BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 74

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Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundes­minis­ter! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des National­rates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, mit dem verschiedene Materiengesetze angepasst werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gregor Hammerl. Ich erteile dieses.


17.35.12

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Meine geschätzten Damen und Herren! Heute ist ein großer Tag. Mit dem Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz, das wir heute beschließen, ist im Parlament ein Meilenstein in der Entwicklung der sozialen Verantwortung geglückt.

Wir sind das einzige Land in Europa, meine Damen und Herren, das ein Gesetz hat – das heute beschlossen wird, es ist großartig –, das es ermöglicht, Menschen, die hilfs­bedürftig sind, zu helfen. Es war eine Perspektivenänderung in Richtung der Men­schen, die Schutz brauchen, die zugleich aber die eigenen Fähigkeiten und Kräfte ent­wickeln können.

Der Mensch, der leider auch in sozialstaatlichen Zugängen oft als Mittel behandelt wird, rückt damit in den Mittelpunkt. Der Mensch droht im bürokratischen und betreue­rischen Umgang oft nur zu einer Nummer zu werden, zu einer Sache, die dann ver­waltet wird. In unserem Fall hieß es dann: Er wird besachwaltet, ist also eine Sache, ein Fall.

Dieser indirekte Zugang zum Menschen ist in manchen Punkten, meine Damen und Herren, in einem Sozialstaat aus Gerechtigkeitsgründen wichtig. Er bedarf aber unbe­dingt der Einbettung in eine direkte Begegnung. Die wenigsten wissen, dass es in Österreich knapp 400 000 Frauen und Männer mit der Diagnose Demenz gibt. Die Damen und Herren, die schon länger hier im Bundesrat sind, werden den Herrn kennen: Ich spreche von einem Bundesratskollegen, den ich seit zwei Jahren betreue, der überraschend in eine Anstalt hineingekommen ist. Wir versuchen seit zwei Jahren, ihn herauszuholen. Mit diesem Erwachsenenschutz-Gesetz, meine Damen und Herren, wird es uns gelingen, dass er wahrscheinlich nicht mehr bei seiner Familie, sondern wieder allein und selbstständig wohnen kann.

Meine Damen und Herren! Der Sozialstaat muss ja von der Hilfsbedürftigkeit der Menschen ausgehen, darf aber die Fähigkeiten der Menschen, sich selbst zu ent­wickeln, nicht übersehen. Wenn ich im anderen nur den Hilfsbedürftigen sehe, nicht aber auch seine Fähigkeiten im Auge behalte, kommt es nur zu leicht zur Sicht, den anderen als arm, behindert oder besachwaltet anzusehen.

Dadurch gerät der Mensch in Abhängigkeiten, er wird nicht als ganzer Mensch, mit in manchen Bereichen vielleicht größeren Fähigkeiten als sogenannte Mündige und Schwache, gesehen. Wir brauchen also, meine Damen und Herren, eine ganzheitliche Sicht auf Menschen, die des Schutzes bedürfen. Wir dürfen sie nicht wie unmündige


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