14.03

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Mitglieder der Volksanwaltschaft, Frau Brinek und Herr Kräuter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Volksanwaltschaft ist unbestreitbar eine wichtige Institution, gerade wenn es um die Einhaltung und Förderung der Menschenrechte, um das Aufzeigen von Missständen und um Mängel in der allgemeinen Verwaltung geht. Das wurde heute schon erläutert.

Der Jahresbericht über das Jahr 2017 ist so umfassend, dass es überhaupt nur ansatz­weise möglich ist, heute Themenschwerpunkte aufzugreifen und aufzuzeigen. Ich habe für mich, so wie meine Kollegin Daniela Gruber-Pruner, das Thema Jugend und Kinder herausgestrichen, weil wir gestern auch eine Sitzung des Kinderrechteausschusses hatten und das gerade während dieser Präsidentschaft thematisch sehr gut passt.

Nach dem gestrigen Ministerrat, bei dem es um die Bereinigung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern gegangen ist – Daniela Gruber-Pruner hat es schon angesprochen –, war die Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe ein wichtiger Punkt. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich bin skeptisch, ob eine Verlagerung der Kompe­tenzen der Kinder- und Jugendhilfe in die Bundesländer wirklich besser sein soll und sein wird. Man sieht jetzt schon – man braucht sich den Bericht der Volksanwaltschaft nur durchzulesen –, welche Unterschiede es zwischen den einzelnen Bundesländern gerade in der Kinder- und Jugendhilfe gibt.

Eigentlich braucht es genau das Gegenteil, nämlich einheitliche Standards und Kompe­tenzen im gesamten Bundesgebiet, aber auch ich glaube, dass es mit den Artikel-15a-Vereinbarungen eher nicht wirklich besser wird. Schauen wir uns das einmal an. Warten wir die Soziallandesrätekonferenz nächste Woche ab. Wenn der Gesetzentwurf vorliegt, werden wir das abwägen und nach reiflicher Überlegung entscheiden, ob damit wirklich etwas besser werden kann. Ich glaube, es ist ganz wichtig, das einmal anzuschauen und dann zu entscheiden. Ehrlich gesagt, glaube ich auch nicht, dass eine Artikel-15a-Vereinbarung mit Mindeststandards dem Ganzen gerecht werden wird, aber warten wir ab.

Nun wieder zurück zum Bericht 2017, darin geht es auch um ein mir persönlich wich­tiges Thema, nämlich um das Versorgungsangebot in der Kinder- und Jugend­psychi­a­trie. Uns allen muss bewusst sein, dass das kein Nischenthema ist, das einfach irgend­wo in die Ecke gekehrt werden darf, weil es nicht viele Kinder betrifft. Ganz im Gegen­teil: Das betrifft viele Kinder! In Österreich gelten rund 165 000 Kinder und Jugendliche als behandlungsbedürftig. Im Bericht der Volksanwaltschaft heißt es, dass eine aktuelle Studie der MedUni Wien und des Ludwig-Boltzmann-Instituts aufzeigt, dass sogar fast ein Viertel aller 10- bis 18-Jährigen von einer psychischen Erkrankung betroffen ist – ein Viertel aller Kinder zwischen 10 und 18 Jahren! Das zeigt sich auch bei den stationären Aufenthalten, wo die Zahl im Vergleichszeitraum 2014 bis 2016 von 15 363 auf 16 552, also um knapp 1 200 Kinder und Jugendliche gestiegen ist.

Das wirklich große Problem bei der Behandlung dieser Jugendlichen und Kinder ist das Behandlungsangebot überhaupt. Nur 52,7 Prozent aller Aufenthalte von Jugendlichen erfolgen in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, das heißt, 47,3 Prozent sind in Abteilungen verschiedener Einrichtungen für erwachsene Personen untergebracht, und die Tendenz ist steigend und nicht sinkend.

