht greift auf, dass eine der größten Bedrohungen, die wir haben – ich sage jetzt nur Facebook-Affäre –, die Cyber­sicherheit, die Datensicherheit ist. Das ist das neue Gold, aber es ist auch der neue kriminelle Handel. Auch dazu finden sich im Bericht Vorhaben, die alle richtig sind.

Worüber ich mich ein bisschen wundere, ist, dass die Integration – es ist ja immerhin Europa und Integration – nur dürftige eineinhalb Seiten einnimmt. Vielleicht zur Erin­nerung, dass die EU ja einige Maßnahmen in Österreich zur Verfestigung der Migration finanziert: Da kommen über den Amif allein 64,5 Millionen Euro jährlich nach Österreich, und zur Starthilfe für Flüchtlinge sind es weitere 6,5 Millionen Euro, die Österreich aus EU-Mitteln erhält. Das ist alles korrekt dargestellt.

Zum Wunsch, der ebenfalls drinnen steht, dass die Europäische Union Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention wird: Das diskutieren wir schon seit vier Jahren, ich glaube, das wird auch unter österreichischer Präsidentschaft nicht pas­sieren, weil sie sich dann dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof unterwerfen müsste. Damit hat die EU Probleme, obwohl alle EU-Staaten Mitglied in Straßburg sind. Ich denke aber, dass die Istanbul-Konvention, die heute schon sehr unterstrichen wurde, zu schaffen ist. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Die Außenpolitik kommt in diesem Bericht auch vor. Ich möchte nur erinnern: 16 Mis­sionen laufen derzeit in der Welt, Österreich ist an sieben davon beteiligt. Die größte Beteiligung ist nach wie vor historisch in Bosnien, das ist richtig, das ist gut. Insgesamt ist die EU mit 5 800 Personen – das sind Truppen, Polizei, Expertinnen und Experten – an solchen Projekten beteiligt. Das geht von der Bekämpfung des Schleppens über das Mittelmeer bis zur Sicherung in Bosnien, Kosovo, Georgien, Libyen, Mali, Paläs­tina, Sahel, Somalia und so weiter und so fort. Österreich ist auch in der Ukraine tätig. Wo wir nicht tätig sind, ist in den anderen Bereichen, die hier fehlen, aber das gehört in den Außenpolitischen Bericht.

Zum Schluss kommend: Wir werden den beiden Entschließungsanträgen, die hier vorgelegt werden, zustimmen, wobei ich der Regierung sage: Ihr habt ein bisschen mehr Möglichkeiten und Mittel, schneller zu arbeiten, denn dieser Entschließungs­antrag ist vom 28. Februar. Bei euch kommt im vierten Absatz noch vor, dass die Kämpfe andauern. Mittlerweile ist Afrin erobert – das möchte ich schon sagen –, und wir wissen, wie viele Menschen gestorben sind. Es dauern noch Kämpfe an, aber Afrin ist schon erobert und das schon seit einigen Wochen. Aber wir sind nicht so und stimmen beiden Entschließungsanträgen zu, nur: Alte Hüte sind nicht so gut. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.12

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich darf auf der Galerie ganz herzlich eine Besuchergruppe aus der Gemeinde Dobl-Zwaring begrüßen, begleitet von unserem ehemaligen Vizepräsidenten und jetzigen Nationalratsabgeordneten Ernst Gödl. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich erteile es ihm.