11.46.32

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark)|: Hohes Präsidium! Ich bedanke mich da­für, dass die freiwillige Redezeitbeschränkung heute offensichtlich etwas aufgeweicht ist.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich bedauere es, dass Sie als neue Ministerin einen sol­chen Eindruck vom in der Vergangenheit als sehr sachbezogen bekannten Bundesrat bekommen, der Sie hier mit Aktionen, die weit unter jedem Anstand und unter jeder Gürtellinie sind, konfrontiert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Dasselbe bitte ich die Zuseher und Zuseherinnen zu Hause vor den Bildschirmen zur Kenntnis zu nehmen: dass dies nicht der Stil ist, den wir hier normalerweise pflegen!

Aber kommen wir zu dem Thema zurück, um das es eigentlich im Wesentlichen – im Kern will ich nicht sagen – geht. (Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP.) In Hinkunft wird es also zu folgenden Situationen kommen, die ja auch nicht ganz neu sind und eigentlich in ähnlicher Form schon in der Vergangenheit gegeben waren: Ein Unternehmen hat ein Problem mit der Fertigstellung zu einem pönalisierten Termin, oder es muss eine An­gebotsfrist einhalten und kommt mit dem Papierkram zeitlich kaum zu Rande. Dann wird der Chef die Mitarbeiter fragen, ob sie zur Bewältigung dieses Aufwandes einen, zwei, drei, vielleicht vier Tage einmal zwölf Stunden arbeiten können.

Dann wird von den Mitarbeitern einer vielleicht sagen: Es tut mir leid, aber das geht lei­der nicht, ich habe eine Feuerwehrübung, ich habe eine Schulung, ich habe eine Voll­versammlung meines Vereins. Dann wird der Chef einen anderen fragen. – Ein ande­rer Mitarbeiter wird sagen: Ja, mache ich sehr gerne, dafür habe ich am nächsten Frei­tag frei. Wieder ein anderer Mitarbeiter wird sagen: Mache ich auch sehr gerne, ich brauche das Geld für die Überstunden ohnehin, weil ich gerade mein Badezimmer re­noviere.

Solche Situationen wird es hinkünftig in Vielzahl geben. Sie werden vor allem rasch, unbürokratisch, ohne dass man sich am Rande der Illegalität bewegt und zum Vorteil beider Seiten, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ablaufen. – So weit, so gut.

Aber eine ehemals staatstragende, mittlerweile eher unbedeutende Partei und ihre Vorfeldorganisationen haben ein Problem damit. Eine hätte ich fast vergessen, aber die hat sich ja jetzt lautstark zu Wort gemeldet, sich bemerkbar gemacht und noch ein­mal aufgebäumt: Das ist eine ehemals eher unbedeutende und mittlerweile gänzlich unbedeutende Partei! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Warum tun die das? – Vordergründig einmal, weil sie offensichtlich im Hier und Heute unserer Arbeitswelt und unserer Wirtschaft, wie es Kollege Buchmann schon ausge­führt hat, nicht angekommen sind, weil sie das Bild einer Arbeitswelt von vor über hun­dert Jahren im Kopf haben und nicht ablegen können. Diese Damen und Herren haben offensichtlich noch nie etwas gehört von, wie es heute auf Neudeutsch so schön heißt, HR, Human Resources. In dem Wort Resources steckt auch der Begriff Kapital drin, und jedes konkurrenzfähige Unternehmen heutzutage beschäftigt sich mittlerweile in­tensiv mit diesem Thema. Es investiert, es lässt sich selber schulen und hat es in sei­nen Unternehmensleitbildern, in seinen Zielen und Visionen festgeschrieben.

Die Unternehmen wissen ganz genau um die Bedeutung gut ausgebildeter, geschulter und vor allem motivierter Mitarbeiter für ihr Unternehmen. Sie machen dafür sogar fir­meninterne, anonymisierte Befragungen, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu messen. Sie investieren in Schulungen.

