BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 75

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Kinder betrachten. Die Hilfe, die geboten wird, muss als Hilfe zur Selbsthilfe im Sinne des Subsidiaritätsprinzips ausgestattet werden. Es braucht also einen Blick auf den anderen, der die Schutzbedürftigkeit mit einem Blick auf den ganzen Menschen einordnet.

Ich würde Ihnen raten, dass Sie sich vielleicht einmal eine Demenzstation in dem Bundesland, in dem Sie zu Hause sind, ansehen und fragen, wie der Tagesablauf von morgens bis abends ist: Frühstück, Mittagessen, Abendessen. Fragen Sie dann einmal selbst dort nach, was mit diesen Menschen sonst noch gemacht wird: etwas Geistiges, dazu auch etwas Körperliches und so weiter? Sie werden sich wundern, dass wir in diesem Bereich Probleme haben, wir haben in diesen Anstalten auch zu wenig Personal.

Diesem Anliegen dient die Tatsache, dass es nach dem Erwachsenenschutz-Gesetz nicht nur eine Kategorie von Vertretung gibt. Meine Damen und Herren, den Sach­walter im klassischen Sinne, der alle Bereiche der Vertretung innehat, gibt es nicht mehr. Jetzt gibt es vier Kategorien der Vertretung, die den jeweiligen persönlichen Erfor­dernissen angepasst sind.

Das Erste ist die Vorsorgevollmacht. Jeder kann im Voraus bestimmen, wer bei Verlust oder wesentlicher Einschränkung der Entscheidungsfähigkeit in bestimmten Bereichen die Vertretung übernimmt.

Zweitens gibt es die gewählte Erwachsenenvertretung. Wenn der Bedarfsfall einer Ver­tretung eingetreten ist, kann man immer noch seine Vertretung wählen, auch bei geminderter Entscheidungsfähigkeit. Die gewählte Vertretung ist dann vor einem Notar, einem Rechtsanwalt oder bei einem Erwachsenenschutzverein festzulegen.

Drittens: Die gesetzliche Erwachsenenvertretung ist das, was bisher die Vertretung durch nächste Angehörige darstellte. Diese kann vor den schon genannten Stellen errichtet werden, sie unterliegt der richterlichen Kontrolle und endet spätestens nach drei Jahren.

Viertens: Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ersetzt mit 1. Juli dieses Jahres den früheren Sachwalter. Sie ist auf bestimmte Aufgaben beschränkt und stellt nicht mehr eine Vertretung in allen Angelegenheiten dar. Meine Damen und Herren, mit diesen verschiedenen Formen der Vertretung kann den Grundsätzen Unterstützen statt Ent­mündigen und Schluss mit der kompletten Entmündigung entsprochen werden. Es können damit nämlich die individuellen Bedürfnisse und Schutznotwendigkeiten Be­rück­­sichtigung finden. Mit dieser Veränderung der Perspektive und der Einführung verschiedener Typen von Vertretung ergibt sich nun die Notwendigkeit, in verschie­denen Bereichen des Rechts Anpassungen vorzunehmen, die mit der vorliegenden Beschlussfassung erfolgen.

Es geht dabei nicht nur um ein Austauschen von Wörtern und Finden von neuen Formulierungen. Es geht darum, dass diese neue Perspektive auf den Menschen, seine Schutzbedürftigkeit, aber auch seine unantastbare Würde im ganzen Recht ver­stärkt Platz finden kann.

Mit dem Inkrafttreten des neuen Erwachsenenschutz-Gesetzes gilt es, noch weitere Schritte zu setzen. In Österreich gibt es über 60 000 Menschen, die bis jetzt besach­waltet sind, deren Status nun aber überprüft werden muss. Das betrifft auch das, was ich vorhin erzählt habe, nämlich dieses große Pflegeheim für an Demenz Erkrankte in der Steiermark. Nach Überprüfung dieser 60 000 Fälle kommen Sie drauf, meine Damen und Herren, dass es viele Frauen und Männer gibt, die in diesen Pflegeheimen für an Demenz Erkrankte nichts zu suchen gehabt hätten. Da gibt es andere Möglich-


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