11.30.21

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Herr Staatsse­kretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, der Aufruf zur Sachlichkeit ist gut. Reden wir von dem, was im Budgetbegleitgesetz drinnen steht, und interpretieren wir nicht!

Mir ist, als Sie, Herr Kollege Lindner, jetzt gesprochen haben, etwas eingefallen. Sie kennen alle den berühmten Ausspruch: „Und wenn mich einer fragt, wie denn das mit den Schulden ist, dann sage ich ihm [...]: dass mir ein paar Milliarden Schulden weni­ger schlaflose Nächte bereiten, als ein paar hunderttausend Arbeitslose mir bereiten würden.“ – Das hat Kreisky in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gesagt. Wir wissen, dass damals eine sehr schwierige wirtschaftliche Lage geherrscht hat, aber andererseits hat er damit den nachfolgenden Generationen einen schweren Rucksack umgehängt. Wir dürfen die nachfolgenden Generationen nicht weiter belas­ten, das muss uns klar sein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Viele Generationen vor uns haben Österreich zu einem der wohlhabendsten Länder entwickelt, und es ist unsere Aufgabe und Verantwortung, diesen Standard in Zukunft so gut wie möglich zu erhalten. Wir leben mit dem Luxus, nur wenige Stellschrauben dafür richtig stellen zu müssen.

Das Doppelbudget 2018/2019 geht in die richtige Richtung, und das vorliegende Bud­getbegleitgesetz bietet einen wichtigen Rahmen dafür. Ein paar Punkte sind mir beson­ders wichtig.

Ich rolle das von hinten auf und beginne mit der Altersteilzeit: Was soll vorwerfbar sein, wenn das Antrittsalter für die Altersteilzeit in Zukunft an das Regelpensionsalter heran­geführt wird? Während wir in Österreich die Anhebung des Frauenpensionsalters auf 65 schrittweise bis 2034 umsetzen und generell am Antrittsalter von 65 festhalten, ha­ben andere Länder schon viel ambitioniertere Ziele. Das zukünftige Rentenalter wird in Deutschland ab 2029 und in Frankreich schon in fünf Jahren 67 sein. Italien, die Nie­derlande und Dänemark koppeln das Rentenalter an die Lebenserwartung. Ich finde, das ist ein ganz richtiger Punkt. Und was wollen wir? – Wir wollen nur das Antrittsalter für die Altersteilzeit von 58 auf 60 anheben. Ihr seht daran, wir leisten uns den Luxus, nur ein paar kleine Stellschrauben neu zu positionieren.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben aktuell eine Konjunktur, von der wir vor einiger Zeit nicht einmal träumen durften oder geträumt haben. Unsere Wirtschaft ist derzeit aber aufgrund des Fachkräftemangels schon gezwungen, Aufträ­ge abzulehnen, und diese Prognosen bleiben auch heuer auf diesem hohen Niveau. Gleichzeitig haben wir aber nach wie vor eine zu hohe Arbeitslosigkeit, teilweise aus strukturellen Gründen, teilweise aus Mobilitätsgründen. Daher wird eben das AMS die überregionale Vermittlung ausbauen, um den Fachkräftebedarf dort zu decken, wo er anfällt. Dass dies dringend notwendig ist, zeigen die regionalen Unterschiede bei der Entwicklung der Arbeitsmarktdaten: Die meisten Arbeitslosen sind in der Bundeshaupt­stadt zu finden, die meisten offenen Stellen hingegen am Land. Wir haben ein großes Produktionsunternehmen im Mostviertel, das mit über 15 internationalen Arbeitskräfte­überlassern zusammenarbeiten muss, um die vorhandene Arbeit abwickeln zu können.

Wir haben die Beschäftigungsaktion 20 000 für ältere Langzeitarbeitslose in den Ge­meinden seit Beginn als den zweitbesten Weg gesehen. Befristete Dienstverhältnisse am Zweiten Arbeitsmarkt können weder im Sinne der Politik noch im Sinne der Be­troffenen sein. Wir, die Wirtschaft, wollten, dass diese Aktion mit der Wirtschaft umge­setzt wird, weil es nur dann nachhaltig ist. Ihr wisst ganz genau, dass diese Initiative nur mit gemeinnützigen Organisationen möglich war. (Bundesrat Lindner: Die Wirt­schaft hätte ...!) – Nein, das stimmt nicht, Herr Kollege Lindner, das weißt du ganz ge­nau: Es war Stöger, der sofort, einen Tag danach, bevor diese Initiative rausgegangen ist, gesagt hat: Aber bitte nur für Gemeinnützige! – Und damit war sie nicht erfolgreich, so, wie wir es uns vorgestellt hatten.

