16.49.42

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Frau Staatssekretärin, wir werden wohl für längere Zeit ein gedeihliches Verhältnis miteinander finden, denn da der Ressortleiter, nachdem er hier einmal die Contenance verloren hatte, mitgeteilt hat, dass er künftig den Bundesrat nicht mehr besuchen wird, sondern dass Sie das machen werden, sollten wir uns auf eine langfristige Zusammenarbeit einstellen. (Staatssekretärin Edtstadler: Ja!) Sie haben das quasi so entschuldigend gesagt, ich spreche jetzt aber gleich ganz anders. Ich bin froh, dass Sie hier sind und nicht der Ressortleiter. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

Ich sage Ihnen auch, warum ich froh bin, dass Sie hier sind – und ich sage das als Mit­glied des Europarates –: Sie waren nämlich am Europäischen Menschenrechtsge­richtshof tätig, und es ist nicht lange her, dass Papst Franziskus gesagt hat, dass der Europäische Menschenrechtsgerichtshof das unverrückbare Gewissen Europas ist. Sie haben zwei Jahre lang an Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichts­hofs mitgewirkt, die in erster Linie eine spezielle Optik haben, und diese Optik ist die maximale Durchsetzung der Menschenrechte.

Ich habe mir Ihre Worte angehört, und ich habe auch die Worte meines Kollegen Mar­tin Weber gehört, und ich sage Ihnen jetzt: Die Effizienz, von der Sie im Hinblick auf diese Novelle sprechen, sehe nicht nur ich nicht! Der „Kurier“ hat zum Beispiel getitelt: „Fremdenrecht neu: Viel Symbolik, kaum Effekt.“

Da Sie gesagt haben, das sei ein Schritt zu mehr Rechtssicherheit, frage ich mich, wa­rum die Vereinigung aller österreichischen Rechtsanwälte, die im Rechtsanwaltskam­mertag zusammensitzen, sagt, dass das eine die Rechtsunsicherheit fördernde Teil­novelle ist. – Wir können jetzt unterschiedlicher Meinung sein, ob das ein Showact ist oder nicht oder ob das mehr Symbolik ist. Symbolik liegt aber jedenfalls drinnen, und die Symbolik ist keine schöne, denn sie besagt einfach, dass Flüchtlinge – ich rede hier von Schutzbefohlenen, also von tatsächlich Asylsuchenden – in der Form einfach nicht willkommen sind. Tatsächlich baut man jetzt 26 zusätzliche Schikanen ein.

Man kann diese Politik verfolgen, keine Frage! In manchen Staaten wird sie ja schon verfolgt. Es wird jetzt aber auch noch dazugesagt, dass für diese gesamte Symbolik auch sehr viel Geld aufgewendet wird. Sie schreiben in das Vorblatt des Gesetzes, dass die Umsetzung der vorgesehenen Neuregelungen erhebliche Mehrkosten, unter anderem und auch durch die Beschäftigung zusätzlichen Personals verursacht. Es ist die Rede von 28 neuen Richtern, denn es wird schätzungsweise 4 000 Verfahren ge­ben, und es werden Geräte angeschafft werden müssen. Das wird insgesamt 9 Millio­nen Euro kosten. Gut: Symbolik kann auch etwas kosten. Das kann ich auch verste­hen. Es gibt dann aber einzelne Punkte, auf die Sie stolz sind, und ich weiß nicht, ob Sie darauf stolz sein sollten! Da geht es nämlich um die finanzielle Beteiligung von Menschen, die wirklich auf der Flucht sind. Von denen reden wir jetzt.

Frau Staatssekretärin! Als ich das zum ersten Mal gelesen habe, ist mir eine Geschich­te aus meiner Familie eingefallen: Mein Vater ist eine Woche, nachdem er zu einer mörderischen Einheit der Wehrmacht eingezogen wurde, desertiert. Als er nach sehr entbehrungsreicher Flucht nach Nauders in Tirol gekommen ist, hat ein Wirt gemerkt, dass es sich um einen Flüchtling handelt, der nur ein wenig Milch braucht. Daraufhin hat der Wirt meinem Vater das ganze Geld abgenommen und gesagt: Ich melde dich sonst! – Ein paar Tage später ist mein Vater in Nassereith angekommen, dort war je­mand anderer, der gesagt hat: Der Mann ist auf der Flucht, ich päpple ihn auf und helfe ihm! Nur so hat mein Vater letztlich überlebt.

Genau darum geht die Diskussion, die wir jetzt öffentlich führen: Nehmen wir denen, die eine unglaubliche Entbehrung auf sich nehmen und vielleicht noch von Verwandten aus irgendwelchen Strümpfen ein bisschen Restgeld erhalten haben, um auf einer solchen Flucht, die schon viel gekostet hat, noch eine gewisse Restwürde zu haben, noch den letzten Notgroschen ab oder nicht? Ich glaube, Ersteres steht einem Land wie Österreich nicht an!

Es gibt in diesem Gesetz auch einige positive Punkte, das möchte ich auch nicht ver­schweigen.

Übrigens spricht in einer Begutachtung auch eine Institution, die Sie, glaube ich, vor allem aus Ihrer Zeit in Straßburg persönlich auch sehr schätzen, von erheblichem Arbeitsaufwand bei geringerer Effizienzsteigerung, nämlich der UNHCR. Das ist eine durchaus sehr seriöse Institution.

