9.39.03

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein|: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Herr Bundesrat, ich ver­stehe schon, dass Veränderungen wehtun, aber eigentlich sollte man immer bei der Wahrheit bleiben. Sorry, ich habe Sie auch genau beobachtet: Zahlen lesen und Zahlen interpretieren können Sie nicht; Sie haben die ganze Zeit gelacht. (Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.) Trotzdem wünsche ich Ihnen alles Gute im niederösterreichischen Landtag.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen wirklich für diese Debatte! Das Thema Zusammenlegung und Fusionierung der Sozialversicherungen und damit wirklich eine Jahrhundertreform – wie ihr beide, Kollege Rösch und Kollegin Kern, das gesagt habt – ist wirklich eine ganz, ganz große Herausforderung. Ich freue mich sehr, das im Sinne der Menschen in Österreich umsetzen zu dürfen.

Wie ihr wisst, halte ich mich an den Satz des ersten Präsidenten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, Johann Böhm: „Soziale Sicherheit ist die [...] Grundlage der Demokratie“. Dafür, glaube ich, lohnt es sich zu kämpfen, und da danke ich auch für eure Unterstützung! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Sicherung des Gesundheitswesens erfordert verschiedenste Initiativen, die einer­seits den Bedarf der Patienten und andererseits natürlich die Qualität der Versorgung und vor allem die Effektivität im Gesundheitswesen – und da sind Verwaltung und Strukturveränderung nur ein Punkt – in den Mittelpunkt des Handelns stellen, im Sinne der Versicherten und Patienten.

Die Studie der London School of Economics und viele andere wissenschaftliche Ar­beiten haben bewiesen, dass Veränderungsbedarf besteht, und diese Regierung, meine Damen und Herren, hat den Mut zu Veränderungen. Für Veränderungen braucht man nämlich Mut, denn natürlich bleibt kein Stein auf dem anderen. Wir haben aber immer das Wohl des Patienten und des Versicherten im Auge. Ich bitte Sie – auch die Opposition –, das zu respektieren und nicht solche Dinge zu verbreiten, wie dass wir nur Privatversicherung fördern wollten. (Bundesrat Pfister: Haben Sie selbst gesagt!)

Im Gegenteil, Herr Kollege: Mir ist die Sozialversicherung wichtig und nicht Privatver­sicherung! (Bundesrat Pfister: Aber die schaffen Sie ab!) Mir ist Pflichtversicherung wichtig, mir ist die Selbstverwaltung wichtig – alles im Sinne unserer Versicherten. Verbreiten Sie keine Lügen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich war am Montag in der Steiermark – das ist mein Heimatland, wie Sie wissen –, und wenn ich dort in der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse Plakate und Punktationen mit wirklichen – Herr Präsident, verzeihen Sie, ich weiß, man darf im Hohen Haus nicht Lügen sagen, aber es sind welche – Lügen sehe, dann tut es mir wirklich leid. (Zwischenruf des Bundesrates Pfister.) Diese Plakate sind keine sachlichen Infor­mationen für die Versicherten, sondern sie betreiben auf Kosten der Versicherten, mit Geldern von Versicherten Verunsicherung. Wie können Sie so etwas vertreten? – Das tut mir wirklich leid. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundes­rates Pfister.)

Das Regierungsprogramm wahrt das Prinzip der Selbstverwaltung, wie Sie gesehen haben; das ist uns wichtig. Der Ministerratsbeschluss vom 23. Mai 2018 hat viele Vorhaben in diesem Bereich präzisiert: Wir wollen eine leistungsfähige und moderne bürgernahe Versicherung und nicht Bürokratie. Die Verwaltungskosten können Sie natürlich trefflich darstellen. (Bundesrat Pfister: Das ist Fakt! 32 Prozent!)

Gott sei Dank haben wir nicht wie in Deutschland eine Versicherungspflicht, auch das unterscheidet uns. Ich stehe zur Pflichtversicherung, Herr Kollege Pfister – ich stehe zur Pflichtversicherung und nicht zu einer Versicherungspflicht oder Privatversiche­rung, noch einmal! (Zwischenruf des Bundesrates Pfister.) Ich hoffe, Sie haben das jetzt gehört.

