20.00.38

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates! Diese Bundesregierung ist nun seit etwas mehr als 100 Tagen im Amt, ganz im Sinne des Regierungsprogrammes „Zusammen. Für unser Österreich.“ Auch wenn mir einiges in meiner täglichen Arbeit als Staatssekretärin bereits zur Routine geworden ist, feiere ich heute sozusagen eine Premiere: Ich bin zum ersten Mal bei Ihnen im Bundesrat und ich freue mich sehr darüber. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ganz besonders freue ich mich aber über die aktuelle Debatte zu Sicherheitsthemen, denn Sicherheit ist ein ganz zentrales Anliegen der Menschen. Auch ich habe von Anfang an, als ich diese Funktion übernommen habe, gesagt, dass es mir ein Anliegen ist, den Umstand, dass wir in einem der sichersten und auch schönsten Länder dieser Welt leben, für uns und für die Generationen nach uns zu erhalten. Es geht darum, die Sicherheit, den sozialen Frieden und den Wohlstand in diesem Land langfristig zu erhalten.

Heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, würde ich fast sagen, ist ein Tag der Sicherheit. Wir haben es schon gehört: Auch der Innenausschuss und der Justizaus­schuss haben sich mit dem Sicherheitspaket beschäftigt. Wenn wir dazu schon Superlative gehört haben, dann würde ich hier gerne einen weiteren Superlativ anhän­gen, und zwar einen, den ich für richtig halte: Das ist eines der am besten begut­achteten Pakete, die wir überhaupt in letzter Zeit hatten. Ich blicke immerhin auf fünf Jahre Tätigkeit im Justizministerium und viele Gesetzesvorlagen zurück. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie wissen, dass ich in meinem – wenn Sie wo wollen – früheren Leben Strafrichterin war. Als Strafrichterin ist man der materiellen Wahrheitsfindung verpflichtet. Ich kann nun der Versuchung nicht widerstehen, etwas richtigzustellen, weil hier ja schon eine Debatte entbrannt ist. Richtig ist, dass man sich auch beim Sicherheitspaket auf eine Ausschussbegutachtung und auf ein Hearing geeinigt hatte. Der Umstand, dass dann plötzlich die Opposition gefordert hat, dass dieses Hearing öffentlich sein solle, ist neu gewesen. Ich kann Ihnen sagen, dass es sehr bedauerlich ist, dass kein Hearing im Innenausschuss stattgefunden hat. Die Regierung bedauert das, denn es wäre die Chance gewesen – auch für die Abgeordneten –, hier auf einer breiten Basis mit Exper­ten zu diskutieren. Dass das Hearing öffentlich sein sollte, war eine spätere Forderung. Sie wissen ganz genau, dass das eine Ausnahmebestimmung in der Geschäftsordnung ist. Ich darf auch daran erinnern, dass im Jahr 2015 unter Justiz­sprecher Jarolim die StPO auch nicht öffentlich in einem Hearing begutachtet wurde und kein öffentliches Hearing im Ausschuss stattgefunden hat, sondern dass dieses eben, wie es die Geschäftsordnung auch vorsieht, nicht öffentlich war. (Bundesrätin Mühlwerth: Schau, schau!)

Lassen Sie mich aber jetzt zum Sicherheitsbericht 2016 kommen! Der Sicherheits­bericht ist ein strategischer Leistungsbericht des Bundesministeriums für Inneres. Er ist ein Tätigkeitsbericht der rund 33 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die tagtäglich für die Sicherheit in diesem Land sorgen. Ich möchte auch von dieser Stelle aus allen Polizistinnen und Polizisten und Beamtinnen und Beamten dafür Danke sagen, dass sie täglich das Risiko auf sich nehmen und auch in unvorhersehbare Situationen hineingehen, um für uns die Sicherheit in diesem Land aufrechtzuerhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Es ist auch richtig, dass wir in der Zwischenzeit die Daten der Kriminalstatistik aus dem Jahr 2017 vorliegen haben. Deshalb darf ich – auch wenn es von einigen schon ange­klungen ist – in meinen Ausführungen zu ein paar wenigen Zahlen auch die Zahlen aus dem Jahr 2017 reflektieren. Im Jahr 2016 hatten wir einen Anstieg bei den Anzeigen von ungefähr 3,8 Prozent zu verzeichnen. Die Gesamtzahl mit 537 792 ist wohl beein­druckend. Richtig ist, dass im Jahr 2017 die Zahl der Anzeigen leicht zurückging, um 5,1 Prozent nämlich, aber es sind immer noch über 510 000 Anzeigen, die hier zu Buche schlagen. Die Aufklärungsquote war mit 45,9 Prozent im Jahr 2016 so hoch wie überhaupt noch nie und ist im Jahr 2017 laut Kriminalstatistikdaten noch gestiegen, und zwar auf über 50 Prozent, was ein weiteres Plus von 4,2 Prozent bedeutet.

