BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 67

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entkriminalisieren. Ich glaube, dass das ein wichtiger Punkt ist; das geschieht unter dem Motto „Beraten statt strafen“. Wenn jemand also ein sogenanntes Dauerdelikt begeht, dann soll die Behörde zumindest die Möglichkeit haben, zuerst einmal darauf aufmerksam zu machen, dem Bürger die Möglichkeit geben, diesen Zustand zu verändern, und erst dann ein Verfahren einleiten, wenn er sein Verhalten oder den Zustand nicht ändert.

Jeder von uns kennt Beispiele: Man wechselt den Wohnsitz und vergisst in den ersten Wochen, sich selber oder das Auto umzumelden, wenn man eine neue Adresse hat. In diesen Fällen soll in Zukunft nicht gleich bestraft werden, sondern eben zuerst darauf aufmerksam gemacht werden, und erst, falls es dann notwendig wird, dann soll es zu einem Verfahren kommen.

Dabei ist auch ganz wichtig, festzuhalten, dass dieses Prinzip Beraten statt strafen eben nur bei Dauerdelikten gilt, also nicht bei Erfolgsdelikten und auch nicht, wenn ein Vorsatz dahintersteckt; dann ist dieses Prinzip nicht mehr anzuwenden. Diese Maß­nahme ist ja auch nicht neu, muss man ehrlicherweise sagen. Wir kennen das aus dem Arbeitsinspektionsgesetz, das seit vielen Jahren gilt, in dem auch vorgesehen ist, dass bei Verletzungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften zuerst zu beraten ist. Genau diesen Weg wollen wir heute hier auch gehen: Bei geringem Verschulden, wenn kein Vorsatz vorhanden ist, entkriminalisieren wir mit dieser Änderung.

Ein zweiter Punkt, der auch nicht unwichtig ist, ist die Gleichbehandlung innerhalb Österreichs. Es gibt auch dazu Beispiele, die jeder von uns kennt. Es ist nicht einzusehen, dass beispielsweise bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung, die in der Steiermark oder wo auch immer begangen wird, ein anderer Betrag zu zahlen ist, als wenn man in Niederösterreich oder in Oberösterreich eine Geschwindig­keitsüber­schrei­­tung begeht. Es wird in ganz Österreich einen einheitlichen Deliktskatalog geben – natürlich auch in Vorarlberg (Bundesrat Mayer: Danke!) –, Klarheit und Rechtssicherheit, dass jedes Delikt, egal wo in Österreich, hinter dem Arlberg oder vor dem Arlberg – in Vorarlberg –, die gleiche Strafe zur Folge hat. (Bundesrat Schennach: Hinterm Arlberg!) – Vorarlberg heißt Vorarlberg, weil wir vor dem Arlberg sind. (Bun­desrat Schennach: ... wieder umgekehrt!)

Ein dritter Punkt, der sowohl für die Behörde als auch für den Bürger sehr, sehr wichtig ist, ist die Beschleunigung der Verwaltungsverfahren. Ich glaube, das ist vor allem in der heutigen Zeit ein Gebot der Stunde. Mit diesem heutigen Beschluss können Ver­fahren nicht mehr beliebig und künstlich in die Länge gezogen werden, sondern in Zukunft können nach Schluss eines Ermittlungsverfahrens nur noch Tatsachen eingebracht werden, die wirklich neu sind, die neu hervorgekommen sind oder über­haupt neu entstanden sind. Das führt natürlich auch zu einer enormen Beschleunigung der Verwaltungsverfahren. Auf der anderen Seite besteht auch die Entscheidungs­pflicht der Behörde. Sie muss innerhalb von acht Wochen entscheiden, sonst wird das Ermittlungsverfahren, das vorher schon abgeschlossen war, wieder aufgemacht.

Einen letzten Punkt möchte ich noch kurz ansprechen, der eigentlich auch zum am An­fang erwähnten Punkt der Entkriminalisierung passt: Wir machen heute einen ersten Schritt in Richtung einer Unschuldsvermutung im Verwaltungsstrafbereich. Ab einem Betrag von 50 000 Euro wird man die bisher geltende Verschuldensvermutung umdre­hen. Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren, ob das zu hoch angesetzt ist. Es wurde jetzt einmal so angesetzt, weil in anderen Bereichen, im Finanzstrafrecht bei­spielsweise und im Strafrecht generell, diese Grenze von 50 000 Euro schon imple­mentiert ist. Der Herr Minister hat aber bereits angekündigt, das nach zwei Jahren zu evaluieren und dann zu entscheiden, ob man diese Grenze noch heruntersetzen, also noch weiter in Richtung Entkriminalisierung gehen kann.

 


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