Ich stehe auch zur Strukturreform. Sie kritisieren die ganze Zeit, wo wir die Einspa­rungen machen. (Bundesrat Pfister: Bei den Gebietskrankenkassen, sonst nirgends!) Wir machen sie nicht auf Kosten des Versicherten, sondern indem wir Strukturreformen durchführen, indem wir Backofficebereiche und Rechenzentren zusammenlegen, in­dem wir den Einkauf optimieren. Das sind alles so Sachen: Jede Kasse, jede eigene Einrichtung kauft für sich selber ein – das ist nicht im Sinne eines modernen Mana­gements! Da zu strukturieren und zu reformieren, das ist unsere Aufgabe. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir werden von einer großen Zahl an Versicherungen auf vier, maximal fünf redu­zieren. Sie alle kennen die Diskussion über die AUVA: Die AUVA hat bis 31. August Zeit, mir entsprechende Konzepte und Reformen zu liefern. Auch dazu ein Satz, weil ich am Montag in der Steiermark war: Der Vorstand der KAGes erzählt mir, dass das UKH Graz an zwei Tagen pro Woche ohne Abstimmung mit den anderen Kranken­anstalten keine Aufnahmen durchführt. – Das ist Versorgungspolitik, das ist der Versor­gungsauftrag der Unfallkrankenhäuser oder der AUVA? Sorry, aber da stimmt etwas nicht im Management! So etwas darf nicht passieren, dass man an zwei Tagen in der Woche keine Versorgung bietet, ohne Abstimmung mit den anderen Krankenanstalten, das ist fahrlässig! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir brauchen ein gerechtes, faires System, das ist unser Ziel, und deshalb wollen wir gleiche Leistungen bei gleichen Beiträgen. Meine Damen und Herren von der Sozial­demokratie: Mir ist es sehr, sehr wichtig, die gleichen Leistungen für sieben Millionen Versicherte in Österreich zu bieten. (Ruf bei der SPÖ: Acht!) – Frau Kollegin, hören Sie mir zu, ich weiß, wovon ich rede! (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die Versicherten der Gebietskrankenkassen meine ich; ich spreche davon, dass ein Arbeitnehmer aus Vorarlberg oder der Steiermark, wie schon gesagt, andere Leistungen bekommt als einer aus Wien oder dem Burgenland.

Natürlich sind schon einige Leistungen harmonisiert worden, das ist richtig, auch auf Druck von unserer Seite hin, sage ich einmal, die wir schon lange für so ein System arbeiten. Bei den wesentlichen Leistungen aber, nämlich den medizinischen Leis­tun­gen, den ärztlichen Leistungen, den chefärztlichen Genehmigungen, sind noch Unter­schiede da, und das wollen wir reformieren. Das bedeutet, dass wir bei den ärztlichen Leistungen konkret definieren, was im extramuralen Bereich wirklich notwendig ist, anschließend an den intramuralen Bereich, den stationären Bereich. Danach werden gemeinsam mit der Ärztekammer entsprechend neue Tarifkataloge verhandelt.

Diese medizinischen Leistungen werden natürlich von medizinischen Fachgesellschaf­ten definiert. Es gibt seit Samstag einen neuen Präsidenten des Obersten Sanitäts­rates, es ist der Rektor der Medizinischen Universität Wien, Professor Markus Müller. Er wird in einer Arbeitsgruppe mit den Fachgesellschaften die medizinischen Leistun­gen definieren, die im extramuralen Bereich notwendig sind, also wirklich fachlich und sachlich, und dann werden wir die Tarifmodelle mit den Ärzten verhandeln. Mir ist wichtig, dass im niedergelassenen Bereich jene Leistungen erbracht werden, die medizinisch notwendig und sinnvoll sind, und das garantiere ich auch für die Republik. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Pfister.)

Wir wollen natürlich auch, dass die Kassenärzte mehr Zeit für den Patienten und Versicherten haben, denn was ist jetzt der Fall? – Der Arzt muss auf Quantität setzen, damit er überhaupt auf sein Einkommen kommt, und nicht auf Qualität. Wir wollen, dass der Arzt Zeit für den Patienten hat, das ist der erste Punkt. (Ruf bei der SPÖ: 12-Stunden-Tag!)