Die Herausforderungen im Jahr 2016 für die Sicherheitsbehörden sind auch klar. Sie lagen vor allem darin, die Auswirkungen der Migrationsbewegung zu bewältigen, damit umzugehen. Ein klarer Fokus lag auch darauf, das Vertrauen der Bevölkerung in den Sicherheitsapparat weiter zu stärken. Ich darf in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass die Initiative Gemeinsam sicher im Sicherheitspaket des Innenminis­teriums heute eine gesetzliche Grundlage durch die Beschlussfassung im Innenaus­schuss bekommen hat, denn sie ist weiterentwickelt worden und es werden jetzt Sicherheitsforen eingeführt, in denen auf regionaler Ebene die Probleme ange­sprochen, diskutiert und auch gelöst werden sollen. Ich halte das für eine ganz wesent­liche Sache, die in diesem Sicherheitspaket drinnen ist, und ich möchte das auch hervorheben.

Zu den Big Five möchte ich nur ganz kurz kommen, weil einiges schon gesagt wurde. Richtig ist, dass es einen Rückgang bei Wohnraumeinbrüchen und auch bei Kfz-Diebstählen gibt, und zwar im zweistelligen Bereich. Wohnraumeinbrüche gingen im Jahr 2016 um 16,4 Prozent zurück. Das setzt sich fort: Wir haben da ein weiteres Minus von 9 Prozent im Jahr 2017zu verzeichnen. Auch bei den Kfz-Diebstählen gab es einen Rückgang um 10 Prozent im Jahr 2016 und im Jahr 2017 einen weiteren Rückgang um 11,2 Prozent.

Allerdings muss man auch darauf hinweisen, dass bei den Gewaltdelikten im Jahr 2016 ein Anstieg zu verzeichnen war, und zwar um fast 7 Prozent. Auch wenn 2017 ein Rückgang von 2,4 Prozent zu verzeichnen ist, dann ist das aus meiner Sicht kein Grund, sich zurückzulehnen und auch nicht, sich zu freuen, denn jedes einzelne Gewaltdelikt ist eines zu viel. Bei den Delikten gegen die sexuelle Integrität und die Selbstbestimmung haben wir ein Plus von 15 Prozent zu verzeichnen. Jetzt mögen einige sagen: Ja, das ist auf die Änderungen im Gesetz zurückzuführen, die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 eingeführt wurden – in Geltung seit 1.1.2016. Das war also das erste Jahr, nachdem der Straftatbestand der sexuellen Belästigung aus­geweitet wurde und das hat hier zu einem Plus geführt. Ich kann Ihnen aber sagen: Auch im Jahr 2017 haben wir – wenn auch einen leichteren, aber doch – einen Anstieg von ungefähr 1 Prozent bei Gewaltverbrechen gegen die sexuelle Integrität zu ver­zeich­nen.

Ein ganz wichtiger Teil, auf den auch ein Augenmerk zu legen sein wird, ist der Anstieg bei Cybercrime, sowohl im Jahr 2016 um über 30 Prozent, als auch im Jahr 2017 um 28,3 Prozent. Ähnliches – wenn auch mit niedrigeren Zahlen – ist bei der Wirtschafts­kriminalität zu verzeichnen. Hier ist ein Anstieg von 10,9 Prozent im Jahr 2016 und ein weiterer von 2,6 Prozent laut Kriminalstatistik 2017 zu verzeichnen.