Sie wären schon verdammt dumm und bereits längst nicht mehr am Markt, wenn sie dieses Kapital, diese Human Resources, leichtfertig aufs Spiel setzen würden und wenn sie damit die eigene Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit gefährden oder vernichten würden. Das ist es ja, das wäre es ja, wenn ein Mitarbeiter, der nicht kann oder will, aus welchen Gründen auch immer, zu etwas gezwungen oder dann entlas­sen wird. Das ist ein völliger Schwachsinn. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wieso aber werden diese Fakten (Ruf bei der ÖVP: Das ist alles freiwillig!), die ich Ih­nen hier aufgezählt habe, von dieser ehemals staatstragenden, mittlerweile eher un­bedeutenden Partei und ihren Vorfeldorganisationen einfach negiert? (Bundesrat We­ber: Danke für die Sachlichkeit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das ist ja das Entlarvende: Es geht in Wirklichkeit gar nicht um die Interessen der Arbeitnehmer, es geht lediglich, meine Damen und Herren, um die Machterhaltung, die Erhaltung der ei­genen Macht! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Freundschaft!)

Sie (in Richtung SPÖ) wollen sich ganz einfach nicht damit abfinden, dass Sie als ehe­mals staatstragend jetzt eher unbedeutend sind. (Bundesrat Weber: Das haben wir schon gehört! Das ist jetzt nichts mehr Neues!) Sie versuchen, dies mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, indem Sie Unwahrheiten verbreiten (Zwischenrufe bei der SPÖ) und tiefst in die klassenkämpferische Mottenkiste greifen, so nach dem Bild: hier der böse Unternehmer, und auf der anderen Seite (Bundesrat Schennach: Brandstifter!) der arme, versklavte, ausgebeutete Arbeitnehmer. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dass das nicht greift, habe ich ja bereits ausgeführt.

Sie tun so, als ob in Zukunft die Billa-Verkäuferin zwölf Stunden hinter ihrer Kasse sit­zen müsste, und das das ganze Jahr lang. Ich habe gerade diese Unternehmen auch im Handel, über die oft geschimpft wird, selber erlebt, als wir in Leoben eine Diskus­sion über die Sonntagsöffnungszeiten des Spar-Geschäfts am Bahnhof hatten. Die Kommunisten bei uns im Gemeinderat – wir haben in der Steiermark noch solche Re­likte – haben versucht, das zu verhindern. Es ist Gott sei Dank nicht gelungen.

Als ich dann einmal am Sonntag dort war, weil ich etwas gebraucht habe, sitzt dort die Tochter der kommunistischen Gemeinderätin an der Kasse. Da habe ich zu ihr gesagt: Um Gottes willen, wie arm sind Sie! Sie werden hier ausgebeutet und müssen am Sonntag arbeiten. Sie hat mich ganz entgeistert angeschaut und hat gesagt: Nein, da passt alles! Sie bekommt alles bezahlt, alle Zuschläge, alle Überstunden. – So ist näm­lich die Realität, die Sie nicht wahrhaben wollen (Zwischenruf des Bundesrates We­ber), indem Sie eine Gesundheitsgefährdung an die Wand malen, die überhaupt nicht gegeben ist, die es theoretisch ja auch jetzt schon geben müsste: bei den ÖBB, bei den Ärzten.

