14.41.16

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Fami­lien­bonus möchte ich vorweg feststellen, dass wir die Idee, Familien steuerlich zu entlasten, natürlich positiv finden. Ich möchte die Diskussion jetzt wieder auf eine sach­liche Ebene bringen und noch einmal erklären, warum wir diesem Modell, das hier vorliegt, nicht zustimmen können.

Vorweg möchte ich noch Folgendes sagen: Ja, Kollege Schuster, wir beide werden als Elternteile von diesem Familienbonus profitieren. Wir sind aber nicht die, die es brauchen, und es geht in der Politik nicht darum, Politik für uns als Profiteure zu machen (Bundesrat Schuster: Machen wir ja auch nicht! – Bundesrätin Ecker: Machen wir nicht!), sondern darum, Politik für die Menschen zu machen, die es brauchen. Das ist der Unterschied! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrat Spanring: Keine Sorge, auch Christian Kern wird profitie­ren!)

Ich arbeite in einer Familienorganisation und habe tagtäglich und sehr viel mit Familien zu tun. Wir sind im Jahr 2018, und es gibt sehr viele unterschiedliche Familien­konstel­lationen. Ich habe viel mit Elternteilen zu tun, die als AlleinerzieherInnen mit ihren Kindern im Haushalt leben. Ich habe mit Familien zu tun, bei denen beide Elternteile arbeiten, aber möglicherweise in Bereichen, in denen das Gehalt mehr schlecht als recht reicht. Das heißt nicht, dass sie nicht arbeiten; sie arbeiten, aber der Lohn reicht nicht aus, um in die Bereiche zu kommen, in denen dieser Bonus greifen wird. (Bundesrat Steiner: Aber dann muss man dazusagen, dass sie keine Steuern zahlen!)

Es gibt die verschiedensten Arten von Familien, und all diese Elternteile arbeiten und fragen mich in den letzten Tagen: Ist dieser Familienbonus auch für mich? Wie viel werde ich herausbekommen? Wann bekommt man das? Was bleibt mir? Was be­komme ich pro Monat über diesen Familienbonus dazu? (Bundesrat Mayer: ... sagt sicher, das nehmen wir nicht ...!) – Edgar, das ist unfair. (Bundesrat Mayer: Nein, nicht unfair!)

Es geht mir um die Familien, die leer ausgehen, und das sind gar nicht so wenige. Ich habe mir das Modell im Detail angesehen. Die Grundvoraussetzung ist, dass man min­destens 1 500 Euro Steuern bezahlt; dann bekommt man diese volle Unterstützung. (Bundesrätin Mühlwerth: Verdient! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das betrifft ungefähr 64 Prozent aller Familien; denen sei es vergönnt, die bekommen diesen vollen Betrag. Wir wissen aber, dass 26 Prozent der Familien viel weniger bekommen, manche bekommen etwa 250 Euro. Das betrifft eben hauptsächlich AlleinerzieherInnen, drei Viertel davon sind übrigens Frauen, es betrifft auch Studierende, und wir wissen, dass diese Gruppen nicht zu denjenigen gehören, die sich am Ende des Monats überlegen, was sie denn mit ihrem Geld noch machen könnten.

Dazu kommt noch, dass 10 Prozent der Familien nichts davon bekommen werden und nichts davon sehen werden. Die Eltern der Kinder in diesen Familien sind möglicher­weise arbeitslos oder beziehen Mindestsicherung. Wir wissen, dass zwei von drei Be­zie­herInnen der Mindestsicherung sogenannte Aufstocker sind; nur einer von drei bekommt die Mindestsicherung in voller Höhe, die anderen sind Aufstocker, das heißt, sie arbeiten, erhalten aber so wenig Lohn, dass sie zusätzlich etwas über die Min­destsicherung bekommen. Diese Kinder, die in Armut aufwachsen – und das sind in Österreich an die 116 000 (Bundesrat Rösch: Dank SPÖ!) –, sind überall benachteiligt. Wir wissen aus den Enqueten des letzten Jahres, dass sie höhere Gesundheitsrisiken haben, sie haben schlechtere Bildungschancen et cetera. Und genau diese Kinder gehen leer aus. (Bundesrat Rösch: Wer hat denn die Mittelschicht ausgehungert? – Bundesrat Weber: Schüssel I und II!)