Der zweite Punkt: Wir wollen, dass es genug Kassenärzte gibt. Es gibt die Herausfor­derung, dass für einen Arzt kein Anreiz besteht, sich irgendwo im ländlichen Raum niederzulassen. Ihr seid der Bundesrat: Es kommen viele Bürgermeister zu mir und sagen, sie brauchen Kassenärzte – da braucht es auch entsprechende Anreize, und daran müssen wir arbeiten! (Zwischenruf des Bundesrates Pfister.) Es muss aber auch die Motivation da sein; es geht nicht immer ums Geld, Herr Kollege Pfister, auch wenn Sie die Zahlen nicht lesen können! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Pfister: Das ist Politik!)

Es geht darum, die ländliche Versorgung zu sichern, das ist unsere Herausforderung. Dafür hat natürlich auch eine Sozialversicherung entsprechende Anreize zu schaffen, und das garantieren wir. (Ruf bei der SPÖ: Keine Ahnung!)

Wir werden die Reformen jetzt in Gesetze gießen: Wir werden das im Sommer machen, und im Herbst wird das Parlament diese Änderungen beschließen. Die Heraus­forderungen für die Legisten sind wirklich sehr, sehr groß – die Juristen unter Ihnen wissen natürlich, dass das sehr viele legistische Maßnahmen erfordert. Wir werden das angehen und wir werden garantieren, dass mit Beginn nächsten Jahres diese Änderungen umgesetzt und entsprechende Übergangsfristen vorgesehen werden.

Das heißt natürlich – die Kollegen haben es schon gesagt –, dass die bestehenden Arbeitsplätze garantiert werden, die Leistungen garantiert werden, dass keiner mehr Angst haben muss, nicht versichert beziehungsweise nicht unfallversichert zu sein. Diese Lügen (Bundesrat Pfister: He!), die Sie da verbreiten – sorry, das ist Verun­sicherung auf Kosten der Versicherten und Patienten! Es tut mir wirklich leid, dies sagen zu müssen, es sind Unwahrheiten! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Pfister: Das sind Zahlen aus der ... Studie! ... Frechheit! – Bundesrat Weber: Weniger Kaffee in der Früh!)

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Frau Bundesminister, ich würde Sie bitten, das Wort „Lüge“ zurückzunehmen, sonst muss ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen.

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein (fortsetzend): Verzeihen Sie meine Emotionen! Weil das wirklich eine Verunsicherung ist, sind meine Emotionen etwas mit mir durchgegangen. (Zwischenruf des Bundesrates Pfister.) Ich korrigiere: Es sind Unwahrheiten. – Danke, Herr Präsident.

Mir ist das ein Anliegen, und deshalb sind die Emotionen meinerseits auch so groß, denn ich weiß, was ich tue. Ich war so lange in der Sozialversicherung tätig und ich weiß, vor welchen Herausforderungen unser Staat steht. Mir ist es sehr wichtig, die Ver­sorgung der Patienten in unserer Republik sicherzustellen.

Nun zur GPLA, Herr Kollege: Ich habe mich sehr eingesetzt, und das wissen Sie. Im Regierungsprogramm steht noch, dass das das Finanzamt macht. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass die Sozialversicherung das macht – erster Punkt.

Was die Prüfung angeht: Es wird eine gemeinsame Prüfung sein: Natürlich werden die Prüfer der Sozialversicherung da mittun; in welcher Form, werden wir noch sehen (Bundesrat Pfister: Die Form ist interessant!), aber natürlich werden sie eingesetzt, um die Qualität sicherzustellen.

Die Rechenbeispiele, die Sie genannt haben, sind Spezialthemen, da muss man entsprechend ausgebildet sein, da haben Sie vollkommen recht. Das wird auch gewährleistet, da machen Sie sich bitte keine Sorgen – unsere Regierung weiß, was sie tut. Wir werden die Dinge im Sinne der Versicherten umsetzen, und das garantiere ich. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Pfister.)

9.50

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke, Frau Bundesminister. – Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Georg Schuster. – Bitte.