Nun, das sind alles Dinge, bei denen es noch weiterzuarbeiten gilt, um noch bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Sicherheitsbericht ist aber auch eine Leistungs­bilanz der Justiz und ich darf hier heute auch in Vertretung des Herrn Bun­desminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz ein paar Worte darüber verlieren.

Im Jahr 2016 wurden von der Justiz 263 260 Verfahren justiziell enderledigt. In über 170 000 Verfahren kam es zu einer Einstellung, in knapp 40 000 Verfahren zu einer Diversion, in über 31 000 – also fast 32 000 – Verfahren zu Verurteilungen und rund 10 200 Verfahren wurden mit einem Freispruch beendet. Der Rest, der sich hier ergibt, entfällt auf abgebrochene Verfahren.

Weiterhin können wir einen Tiefstand bei der Verfahrensdauer in Strafsachen verzeich­nen, und zwar für landesgerichtliche Verfahren. Ja, aber es ist richtig: Bei Großver­fahren muss die Verfahrensdauer kürzer werden. Das ist natürlich immer etwas zweischneidig. In 98 Prozent der Fälle verlaufen die Verfahren schnell, in wenigen verläuft das Verfahren nicht schnell, und die wenigen sind dann sozusagen medial präsent. Es ist mir aber wichtig, hier zu betonen, dass die Verfahren in der Justiz kurz sind und der Median für landesgerichtliche Verfahren bei 1,1 Monaten liegt.

Insgesamt kam es bei 47 645 Delikten zu einer Verurteilung. Wenn ich zuerst gesagt habe, es kam zu rund 32 000 Verurteilungen, nun aber sage, es wurde bei mehr Delikten verurteilt, dann liegt das daran, dass in einer Verurteilung oft mehrere Delikte verurteilt werden, deshalb gibt es hier sozusagen die höhere Deliktszahl.

Delikte gegen fremdes Vermögen sind um rund 5,2 Prozent zurückgegangen, Delikte gegen Leib und Leben um 2,1 Prozent, Suchtmitteldelikte um 7,2 Prozent. Aber auch hier gibt es einen deutlichen Anstieg bei Delikten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, nämlich um über 15, fast 16 Prozent – genau um 15,7 Prozent.

Insgesamt, muss man sagen, kann man hier einen positiven Trend erkennen. Die Maß­nahmen haben gegriffen. 2017 gab es eben einen deutlichen Rückgang bei den Anzei­gen um 5,1 Prozent, einen weiteren Anstieg bei der Aufklärungsquote auf nunmehr über 50 Prozent – nicht zuletzt deshalb, weil die Polizistinnen und Polizisten hervor­ragende Arbeit leisten. Das muss man immer dazusagen. Aber wir müssen auch weiter­hin danach trachten, die Strafverfolgungsbehörden mit den bestmöglichen Rah­menbedingungen auszustatten, und zwar auch auf der Höhe der technischen Zeit und der technischen Möglichkeiten.

Wenn Sie hier davon sprechen, dass Dinge eingeführt werden, die zu Gefahren führen, dann sage ich Ihnen Folgendes: Die Überwachung von verschlüsselten, internetba­sierten Kommunikationen ist etwas, was notwendig ist, denn es kann nicht sein, dass abhängig vom Kanal, den Kriminelle verwenden, ein Unterschied gemacht wird, ob ich als Strafverfolgungsbehörde – mit sehr hohen Eingangsschwellen – das nutzen kann und mir das anschauen kann oder nicht. Darum geht es auch in diesem Paket, das heute im Innen- und im Justizausschuss diskutiert wurde.

Mehr Personal ist auch schon beschlossen worden. Bis Ende 2022 – also über die gesamte Legislaturperiode – soll es 2 100 neue PolizistInnen auf der Straße und 2 000 zusätzliche Ausbildungsplanstellen geben.

Das Sicherheitspaket ist ein wichtiger Schritt, um Terrorismus und Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Österreich wird spätestens im zweiten Halbjahr 2018 im Zentrum der Aufmerksamkeit Europas stehen. Wir werden auch die Sicherheit in das Zentrum der EU-Ratspräsidentschaft stellen.

