16.09.05

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Wertes Präsidium! Frau Staatssekretä­rin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hinter dem Titel Fremdenrechtsänderungsgesetz verbergen sich 14 Gesetze, die davon betroffen sind. Es sind unter anderem das Frem­denpolizeigesetz, das Asylgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Grundversorgungsgesetz, das Universitätsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz, das Hochschulgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Gedenkstättengesetz, das Meldegesetz, das Personenstandsgesetz, das Zivildienstgesetz und das Sicherheits­polizeigesetz.

Bevor ich auf die Materie und dieses Gesetz eingehe, möchte ich eigentlich mit etwas starten, was nicht alle heute hier erwarten, nämlich mit einem Lob an diese Bundes­regierung, denn zumindest bei diesem Gesetz hat es eine Begutachtung gegeben, im­merhin einen Monat lang die Möglichkeit, Stellungnahmen einzubringen. Das ist bei der jetzigen Bundesregierung ja beinahe schon die löbliche Ausnahme, denn heutzutage wird ja vieles leider im Husch-Pfusch-Verfahren in einer Nacht- und Nebelaktion ein­gebracht, aber bei diesem Gesetz hat es zumindest eine einmonatige Begutachtungs­frist gegeben, und in dieser Zeit sind auch 66 veröffentlichte Stellungnahmen einge­langt.

Zitieren möchte ich aus drei dieser Stellungnahmen. Die erste ist jene der Arbeiter­kammer, die schreibt: „Der vorgeschlagene Gesetzesentwurf erweckt aber in weiten Teilen den Eindruck, dass er von einem tiefgehenden Misstrauen gegenüber Flüchtlin­gen bzw AsylwerberInnen geprägt ist [...].

Dagegen sind substantielle“ – also grundlegende – „Verbesserungen der Qualität der erstinstanzlichen Asylverfahren durch diese Novelle nicht zu erwarten.“

UNHCR schreibt: „Die vorgeschlagenen Maßnahmen scheinen zudem in ihrer Gesamt­heit wenig geeignet, das Ziel der Effizienzsteigerung zu erreichen, da den zuständigen Behörden eine Reihe von zusätzlichen Aufgaben auferlegt werden, die einen erhebli­chen Arbeitsaufwand nach sich ziehen werden.“

Zu guter Letzt schreibt auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag: „In diesem Sinne ist mit Bedauern festzustellen, dass es – anders als im Regierungsprogramm angekündigt – nicht zu einer Neukodifikation der betreffenden Rechtsmaterie gekom­men ist,“ – also einer systematischen Zusammenfassung der Rechtssätze eines Rechts­gebiets in einem einheitlichen Gesetzeswerk – „sondern vielmehr eine die“ Vielschich­tigkeit dieses Gesetzes „abermals steigernde und somit auch Rechtsunsicherheit“ er­höhende Teilnovelle. Es steht hier auch, dass eine Beschleunigung des Verfahrens nicht zu erwarten ist und die Erfüllung des Ziels angesichts des Entwurfs eher unrea­listisch sei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind nur drei Stellungnahmen, aus denen ich jetzt vorgelesen habe, ich möchte aber eigentlich auf den Hauptkritikpunkt meiner­seits eingehen, und das ist die Kostendimension. Wenn ich mir anschaue, was die Überprüfung eines einzelnen Asylwerbers auf Bargeld und das zuständige Personal, das man dafür braucht, kosten, stelle ich fest, dass dies im Voranschlag in Summe mit einem Betrag von 1,1 Millionen Euro pro Jahr angesetzt ist. Weiters finden sich eine Softwareadaptierung des Innenministeriums um 900 000 Euro, die Übersetzung von Infoblättern und Ankündigungsdokumenten um weitere 88 000 Euro, 27 neue Geräte für das Auslesen von Handydaten zum Stückpreis von 12 000 Euro, in Summe also 324 000 Euro. Das macht insgesamt 2,4 Millionen Euro aus.

Das ist aber noch lange nicht alles. Jetzt kommen noch die Kosten dazu, die im Be­reich des Bundesverwaltungsgerichts anfallen werden. Dort rechnet man mit immerhin 4 000 neuen Verfahren. Das bedeutet einen zusätzlichen Personalaufwand von sage und schreibe 5,2 Millionen Euro. Das umfasst 28 Richter, zusätzlich Kanzlei, Rechtsbe­ratung und so weiter. Zudem ergibt es zusätzliche Verfahrenskosten von 1,8 Millionen Euro. Wir sind jetzt bei einer Summe von 7 Millionen Euro angelangt. Und man höre und staune, jetzt kommt das Wichtigste: Diese Summe ist weder vom Innenministerium noch vom Justizministerium und auch nicht vom Finanzminister zugesagt worden.