Welche gesellschaftlichen Verhältnisse produzieren wir damit? Das möchte ich wirklich wissen! Was ist das für eine Gesellschaft, in der 10 Prozent der Familien, die jetzt schon arm sind, wieder nichts bekommen? (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ein paar Details noch dazu: Wir wissen, dass hauptsächlich Männer Vollzeit arbeiten, das heißt, dieser Familienbonus greift hauptsächlich bei Männern. Das heißt, das ist eine männliche Förderung. (Bundesrat Steiner: Ich habe gar nicht gewusst, dass es bei Förderungen ein Geschlecht gibt!) Wir wissen, dass es für geschiedene Eltern extrem schwierig wird, herauszufinden, in welcher Konstellation sie am meisten von diesem Familienbonus haben. Man braucht schon fast einen Steuerberater, eine Steuer­­beraterin, um die beste Möglichkeit zu finden.

Mein Kollege Stögmüller hat es schon gesagt: In Oberösterreich ist die Situation speziell, weil seit dem heurigen Frühjahr die Betreuung der Kinder am Nachmittag noch mehr kostet. Da bleibt dann von diesem Familienbonus fast gar nichts übrig. (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine Angleichung an österreichweite Verhältnisse!) Mit dem Kinderbetreuungsbonus, den es in Oberösterreich gibt, werden auch noch Eltern belohnt, die ihre Kinder nicht in eine Bildungseinrichtung geben. Kinder werden damit eigentlich ihrer Elementarbildung beraubt.

Wir haben einmal überschlagsmäßig durchgerechnet, was man denn mit diesen 1,5 Mil­liarden Euro, die für den Familienbonus verwendet werden, Sinnvolleres, Nach­halti­geres hätte anstellen können, das Österreich und unsere Kinder und die nächsten Generationen wirklich nach vorne gebracht hätte.

Wir hätten mit diesem Geld einerseits 37 000 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze für unter Dreijährige, die wir dringend brauchen – das bestätigen uns alle internationalen Studien –, finanzieren können. Zusätzlich hätten wir Vollzeitkindergartenöffnungszeiten für alle sicherstellen können. Das ist angesichts des 12-Stunden-Tages, den wir offen­sichtlich noch beschließen müssen (Zwischenrufe bei der ÖVP), dringend notwendig. Wir hätten ein kostenloses zweites Kindergartenjahr für alle garantieren können. Wir hätten zusätzliche pädagogische Fachkräfte finanzieren können. Wir hätten außeror­dentliche Lohnerhöhungen für das Personal und damit eine Angleichung der Elemen­tar­pädagogInnen an die SchulpädagogInnen bewerkstelligen können. Das alles wäre sich mit diesem Betrag ausgegangen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Es wäre nachhaltig gewesen, in Kinderbildung statt in Steuerzuckerl zu investieren. Das wäre sinnvoll für unsere Zukunft gewesen.

Ich möchte noch etwas betonen und dabei auf die Aussendung des Österreichischen Städtebundes hinweisen, der tatsächlich Investitionseinbußen befürchtet, und zwar noch zusätzlich zu den Kürzungen im Bereich der Kinderbetreuung. Es ergibt sich also eine doppelte Belastung für die Gemeinden, die sich wiederum auf die Kinder­betreu­ung und die Elementarpädagogik auswirken würde. Mein Kollege hat es schon ange­sprochen: Ab 2020 würden den Städten und Gemeinden in diesem Bereich 136 Mil­lionen Euro pro Jahr weniger zur Verfügung stehen. Ich frage mich, wie sich das alles ausgehen soll und wie wir damit unseren Bildungsstandard halten, wenn nicht sogar ausbauen wollen. Ich wage zu bezweifeln, dass das möglich sein wird.

Als Fazit: Für diese Regierung gibt es Kinder, die mehr wert sind, und Kinder, die weniger wert sind. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt nicht!) Abgesehen davon, dass das dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz und den Kinderrechten widerspricht, und abge­sehen davon, dass das der bisherigen österreichischen Tradition, dass uns jedes Kind gleich viel wert ist, widerspricht, weiß ich auch nicht, welche Gesellschaft wir damit produzieren, wenn wir diesen Familienbonus befürworten. Alle, die das tun, nehmen ein gesellschaftliches Gefälle in Kauf. Sie nehmen in Kauf, dass ein Drittel der Familien an unserem Wohlstand nicht teilhaben können. Wie wir mit den Folgen dieser Un­gleichheit und Ungerechtigkeit irgendwann einmal umgehen werden, steht wohl in den Sternen.

Wir von der SPÖ stehen für diese Ungerechtigkeit jedenfalls nicht zur Verfügung. Wir stehen dafür, dass jedes Kind eine schöne Kindheit haben soll und dass alle Kinder die gleichen Chancen im Leben haben sollen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun­des­rätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

14.49

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. – Bitte.