Denn worum handelt es sich da in Wirklichkeit? (Bundesrat Weber: Äpfel mit Birnen vergleichen!) – Wenn beispielsweise vor einem Wochenende jemand auf einer Bau­stelle ist, und dann bricht dort irgendetwas, es geht eine Maschine kaputt, und er muss halt dortbleiben, oder er bleibt freiwillig gerne dort, um diese Arbeit fertig zu machen, damit er nicht am nächsten Tag noch einmal hinfahren muss, dann hat er ja ohnehin auch seine Wartezeiten, seine Ruhezeiten dazwischen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das kann es künftig kurzfristig und vor allem legal geben; gerade bei kleineren Unter­nehmen, die Einzelvereinbarungen mit ihren Mitarbeitern und keinen Betriebsrat ha­ben. Das ist ein sehr, sehr großer Teil. Diese müssten theoretisch für jede solche An­ordnung oder Bitte um zwölf Stunden ein arbeitsmedizinisches Gutachten beibringen! Das ist ja in der Praxis unmöglich. Mit diesem Gesetz wird der Zustand, den es ja in Wirklichkeit ohnehin schon gegeben hat, wo aber dann bei den Zeitkontierungen ge­trickst worden ist, damit das halbwegs legal ist, legalisiert! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie betreiben diese Kampagne in einer – das haben wir heute wirklich drastisch vor Augen geführt bekommen – an Verhetzung grenzenden Weise, mit einer so gezielten Desinformation. (Der Redner hält ein Blatt mit Abbildungen, die unter anderem den Na­tionalratsabgeordneten Muchitsch und einen Pflasterstein zeigen, in die Höhe.) Diese Pflastersteine brauchen wir gar nicht mehr näher zu erläutern, die haben wir jetzt wirk­lich im Maßstab eins zu eins, im Originalgewicht gesehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Jeder weiß, worum es dabei gegangen ist: dass vor die Privatwohnungen von Abge­ordneten von FPÖ und ÖVP Grablichter und Pflastersteine gelegt wurden. Das sind Ungeheuerlichkeiten!

Meine Damen und Herren! Gerade deshalb ist es so wichtig, dass dieses Gesetz rasch in Kraft tritt, damit nämlich die Arbeitnehmer, die hier so massiv verunsichert werden, ab 1. September schnell draufkommen: Das ist ja alles gar nicht wahr gewesen, was ihnen da erzählt worden ist! Denn sonst würden diese Hetzkampagne und diese Ver­ängstigungspropaganda noch ewig weitergehen.

Abschließend nur noch ein Beispiel: Den Vogel haben ja – das muss ich bedauerlicher­weise sagen – leider meine steirischen Kollegen abgeschossen, in der Landtagssit­zung am 3. Juli des heurigen Jahres. (In Richtung SPÖ:) Ein Begehren der Kommunis­tischen Partei, gleichlautend mit dem, das Sie heute hier eingebracht haben, haben Sie abgelehnt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Bei der namentlichen Abstimmung sind der Bun­desgeschäftsführer Max Lercher und die Gewerkschaftsfunktionärin Helga Ahrer gar nicht im Saal gewesen, und die anderen haben in Koalitionstreue zugestimmt. Aber Sie bringen hier diesen Antrag ein, den Sie dort selber abgelehnt haben – das ist der Gipfel an Pharisäertum! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auch die Sprache in diesem Antrag zeigt es ja. Hier ist immer von Raub die Rede: Lohn­raub, Freizeitraub. Auch wenn Bundesrat Todt in seinem Redebeitrag eher weichge­spült war, aber an dem, was da drinsteht, sieht man ja schon: Die Unternehmer sind die Räuber.

Wenn Sie versuchen, in der „Kleinen Zeitung“ nachzulegen und uns, Bundesräte aus der Steiermark, zu überzeugen, dass wir hier heute dagegenstimmen, so ist das lach­haft! Das kommt manchen auch selber so vor. Mich hat der ehemalige Bundesratsprä­sident Mario Lindner am Montag angerufen, um mir mitzuteilen und mich zu fragen, ob er mir noch Unterlagen schicken darf und ob ich nicht vielleicht heute doch gegen die­ses Gesetz stimmen könnte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Er hat sich ohnehin selber nicht ganz ernst genommen, aber er war offensichtlich von der Gewerkschaft dazu ver­gattert und hat das mir gegenüber auch zugegeben, so ungefähr in dem Sinne, dass er das abhaken muss: Krusche angerufen, Pflicht erfüllt.

Meine Damen und Herren, bei uns werden Sie hier niemanden finden, der sich so aufs Glatteis führen lässt! Wir werden selbstverständlich dieser guten und für die Wirtschaft wichtigen Flexibilisierungsregelung (Zwischenrufe der Bundesräte Schabhüttl und We­ber) unsere Zustimmung erteilen, auch wir drei Steirer, meine Damen und Herren! (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

12.00

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Reinhard Todt. – Bitte, Herr Bundesrat.