Aber schauen wir uns das an – und das ist auch von einem Vorredner in der Debatte gesagt worden –: Die Stadt Wien ist die Heimat von Menschen geworden, die Asyl su­chen und die aus Migrationsgründen letztlich auch unsere Wirtschaft aufrechterhalten. Zudem ist Wien eine UN-Stadt mit Tausenden Mitarbeitern. Wien ist der Wirtschafts­magnet und Impulsgeber mit ganz vielen internationalen Experten und Wirtschafts­treibenden, und Wien ist eine Tourismusstadt. Daher schaut Wien nicht aus wie – sa­gen wir einmal – Neusiedl oder Gramatneusiedl oder welche Ortschaft auch immer, sondern daher hat Wien ein internationales Gesicht, und diesbezüglich sollte man in einer Diskussion unterscheiden.

Sie sagen, dass Sie die Handykarten brauchen, um die Geodaten der Fluchtrouten zu ermitteln. Danke sagen jetzt wahrscheinlich die Schlepper! Damit öffnen Sie einen neuen Markt, denn nun werden natürlich SIM-Karten und Handys weggeworfen und andere verkauft.

Außerdem dürfen wir in manche Einreiseländer nicht zurückschicken. Das ist eine Ent­scheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs. Wir dürfen niemanden nach Griechenland schicken, und das ist auch eine Anordnung, die für Österreich gilt. (Bun­desrat Schuster: Das ist angeblich ein gefährlicher Drittstaat!) – Der Europäische Men­schenrechtsgerichtshof hat Rückweisungen nach Griechenland untersagt, das kann Ihnen die Frau Staatssekretärin in einer Extralektion erklären, das muss ich nicht tun. (Bundesrat Schuster: Sie fahren auf Urlaub dorthin, aber es ist sehr gefährlich!) – Die Frau Staatssekretärin kann Ihnen das erklären.

Frau Staatssekretärin! Nun kommen wir zur Staatsbürgerschaft: Ich bin überzeugt da­von, dass Sie wissen, dass die Genfer Flüchtlingskonvention bei Staatsbürgerschaften eine Sonderbehandlung vorsieht, weil Personen ja aus einem Land geflohen sind, in dem sie keine politischen Rechte haben. Deshalb bestimmt die Genfer Flüchtlingskon­vention, dass es eine Sonderbehandlung geben soll. – Sie sagen jetzt, dass wir auf die zehn Jahre zurückgehen. Das ist ein Symbol, denn wir haben ja zehn Jahre. Das wird an der Gesamtsituation nicht sehr viel ändern.

Bei dieser Gelegenheit muss ich auch noch sagen: Ich habe mir einmal herausgesucht, was eine Staatsbürgerschaft in Europa kostet: In Dänemark kostet sie 134 Euro, in Frankreich 55 Euro, in Schweden 160 Euro, im mittlerweile so berühmten Deutschland 255 Euro und in Österreich je nach Bundesland zwischen 1 200 und 2 400 Euro. (Bun­desrat Steiner: Immer noch zu wenig!) Das ist interessant! Das heißt nämlich, dass man das auch bei der geregelten Zuwanderung nicht will.

Nächster Punkt: Wir sind auch ein internationaler Standort. Wien hat die größte deutschsprachige Universität überhaupt, und wir sind sehr froh, dass wir Universitäts­lehrgänge in allen Sprachen anbieten. Heute ist auch die Kremser Donau-Universität entsprechend hervorgehoben worden. Daher frage ich: Warum gibt es jetzt auf einmal diese Schikanen gegenüber den Studierenden? Das verstehe ich nicht! Außerordent­liche Hörer brauchen zum Beispiel an der Donau-Universität ja kein Wort Deutsch, weil die Lehrgänge alle in Englisch abgehalten werden. – Kollege Bader hat heute diese Universität ganz besonders hervorgehoben.

Nun zum letzten Punkt: Wem dient diese Novelle, die Sie hier auch so gelobt haben, eigentlich? Sie dient ja nicht den 54 000 Menschen, die Asylanträge gestellt haben. Diese berührt das ja nicht, weil das ja nichts Rückwirkendes ist. Es betrifft also die we­nigen Hundert, die derzeit nach Österreich kommen. Das heißt, das bedeutet nichts anderes, als dass, wenn wir sehen, dass 42 Prozent der Entscheidungen angefochten werden, es den Staat jetzt sehr viel Geld kostet, all diese Einrichtungen zu machen. Der überwiegende Anteil der Leute hat derzeit elendslange Verfahren. Insofern ist das ein bisserl relativ. Für die paar Hundert – da haben Sie recht –, da wird es schneller gehen, aber wie kommen wir bei den 54 000, die warten und warten und warten, end­lich einmal zu einem Ergebnis? Das wäre schon interessant zu wissen.

Frau Staatssekretärin! Bei aller Ehre Ihrerseits und in Anbetracht Ihrer Ausbildung in Straßburg: Wenn wir Diskussionen darüber hören, dass man in Europa gar kein Asyl mehr beantragen können sollte, dann muss ich sagen: Sie wissen doch ganz genau, dass das rechtlich nicht geht. Auch wenn Launsky-Tieffenthal sagt, das sei ein veral­tetes Papier, und der Ressortleiter am nächsten Tag aber genau aus diesem veralteten Papier wieder doziert, ist eines klar: Sie wissen, dass es nicht geht! Das ist gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Ich denke, das sollte uns allen klar sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.01

Vizepräsident Ewald Lindinger: Mir liegt eine weitere Wortmeldung vor. – Herr Bun­desrat Christoph Steiner, ich erteile Ihnen das Wort.