Da stellt sich die große Frage: Wer soll das bezahlen? Vielleicht sind es die üblichen Geldgeber und Financiers, die einspringen, wie bei der Wahlwerbung und bei diversen Plakaten. Ein heißer Tipp wäre der KTM-Chef, ein heißer Tipp wären auch die Freunde von der Industriellenvereinigung, solange nicht wieder die österreichischen Arbeitneh­mer und Arbeitnehmerinnen dafür bluten müssen, soll es mir ja recht sein. (Bundesrat Mayer: Von der Bawag gibt es ja nichts mehr!)

Wenn ich aber alles zusammenrechne, komme ich bei den großen Summen auf 9,4 Millionen Euro für ein Gesetz. Meine Damen und Herren, haben Sie schon einmal überlegt, was an Sinnvollem mit dieser Summe – 9,4 Millionen Euro! – im Sicherheits­bereich angekauft werden könnte? Wie viele Stichschutzwesten könnten wir für deine Kolleginnen und Kollegen, lieber (in Richtung Bundesrat Forstner) Armin – du redest ja nach mir –, einkaufen, ohne dass das die Beamtinnen und Beamten aus der eigenen Tasche finanzieren müssten? Wie viel zusätzliches Personal könnten wir bei der Poli­zei mit diesem Betrag einstellen? Wie viele neue Dienstautos anschaffen? Wie viele Renovierungen von Polizeiinspektionen könnten wir damit finanzieren? (Bundesrat Samt: Die Frage ist, wieso ihr die zugesperrt habt!) Und da sind die Pferde noch gar nicht eingerechnet, denn angeblich sind dem Herrn Innenminister – er traut sich ja nicht mehr in den Bundesrat – bereits 36 Pferde aus dem In- und Ausland angeboten worden. Das erste soll angeblich Dorian heißen, ich weiß nicht, ob es stimmt. Ein Pfer­destall in Wien Simmering, in der Lobau oder in der Krieau ist im Gespräch, laut einem Polizeidokument würde dieser Pferdestall 7 Millionen Euro kosten.

Zusammengefasst kann man sagen: Dieses Gesetz ist ein erneuter Showact dieser schwarz-blauen Bundesregierung (Beifall bei der SPÖ) mit – und das ist leider Gottes ja das Traurige dabei – enormen Kosten für die Steuerzahler und zusätzlichen Verfah­ren, anstatt Effizienzsteigerung und Verfahrensverkürzungen.

Da wir schon beim Thema Steuergeldverschwendung sind – viel Geld um nichts –, möchte ich ganz kurz auf den 26. Juni eingehen. Ich war auch dort, Augenzeuge in Spielfeld – „Pro Borders“, große Einsatzübung –: 100 Polizeischüler hat man am Zaun rütteln lassen, rund 800 Uniformierte aus dem Bundesheer und dem Polizeibereich mit Hubschraubern, mit Panzern und allem Drum und Dran hat man auffahren lassen, ein­fach und allein deswegen, damit die Medien ein paar schöne Fotos zustande bringen – denn den Durchbruch an der Grenze hat es nie gegeben, weder in Bad Radkersburg noch in Spielfeld. Wenn es unsere Behörden leider nicht schaffen, 8, 10 Stunden lang Busse zum Weitertransport nach Deutschland zu organisieren, wenn es unsere Behör­den nicht schaffen, diese Zigtausend Flüchtlinge an der Grenze zu versorgen, dann stelle ich mir die Frage: Wer hat denn damals den Innenminister gestellt? (Beifall bei der SPÖ.) Wer war denn damals für diesen Bereich verantwortlich? Wer war denn In­nenminister? Wer war denn zu dieser Zeit für das Thema Integration politisch zustän­dig? Wer war denn das? (Bundesrat Samt: Wer waren denn die Bremser in der letzten Bundesregierung?)

Allerneuesten Gerüchten nach bereitet der Herr Bundesminister ja auch die Schlacht um Helms Klamm vor – „Herr der Ringe“-Fans hätte ihre wahre Freude dabei. Aber mir fällt leider Gottes nur eines zu dieser Bundesregierung ein: Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht. Auf Deutsch oder Steirisch gesagt: ein bisschen weniger reden, ein bisschen weniger Schlagzeilen produzieren, mehr arbeiten und dabei keine schlampigen Gesetze vorbereiten und keine Luftblasen in die Welt setzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.19

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Armin Forstner. Ich erteile es ihm.