Das ist ein großes Problem, und das ist für die Jugendlichen nicht förderlich, denn die Konfrontation mit psychisch erkrankten erwachsenen Personen ist für Minderjährige natürlich massiv belastend. Auch die Behandlungsgebiete beziehungsweise die Krank­heiten, weswegen die jungen Menschen eingeliefert worden sind, und die Behand­lungs­symptome unterscheiden sich von jenen der Erwachsenen. Ich glaube, jeder hier kann sich vorstellen, dass in psychiatrischen Einrichtungen für Erwachsene ganz an­dere Arten von Krankheitsfällen vorherrschen. Außerdem ist die Betreuung hinsichtlich des Personals und auch der Infrastruktur nicht auf Jugendliche ausgerichtet. Die Volksanwaltschaft zeigt daher in ihrem Bericht auf, dass es ein Trennungsangebot für Jugendliche in der Psychiatrie und in Krankenanstalten geben soll.

Aber auch das Angebot an niedergelassenen Vertragsärzten und -ärztinnen ist teil­weise katastrophal. Ich war, wie das Politiker öfters tun, in diesem Sommer auf Som­mertour und habe mir auch Kinder- und Jugendnotunterkünfte in verschiedenen Bun­des­ländern, etwa in Tirol und Salzburg, angeschaut. Die dortigen Betreuerinnen und Betreuer haben von Wartezeiten von teilweise über sechs Monaten bei niedergelas­senen Kinder- und Jugendpsychologen, um überhaupt einen Termin zu bekommen, gesprochen; auch in Akutfällen geht es nicht schneller. – Das ist ein riesengroßes Problem. Es braucht also auf der einen Seite mehr Ausbildungsplätze und mehr Betten und klarerweise insgesamt mehr Einrichtungen, die Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren in der Kinder- und Jugendpsychiatrie auch dezentral versorgen können.

Ich möchte jetzt auch noch zum anderen Teil des Berichts überleiten, der die Kontrolle der öffentlichen Verwaltung behandelt. In diesem Zusammenhang fand ich prinzipiell das Kapitel Familienbeihilfe und Kinderbetreuung ganz interessant, und zwar gerade betreffend mangelhafte Informationen zu Gesetzesänderungen. Das hat natürlich nichts mehr mit der aktuellen Bundesregierung zu tun, sondern das geht ein bisschen weiter zurück. Das ereignete sich noch unter Bundesministerin Karmasin, der Jugend­ministerin außer Dienst. Dabei geht es um die unzureichende Information rund um die Gesetzesänderung bei einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld und Wochen­geld. Darauf haben wir Grüne wirklich monatelang immer wieder mit Anträgen, An­fragen und so weiter hingewiesen. Wir wollten aufzeigen, dass es da tatsächlich ein riesengroßes Problem gibt. Wir haben aber von der Ministerin immer wieder gehört, dass eh alles okay ist und eh alles passt.

Die Kritik bezieht sich auf das Informationsmanagement und auf die Tatsache, dass keine Übergangsregelungen für die gesetzliche Änderung geschaffen wurden. Betrof­fen waren Mütter, die für das erste Kind ein einkommensunabhängiges Kinderbetreu­ungsgeld bezogen hatten und noch während oder kurz nach der Karenz wieder schwanger wurden und das zweite Kind erwarteten. Ihnen wurde – sie haben nach­weislich im Bundesministerium nachgefragt, wie das ausschaut – vom Ministerium mit­geteilt: Kein Problem, ihr bekommt euer Kindergeld! Dem war dann aber nicht so, es hat kein Kindergeld gegeben. Diese Familien bekamen vom Jugendministerium, ob­wohl sie anderslautende Informationen erhalten hatten, kein Kinderbetreuungsgeld, und das Ganze hatte System.

