BundesratStenographisches Protokoll885. Sitzung, 885. Sitzung des Bundesrates am 8. November 2018 / Seite 20

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habe, war in erster Linie dadurch motiviert, dass ich die Zuhörerschaft, die nach einer Woche von vorgefertigten Satzstücken und Satzteilen, die sich natürlich immer wieder wiederholen, ein bisschen aufwecken wollte. Da kommt die österreichische Außenmi­nisterin, hoppala, die spricht Arabisch – wieso? Man muss sich die Kopfhörer aufset­zen. – Das hat natürlich für eine gewisse Aufmerksamkeit gesorgt und für eine sehr emotionale und positive Reaktion aus der arabischen Welt. Ich habe erst gestern Post aus Algerien bekommen, einen langen Brief, unterzeichnet von algerischen Intellek­tuellen, die sich einfach gefreut haben über diesen Ausdruck der Wertschätzung für die arabische Sprache, weil zum ersten Mal ein westlicher Politiker in arabischer Sprache vor der UNO-Generalversammlung gesprochen hat. Ich habe begonnen mit einem Brecht-Zitat, die Moritat von Mackie-Messer: „Und man siehet die im Lichte / Die im Dunkeln sieht man nicht.“ – Wir stehen hier in diesem Lichte, auch hier in diesem Gre­mium, auch in der UNO-Generalversammlung. Es ist eine Notwendigkeit, dass wir für die, die im Dunkeln sind – ob im Jemen, ob in Syrien, das waren die beiden Schwer­punkte meiner Rede –, Maßnahmen ergreifen und uns eben nicht in Semantik verlie­ren.

Gerade bei Syrien geht es derzeit um eine Wortklauberei – wenn ich das so formu­lieren darf – zwischen den Fragen, was noch humanitäre Assistenz ist, wo schon Sta­bilisierung in Richtung Wiederaufbau beginnt und inwieweit man sich daran beteiligen darf, beispielsweise mit Investitionen in Entminung, in Trinkwasser, in Baumaterialien, damit die Leute vielleicht selbst wieder das eine oder andere Dorf aufbauen können. Genau daran beteiligt sich das Flüchtlingshochkommissariat UNHCR. Auch wir betei­ligen uns daran im Rahmen unserer Mittel, die vor allem aus dem Auslandskatastro­phenfonds kommen, wo ich zu Beginn des Jahres 3 Millionen Euro für Syrien zur Ver­fügung gestellt habe. Es werden bis Jahresende noch weitere Gelder mobilisiert wer­den. Für den Jemen haben wir bislang nur – ich weiß, dass es nicht viel ist – 1 Mil­lion Euro mobilisiert. Wir dürfen aber den Jemen nicht ausschließlich – und das gilt auch für viele andere Krisengebiete – durch die humanitäre Brille betrachten, sondern letztendlich geht es darum, Verhandlungslösungen zu finden. Auch hier engagieren wir uns, den UNO-Sondergesandten für Jemen Martin Griffith zu unterstützen. Wie es sich eben jetzt anbahnt, versuchen wir einfach auch hier, österreichische gute Dienste zur Verfügung zu stellen, je nachdem, wie es sich dann ergibt. Das ist letztendlich eine Entscheidung, die auf UN-Ebene fällt – und natürlich auch unter den beteiligten Kon­fliktparteien.

Was aber beide Kriege kennzeichnet, ist, dass es sich um Stellvertreterkriege handelt. Ich vermeide den Begriff Bürgerkrieg in diesem Zusammenhang, weil wir, wie auch schon von den drei Vorrednern erwähnt wurde, hier eine ganze Reihe von Sponso­ren – wenn man so will – dieses Krieges haben. Es sind the same usual suspects, die üblichen Verdächtigen, die Regionalmächte des Nahen Ostens und auch die Russi­sche Föderation und die Vereinigten Staaten von Amerika, die hier ihre Stellvertreter­kriege natürlich mitgestalten, mitbegleiten. Angesichts der Erschöpfung aller Beteilig­ten – die Zivilgesellschaft ist erschöpft – spielen alle Beteiligten eine Rolle, damit es hoffentlich zu einer am Verhandlungstisch ausverhandelten Lösung kommen mag.

Ich darf jetzt kurz auf die Generalversammlung eingehen, die Sie schon erwähnt ha­ben, und deren hochrangige Besetzung. Es war meine erste UN-Generalversammlung. Ich habe sie insofern als etwas ganz Besonderes empfunden, weil man dort etwas verspürt, was ich in noch keinem anderen Gremium in den letzten elf Monaten meiner Arbeit als Außenministerin in diesem Umfang mit allen fünf Sinnen – haptisch, optisch und so weiter – empfand, nämlich die Gleichberechtigung aller Mitgliedstaaten.

Es ist wahrscheinlich vielen von uns entgangen, ich bin zufälligerweise darauf gekom­men, weil ich einen Gastkommentar zum Thema verfasst habe: Wir haben am 24. Ok­tober ein Jubiläum des Westfälischen Friedens gefeiert. Er wurde 1648 in Münster und


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