Wenn Sie mir erlauben, Herr Präsident, würde ich an dieser Stelle auch gerne gleich den Bogen, die Brücke zum nächsten Tagesordnungspunkt schlagen, und zwar zum Bericht betreffend die Legislativ- und Arbeitsprogramme der Europäischen Kommission und deren Schwerpunkte. Die Ratspräsidentschaft wird unter dem Motto „A Europe that protects“ stehen – also: Ein Europa, das schützt. Ich verrate Ihnen kein Ge­heimnis, wenn ich Ihnen sage, dass ich eine glühende Europäerin bin. Meine letzte Station war am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, also einer Institution des Europarates. Auch wenn die Institutionen Europarat und Europäische Union institutionell nicht miteinander verbunden sind, so bin ich doch regelmäßig über die Brücke gegangen, die in Straßburg den Europarat und das EU-Parlament mitei­nander verbindet. Es ist unsere Verpflichtung, auch während der EU-Ratspräsident­schaft danach zu trachten, eine Brücke zu den Bürgern zu schlagen, denn wir brauchen eine bürgernahe, eine krisenfeste und eine zukunftsorientierte Union. Wir brauchen eine Union, eine Europäische Union, die Vertrauen in ihre Handlungsfähigkeit schafft und die die Krisenfähigkeit der EU wieder stärkt.

Die Europäische Union ist eines der erfolgreichsten Friedensprojekte aller Zeiten. Die zentralen Herausforderungen für uns liegen im Sicherheitsbereich: unkontrollierte Migrationsbewegungen, zunehmend extremistische und terroristische Aktivitäten, neue Gefahren im Bereich der Kriminalität – ich habe es auch angesprochen: der Cyber­kriminalität. Daher müssen wir Schwerpunkte setzen. Wir wollen diese Schwerpunkte auch im Sicherheitsbereich setzen. Es geht um den Kampf gegen illegale Migration. Es geht darum, funktionsfähige, resiliente und faire EU-Asyl- und Migrationssysteme zu schaffen. Denn wir wissen von vielen, dass sie ja nicht irgendwo hinwollen – deshalb haben Verteilungsquoten auch nicht wirklich Erfolg –, sondern dass sie nach Öster­reich, nach Deutschland, nach Schweden wollen. Bundeskanzler Kurz hat es mehrfach deutlich gesagt: Es kann nicht sein, dass sich die Menschen, die sich illegalen Schleppern anvertrauen und die die stärksten sind, die sich zu uns durch­schlagen, dann aussuchen, wo sie leben. Wir brauchen hier Lösungen, die wirklich für alle tragbar sind und die auch funktionieren, um den Menschen wieder zu zeigen, dass die EU in der Lage ist, diese Situation zu bewältigen.

Es geht auch darum, die Förderung von Deradikalisierungsprogrammen voranzutrei­ben, um auch da die Bekämpfung des Terrorismus zu stärken, ebenso wie die Be­kämpfung der organisierten Kriminalität. Es braucht außerdem eine organisierte poli­zei­liche Zusammenarbeit. Wir müssen den Informationsaustausch zwischen den Behörden optimieren, damit die Strafverfolgungsbehörden auch über die nationalen Grenzen hinaus zusammenarbeiten können. Nur so können wir die Sicherheit in Europa für unsere Menschen und das Vertrauen in die Europäische Union und ihre Institutionen wieder stärken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Sicherheitsbericht 2016 zeigt, dass wir in die richtige Richtung gehen, aber – ich habe es angesprochen – es gibt in vielen Bereichen noch vieles zu tun. Diese Bundesregierung nimmt diese Schritte und diese Verantwortung wahr und geht Schritt für Schritt vor und setzt die beschlossenen Projekte laut Regierungsprogramm um.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Unterstützung bei dieser Arbeit und freue mich auf die Beschlussfassung, die hoffentlich in einer großen Zustimmung enden wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.14

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Mag. Michael Raml. Ich erteile es ihm.