Jetzt erleben wir das wieder. Frau Volksanwältin! Herr Volksanwalt! Ich bin mir sicher, im Zusammenhang mit dem Jahresbericht 2018 werden wir dann genau über die aktu­elle Gesetzesinitiative der Regierungsparteien betreffend die erhöhte Familienbeihilfe reden dürfen! Völlig überraschend und ohne jegliche Vorankündigung oder Diskussion hat das zuständige Fachministerium die vollziehenden Finanzämter angewiesen, zahl­reichen Menschen die erhöhte Familienbeihilfe abzuerkennen. Das Ministerium hat sich dabei auf zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom April 2013 und vom Februar 2016 bezogen. Seither steht jede, wenn auch nur vorübergehende Unter­bringung in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung dem Bezug der Familienbeihilfe entgegen.

Diese Neuauslegung wurde nicht nur ohne jegliche Vorankündigung oder Diskussion vom Bundeskanzleramt beschlossen, sondern sie stieß auch Tausende Menschen über Nacht an den Rand der Armut. Jetzt gerade versucht die Bundesregierung, das Familienausgleichsgesetz zu korrigieren, aber leider wieder so etwas von falsch; ent­weder bewusst falsch oder aufgrund von Unwissenheit, doch beides ist für mich ein­fach besorgniserregend. Das kann es nicht sein!

Mit dem Entschließungsantrag, der von den Regierungsparteien vorgelegt und gestern im Familienausschuss besprochen wurde – Kollege Tiefnig hat es erwähnt –, wird das Problem betreffend Tausende behinderte Menschen nicht gelöst werden, dessen sind sich auch die Expertinnen und Experten sehr wohl bewusst. Sie haben auch gestern noch zig Mails an uns geschickt mit dem Wortlaut: Bitte stoppt das! Bitte ändert das! Formuliert einen Abänderungsantrag!, und so weiter. – So wird das einfach nicht gelöst werden. Das geht nämlich am grundsätzlichen Problem vorbei, und es gibt keine Lösung für die Kinder und Jugendlichen, die außerhalb ihrer Familien untergebracht werden müssen, wenn auch nur kurzfristig.

Ganz ehrlich, liebe Regierungsparteien: Allen Kindern und Jugendlichen und unter gewissen Voraussetzungen auch jungen Erwachsenen in Österreich soll Familien­bei­hilfe gleichermaßen zustehen, denn dass gerade jenen Menschen, die aufgrund von Behinderungen oder familiären Konflikten schwierige Startvoraussetzungen haben, keine Beihilfe zustehen sollte, ist sozialpolitisch einfach nicht vertretbar! (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist falsch!)

Daher bringe ich jetzt folgenden Entschließungsantrag ein – das ist kein Initiativantrag (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth); lassen Sie mich bitte ausreden; das ist kein Initiativantrag, sondern ein Entschließungsantrag –:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kol­le­gen betreffend „Familienbeihilfe für wirklich alle Kinder und Jugendlichen in Österreich“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sicherzustellen, dass Kindern und Jugend­lichen mit Behinderung oder familiären Konflikten in Österreich, die ohnehin schwierige Voraussetzungen im Leben haben, die Familienbeihilfe, angepasst an ihren Bedürf­nissen, zusteht. Legistische Korrekturen und Präzisierung im Familienausgleichs­ge­setz, sollten im Wege einer Novellierung ehestmöglich erfolgen.“

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Ich glaube, es braucht hier ein klares Zeichen auch vonseiten der VertreterInnen der Bundesländer zum Wohle aller Kinder und Jugendlichen in Österreich. (Bundesrätin Mühlwerth: Der ganze Antrag ist falsch, weil er nicht den Tatsachen entspricht! Die SPÖ müsste das eigentlich wissen! – Bundesrat Schuster: Die sind am Boden, die wissen das nicht!)

Ich bitte um eure Unterstützung! – Vielen Dank. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic.)

14.13

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.

Der von den BundesrätInnen David Stögmüller, Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Familienbeihilfe für wirk­lich alle Kinder und Jugendlichen in Österreich“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. – Bitte. (Bundesrätin Mühlwerth – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Bundesrätin Ecker –: Klär sie auf! – Bundesrätin Ecker: Es ist immer nur die Frage, ob das etwas hilft!)