Bei uns in den österreichischen Unternehmen hat das Umdenken schon längst einge­setzt. Ich habe mir das angeschaut. Die Wirtschaft hat im letzten Jahr über - - (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Schaut euch die Zahlen an! Nicht aufregen! Wir haben ge­sagt, wir schauen uns die Fakten an. – Im letzten Jahr haben wir über 60 000 Men­schen über 50 Jahre wieder in Jobs gebracht, und das zeigt, dass die Bemühungen wirken und die Zusammenarbeit mit den Betrieben funktioniert. Es ist schon angespro­chen worden, Kollege Oberlehner hat es gesagt, dass es für die Gruppe 50 plus 185 Millionen Euro gibt. Ich finde auch, dass die weiteren 165 Millionen Euro, die hier zur Verfügung gestellt werden, um Langzeitarbeitslose wieder einzugliedern, um Ein­gliederungshilfen zu geben, um sie zu qualifizieren, auch mit dem Modell des Kombi­lohns, eine wirklich gescheite Initiative sind. Das wird uns weiterhin helfen, die Älteren wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern, denn wir brauchen sie ganz einfach. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Beschäftigungsbonus war ein Vehikel, um Lohnnebenkosten für neue Jobs zu senken. Lieber ist mir und uns allen natürlich, wenn die Lohnnebenkosten generell sin­ken. Die beste Wirtschaftspolitik ist und bleibt ganz einfach eine niedrige Abgaben­quote.

Mir und uns allen in der Wirtschaft ist es aber sehr wichtig, dass wir die Unternehmen nicht immer durch kurzfristiges Einführen und Auflassen von Aktionen verunsichern. Sie müssen Vertrauen in die Rechtssicherheit haben, und wir dürfen unseren Standort nicht gefährden.

Ich frage mich aber schon immer wieder, wenn ich da so zuhöre: Wie schaut denn generell die Haltung gegenüber der Wirtschaft aus? – Diese Deckelung der Säumnis­zuschläge mit dem Fünffachen der täglichen Höchstbeitragsgrundlage pro Monat, also 885 Euro, hat, bitte schön, mit Lohn- und Sozialdumping überhaupt nichts zu tun! Ich weiß nicht, warum ihr das immer wieder vermischt, ich verstehe das gar nicht.

Wir sind alle nicht dafür, dass die Leute nicht angemeldet werden. Jeder von uns führt seriös sein Unternehmen, und ich bin daran interessiert, dass alle ihre Leute anmelden und die Lohnabgaben zahlen. Sonst haben wir ja keinen fairen Wettbewerb. Unterstellt uns das nicht immer! Ich bin aber ganz einfach dagegen, dass es Strafen gibt, wenn ich zum Beispiel einen eine halbe Stunde später anmelde. Da bekomme ich schon eine Strafe, und das sehe ich absolut nicht ein, denn es kann mir doch keiner unterstellen, wenn ich ihn anmelde, dass ich Schwarzarbeit betrieben hätte. Es gibt schon einige Sachen, die nicht ganz nachvollziehbar sind, etwa auch, dass ich bei Fehlern in der Abrechnung pro Kopf zahle, und so weiter. Also überlegt euch das einmal ein bissel! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Also noch einmal: Schaut euch das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ge­nau an! Da könnten wir uns als Sozialpartner aber auch einmal zusammensetzen und schauen, ob es wirklich in die Richtung geht, in die wir eigentlich gehen wollen, nämlich, dass wir die seriösen Betriebe unterstützen und auch einen fairen Wettbewerb haben.

Wichtig ist mir aber auch noch, abschließend auf unsere Jugend zu sprechen zu kommen. Ich glaube, dass es populistisch ist, wenn behauptet wird, dass mit dem Bil­dungsinvestitionsgesetz der Ausbau ganztägiger Schulformen gestoppt wird, denn die­ser Meinung bin ich nicht. Richtig ist, dass der Ausbau nicht wie ursprünglich bis 2025, sondern bis 2032 schrittweise umgesetzt wird. Es stehen auch zwei Formen ganztä­giger Schulformen dahinter, nämlich die getrennte und die verschränkte Form, die glei­chermaßen profitieren können. Wir brauchen flächendeckend beide Formen, um mög­lichst nahe am Bedarf der Eltern zu sein und eben dem entgegenzukommen, was ihr sagt. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Die verschränkte Ganztagsschule ist immer noch eine Besonderheit in unserer Bil­dungslandschaft. Freizeit und Lernen wechseln sich während eines Schultages von 8 bis 16 Uhr ab. Das bringt für die Entwicklung der Kinder sehr viel, verursacht aber auch – das ist uns auch klar – deutlich höhere Kosten.

Mir ist es recht, wenn wir konsequent daran arbeiten. Wichtig ist, dass es gescheit um­gesetzt wird und dass es für die Anwendung wirklich gut ist. Es ist egal, ob es länger dauert oder nicht, das Ergebnis muss ein richtiges sein. (Vizepräsident Lindinger übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt noch mehrere positive Aspekte in dem Gesetz, die man aufzählen könnte, zum Beispiel die Stärkung der Forschung in den Bereichen Elektronik und Mikroelektronik. Ich denke, dass all diese Maßnahmen dazu beitragen, dass wir unsere Lebensqualität verbessern und die Arbeitsplätze in Österreich gestärkt und geschützt werden kön­nen. – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)

11.39

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile dieses.